# taz.de -- Großflughafen Berlin-Brandenburg: Der Himmel ist laut
       
       > Die Gemeinde Blankenfelde südlich von Berlin warnt schon lange vor dem
       > Lärm des zukünftigen Großflughafens. Jetzt organisiert sich auch in
       > Berlin der Protest.
       
 (IMG) Bild: Mehrmals stündlich brausen am Himmel im Berliner Süden die Motoren. Die "Grenze der Zumutbarkeit" ist längst erreicht.
       
       Die Wolken hängen tief über Blankenfelde, der Himmel ist grau. Bernd
       Habermann steht in seinem Vorgarten und schaut nach oben. Ein Grollen ist
       zu hören, nicht stimmraubend, aber lang und deutlich. Zu sehen ist nichts.
       "Das war ein Flugzeug von der künftigen Nordbahn, und die ist zwei
       Kilometer weg", erklärt Habermann. "Die geplante Südbahn läuft dann direkt
       über uns." Habermann ist über die Jahre ein Fluglärmexperte geworden, er
       zeichnet mit dem Finger eine Linie in die Luft über seinem Kopf. Beim
       Landeanflug auf den neuen Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg
       International (BBI) werden sich die Maschinen in einer Höhe von 300 Metern
       über dem Haus von Habermann bewegen; es muss schon ein sehr trüber
       Novembertag sein, wenn diese Flieger nicht zu sehen sind.
       
       Künftig wird es laut in der brandenburgischen Gemeinde Blankenfelde-Mahlow
       im südlichen Speckgürtel von Berlin. Richtig laut. Egal wie nun die
       Flugzeuge ab Mitte 2012 von dem neuen Hauptstadtflughafen in
       Berlin-Schönefeld genau abfliegen und landen - mehr als 20.000 Menschen in
       Blankenfelde werden ab diesem Zeitpunkt "an der Grenze der Zumutbarkeit"
       leben, wie die Deutsche Flugsicherung bemerkt. Fünf Kilometer liegt
       Blankenfelde vom westlichen Ende des Großflughafens entfernt, ähnlich wie
       Raunheim beim Flughafen Frankfurt am Main.
       
       Frühe Warnung 
       
       Schon jetzt brausen die Flugzeuge zu Stoßzeiten mehrmals stündlich über die
       Köpfe der Brandenburger; Schönefeld ist in den vergangenen Jahren zum
       begehrten Billigfliegerziel geworden, die Schriftzeichen von easyJet,
       Ryanair und Germanwings können die Menschen im Ort bei klarem Wetter gut
       entziffern. Jahrelang juckte die Aussicht auf noch mehr Belastungen für die
       Berliner Peripherie weder Öffentlichkeit noch Politik. Seit 1996 die
       Entscheidung fiel, den künftigen Hauptstadtflughafen am südlichen Stadtrand
       zu platzieren, füllten die Blankenfelder Unterschriftenlisten,
       demonstrierten, zogen vor Gericht. "Das wird ein Stadtflughafen, mit allen
       damit verbundenen Belastungen", hat Habermann, der von 1998 bis 2003
       Bürgermeister in Blankenfelde war, schon damals gewarnt. "Die Kernfrage
       war: Wie stehst du zum Flughafen?", erinnert er sich. "Auch damals gab es
       Massendemos, wir sind mit Bussen nach Berlin gefahren!" Passiert ist
       nichts. Den Hauptstädtern schien die Provinz weit weg. "Nicht einmal von
       den Medien wurden wir wahrgenommen." Bitter sei das gewesen, so viel
       Engagement ohne Widerhall.
       
       Eigentlich müsste der unfreiwillige Fluglärmexperte Habermann neidisch sein
       auf Marela Bone-Winkel. Die 44-Jährige wohnt in Nikolassee, einem
       Villenvorort im Berliner Südwesten, und deutlich weiter weg vom Flughafen
       Schönefeld als Blankenfelde. Als Anfang September bekannt wird, dass auch
       die gediegeneren Viertel der Hauptstadt etwas vom Fluglärm abbekommen
       werden - wenngleich in weitaus geringerem Maß als Blankenfelde -, trommelt
       sie zum Protest. Innerhalb von Tagen zieht sie Lokalpolitiker auf ihre
       Seite, positioniert sich in der Presse und initiiert Demonstrationen.
       Örtliche Medien haben die promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin "Mutter
       der Fluglärmproteste" getauft, weil sie anfangs gern von ihren vier Kindern
       erzählt hat. Inzwischen ist sie professioneller geworden. Statt aus dem
       Privatleben redet sie von den Informationen, die ihr Piloten, Fluglotsen
       und Juristen zukommen lassen.
       
       Drei Dutzend Bürgerinitiativen im Süden Berlins sind inzwischen ihrem
       Beispiel gefolgt. Und Bone-Winkel hat erreicht, was Habermann jahrelang
       verwehrt worden ist: öffentliche Aufmerksamkeit und politischen Druck auf
       Flughafen und Fluggesellschaften. Sicher hatten die bürgerlichen
       Demonstranten in Stuttgart gute Vorarbeit geleistet: In Berlin wird im
       kommenden Jahr das Abgeordnetenhaus gewählt, die Politiker suchen den
       Schulterschluss mit ihren Bürgern. Aber Bone-Winkel hat sich auch geschickt
       fachliche Berater an die Seite gestellt. Innerhalb von vier Wochen ist aus
       ihr eine Profiaktivistin geworden. "Ich habe das vorher auch noch nicht
       gemacht", sagt die Frau, die stets mit verschränkten Armen streng in die
       Kamera blickt. Es klingt wie eine Entschuldigung für den Erfolg der
       Initiative.
       
