# taz.de -- EU protegiert Gentechnikindustrie: Der Lobbyist als Kontrolleur
       
       > Wissenschaftler der EU-Lebensmittelbehörde arbeiten zugleich für ein
       > Forschungsinstitut, das der Gentechindustrie nahesteht. Das hat sich auf
       > Studien zur Riskobewertung ausgewirkt.
       
 (IMG) Bild: Könnte dieser Maiskolben lügen? Wenn die EU mit der Gentechindustrie klüngelt, werden Ungefährlichkeitseinstufungen zur Farce.
       
       BERLIN taz | Der wichtigste Gentechnik-Gutachter der EU-Behörde für
       Lebensmittelsicherheit (Efsa) arbeitet gleichzeitig für ein überwiegend von
       der Industrie finanziertes Forschungsinstitut. Harry Kuiper, Vorsitzender
       des Efsa-Gremiums, das für die Sicherheitsprüfung gentechnisch veränderter
       Pflanzen und Tiere zuständig ist, liefert nach eigenen Angaben Beiträge für
       das International Life Sciences Institute (Ilsi). "Solche Berichte werden
       benutzt, um die Zulassung von Gentechpflanzen zu erleichtern", kritisiert
       die Nichtregierungsorganisation Testbiotech. Kuipers Doppelrolle
       erschüttere die Glaubwürdigkeit der EU-Behörde.
       
       Auch mit solchen Vorwürfen begründen Umweltschützer das strenge
       Haftungsrecht für den Anbau von Gentechpflanzen, gegen das Sachsen-Anhalt
       vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt hat (siehe oben). Weil die Behörde
       die Pflanzen vor der Zulassung nicht ausreichend prüfe, seien besondere
       Vorsichtsmaßnahmen nötig.
       
       Das Forschungsinstitut Ilsi ist den Aktivisten verdächtig, weil dessen
       Mitglieder ausschließlich Firmen wie Monsanto und Bayer sind. Diese
       Unternehmen müssen ihre gentechnisch veränderten Pflanzen von der Efsa auf
       Risiken untersuchen lassen. Immer haben die Experten der Behörde diese
       Sorten als ungefährlich eingestuft. Auf diese Einschätzungen stützt sich
       die EU-Kommission bei der Entscheidung, ob eine Pflanze verwendet werden
       darf oder nicht.
       
       "Unmittelbar bevor Kuiper 2003 zur Efsa kam, arbeitete er bei Ilsi mit der
       Gentechnikindustrie ausgerechnet an Kriterien für die Risikobewertung von
       gentechnisch veränderten Pflanzen", sagt Testbiotech-Chef Christoph Then.
       Tatsächlich veröffentlichte das Industrieinstitut eine Studie von Kuiper
       und anderen Wissenschaftlern über die Sicherheitsprüfung von
       Gentech-Lebens- und -Futtermitteln mit verbesserten Nährwerten -
       mitgeschrieben haben dem Impressum zufolge auch Beschäftigte von Monsanto
       und Bayer.
       
       Dass sich die EU-Behörde in ihrer im Jahr 2004 veröffentlichten Leitlinie
       über die Risikoprüfung von dieser Studie hat beeinflussen lassen, ist
       offensichtlich: Darin empfahl sie ihren Gutachtern im Zusammenhang mit der
       Beurteilung von Nährwerten eines Gentech-Lebensmittels die Ilsi-Analyse.
       Diese kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass "alle Lebens- und
       Futtermittel mit verbesserten Nährwerten hinsichtlich ihrer potenziellen
       Wirkung auf die Gesundheit unabhängig von der Herstellungstechnik beurteilt
       werden sollten". Dabei halten Umweltschützer die möglichen Risiken bei
       Gentechpflanzen für viel größer, weil deren Erbgut künstlich verändert
       wurde.
       
       Kuiper ist nicht der einzige industrienahe Beschäftigte der Efsa. Auch Gijs
       Kleter, einer seiner Mitarbeiter im Prüfungsgremium, hat der EU-Behörde
       zufolge von 2002 bis 2007 für das Ilsi gearbeitet. Im Gegensatz zu Kuiper
       hat er diese Tätigkeit zumindest aufgegeben, bevor er 2009 bei der Efsa als
       Gutachter anfing.
       
       Die Präsidentin der Behörde, Diána Bánáti, trat von ihrem Posten im
       Verwaltungsrat von Ilsi Europe erst nach einem Aufschrei in den Medien im
       Oktober zurück. In einem anderen Fall war die Leiterin der
       Gentechnikabteilung, Suzy Renckens, direkt von der Efsa zur
       Gentechindustrie gewechselt. "Da kann die Industrie die Risiken ihrer
       Pflanzen gleich selber bewerten", sagt Then.
       
       Kuiper und Kleter reagierten nicht auf die Bitte der taz um eine
       Stellungnahme. Efsa-Sprecher Stephen Pagani sagte: "Es gibt keinen
       Interessenkonflikt." Die Wissenschaftler müssten jährlich alle Tätigkeiten
       veröffentlichen, die mit ihrem Efsa-Job kollidieren könnten. Bei möglichen
       Interessenkonflikten könnten Experten jederzeit von Entscheidungen
       ausgeschlossen werden.
       
       25 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
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