# taz.de -- Angebliche Deutschenfeindlichkeit: Kartoffeldebatte ohne Beweise
       
       > Familienministerin Kristina Schröder hat allgemeine Aggressionen gegen
       > Deutsche ausgemacht. Studien, die das belegen, kann die Ministerin aber
       > nicht vorlegen.
       
 (IMG) Bild: Angriff der Deutschenfeinde oder nur ein Herbstlaubgeplänkel im Kindergarten: Ministerin Kristina Schröder.
       
       Über 30.000-mal sind Kristina Schröder und ihr Fernsehinterview auf Youtube
       geklickt worden. Darin geht es um "deutsche Kartoffeln" und "deutsche
       Schlampen". So bezeichnen jugendliche Migranten häufig gleichaltrige
       Deutsche. Sagt die Familienministerin. Sie sei auch schon so betitelt
       worden. "Das nenne ich Deutschenfeindlichkeit", sagt sie. Und fordert eine
       Ausweisung krimineller, integrationsunwilliger Jugendlicher.
       
       Worauf bezieht sich die CDU-Politikerin, wenn sie in den vergangenen Wochen
       wiederholt von einer "Form von Rassismus" gegenüber Deutschen spricht?
       Untersuchungen zu diesem Thema gibt es nämlich nicht. Keine
       wissenschaftlichen Erhebungen, die sich dezidiert mit
       "Deutschenfeindlichkeit" befassen, keine Studien aus dem Innenministerium,
       keine aus dem Familienministerium. Das ergab jetzt eine Anfrage des grünen
       Bundestagsabgeordneten Sven-Christian Kindler ans Schröder-Ministerium.
       Dafür findet ein Mitarbeiter aus dem Haushaltsreferat eigene Beweise: "So
       geht im Bundesfamilienministerium täglich eine Fülle von Eingaben und
       Zuschriften ein, in denen sich Bürgerinnen und Bürger zustimmend und
       unterstützend zur Kritik der Bundesfamilienministerin äußern."
       
       Der Mitarbeiter der Außenstelle Bonn zitiert zudem die Gewerkschaft
       Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie eine Untersuchung des
       Kriminologischen Instituts Niedersachsen, die im Juni veröffentlicht wurde.
       Darin habe der Institutsleiter Christian Pfeiffer "auf die Problematik der
       Deutschenfeindlichkeit bei jungen Muslimen aufmerksam gemacht". Seine
       Studie sei gründlich missverstanden worden, erklärte Christian Pfeiffer
       daraufhin in verschiedenen Zeitungen. Es gebe zwar "klare Hinweise" darauf,
       dass Jugendliche aus Einwandererfamilien Deutsche angreifen: Fast ein
       Viertel von ihnen hätte Deutsche schon mal beschimpft und knapp 5 Prozent
       hätten absichtlich einen Deutschen geschlagen. Weitaus stärker ausgeprägt
       sei aber die Ablehnung deutscher Jugendlicher gegenüber migrantischen
       Gleichaltrigen, betont Pfeiffer: 40 Prozent der deutschen Jugendlichen
       lehnen türkische Jugendliche ab.
       
       Bei den Angriffen migrantischer Jugendlicher auf deutsche Altersgefährten
       handelt es sich um ein Verlierer- und Altersphänomen, sagt Peter Sinram,
       Pressesprecher des GEW-Landesverbandes Berlin. Die Berliner GEW hatte die
       Debatte mit einer Tagung losgetreten, nachdem zwei Berliner Lehrer in einem
       Artikel Beobachtungen an ihren Schulen beschrieben hatten.
       
       "Da schließen sich 15- und 16-Jährige zusammen, die sich perspektivlos
       fühlen und dadurch Ichstärke gewinnen, dass sie als Gruppe gegen andere
       vorgehen", sagt Sinram. In Grund- und Berufsschulen gebe es so etwas fast
       nicht. Günter Piening, Integrationsbeauftragter in Berlin, sagte, dass
       Konflikte auch unter "Migrantenkids" selbst auftreten.
       
       "Angehörige der weißen Mehrheitsgesellschaft sind keinem strukturellen
       Rassismus ausgesetzt", sagt der Grüne Sven-Christian Kindler: "Schröders
       Äußerungen sind pseudowissenschaftlicher, gefährlicher Quatsch." Vor einer
       Woche hat die Bundesregierung ein Drittel der Mittel für die Integration
       benachteiligter Jugendlicher in die Freiwilligendienste gekürzt. Statt
       ursprünglich 2 Millionen Euro stehen jetzt 1,4 Millionen Euro zur
       Verfügung.
       
       15 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schmollack
       
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