       Der Sturm in den bürgerlichen, wohlhabenden Bezirken im Südwesten Berlins
       entzündet sich an den geplanten BBI-Flugrouten. Am 6. September stellte die
       Deutsche Flugsicherung (DFS) einen ersten Entwurf für die Abflüge vor. Da
       Flugzeuge immer gegen den Wind starten und landen und knapp zwei Drittel
       der Berliner Winde aus westlichen Richtungen kommen, sind die Westlagen
       besonders wichtig. Nach den DFS-Entwürfen würden Flugzeuge der nördlichen
       Start-und-Lande-Bahn beim Start gen Westen kurz nach dem Abheben einen
       Knick nach Norden machen. Auf ihrem weiteren Weg überflögen sie dann die
       südliche Stadt in einer Höhe von 1.500 bis 2.500 Metern. Die Flieger wären
       noch deutlich zu hören. Durch den Knick würden die ohnehin durch den
       Landeanflug lärmgeschädigten Gemeinden Blankenfelde und Mahlow entlastet.
       
       Bislang waren die Berliner davon ausgegangen, dass die Abflugroute von BBI
       aus keinen Knick macht; die Maschinen wären südlich an der Hauptstadt
       vorbeigerauscht. Manch Betroffener vermutet, dass ihnen die Knickvariante
       absichtlich vorenthalten wurde, um die Zustimmung zu dem neuen BBI-Standort
       nicht zu gefährden.
       
       Zu den Montagabenddemonstrationen kommen Tausende. Eltern mit Kindern,
       Männer und Frauen mit Aktentaschen, Rentnerpaare. Sie hören sich Reden an,
       halten ein Pappschild hoch, dann gehen sie nach Hause. Spät wird es bei den
       Demos nie, aber sie etablieren sich. Politiker folgen Einladungen zu
       Diskussionsrunden in Pfarrsälen und auf Dorfplätzen.
       
       Anfang Oktober sitzt Bone-Winkel in einer Diskussionsrunde des Rundfunks
       Berlin-Brandenburg - als einzige Nichtfachfrau unter Fachmännern. Und dann
       ist sie es, die dem Moderator zwischenzeitlich den Job abnimmt, um dem
       Herumlavieren von Staatssekretär und Flugsicherung ein Ende zu bereiten.
       "Die Flugsicherung muss sich Alternativen einfallen lassen", fordert sie,
       klug genug, nicht konkret auf ein Abwälzen des Flugverkehrs auf das
       Brandenburger Umland zu dringen.
       
       Habermann schätzt Bone-Winkel, weil sie sachlich bleibe. Obwohl ihr
       Engagement für den Berliner Südwesten immer auch ein potenzielles Abwälzen
       des Fluglärms auf das Brandenburger Umland bedeutet. Auf Habermanns
       Gemeinde. Auf Habermanns gewachsenes, 80 Jahre altes Haus, in dem seine
       Frau aufgewachsen ist. "Ich bin überhaupt dankbar für die Demos jetzt",
       sagt er. "Endlich wird das Problem wahrgenommen."
       
       Flugsicherung blockt ab 
       
       Lösen soll es die Flugsicherung; eine undankbare Aufgabe, Flugrouten für
       einen Airport zu erarbeiten, der de facto mitten im Siedlungsgebiet liegt,
       möglichst niemanden mit Fluglärm belasten und maximal wirtschaftlich
       arbeiten soll - also gleichzeitige Starts auf parallelen Bahnen vorsieht.
       Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit dreschen derweil auf die
       Flugsicherung ein und verlangen die Umsetzung ihrer jeweiligen Forderungen.
       Zu unflexibel seien die Planer, schimpft Flughafenchef Rainer Schwarz, der
       so viele Flugzeuge wie möglich starten sehen will. Schlechte
       Öffentlichkeitsarbeit, klagen Politiker und fordern wiederum Druck auf die
       Wirtschaft, doch seltener zu fliegen. Die DFS äußert sich gar nicht mehr -
       zugesicherte Interviewtermine werden zweimal kurzfristig abgesagt.
       
       Die Politik lenkt mit ihrem Engagement für die Ruhe über den Köpfen der
       Bevölkerung davon ab, dass letztlich sie schuld ist an dem Debakel: Wäre
       nicht der frühere DDR-Flughafen Schönefeld, sondern der weiter entfernt
       liegende Militärflughafen Sperenberg Standort des neuen Hauptstadtairports
       geworden, hätte es keine Lärmprobleme gegeben. 1996 fiel diese
       Grundsatzentscheidung; der in Westberlin stark verankerten CDU schien
       Sperenberg einfach zu weit entfernt.
       
       "Das war eine politische Entscheidung, bar jeden Sachverstands", schimpft
       Habermann noch heute. Auf seinem Schreibtisch liegen die Pläne, die damals
       zurate gezogen wurde. Auf ihnen zeichnet sich deutlich ab, dass Schönefeld
       zwischen zwei Siedlungsachsen liegt - und es war klar, dass der Speckgürtel
       wachsen würde. Der 72-Jährige ist ein bedachter, überlegter Mann,
       Bauingenieur, ein Techniker. Nur wenn er den 1.171 Seiten dicken
       Planfeststellungsbeschluss anschaut, der den Standort Schönefeld
       besiegelte, wird er aufgeregt. "Volldröhnen wollen sie uns jetzt",
       entschlüpft es ihm. Dabei hätten sie es doch wissen müssen: Ein
       Stadtflughafen ohne Lärm, das geht nicht.
       
       9 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kristina Pezzei
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Flughafen Berlin-Brandenburg (BER)
       
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