# taz.de -- Kommentar Gentechnik: Feldbefreier aus Karlsruhe
       
       > Die langfristigen Folgen des Gentech-Einsatzes in der Landwirtschaft sind
       > noch nicht endgültig geklärt.
       
       Diese Ansage ist unmissverständlich: Wenn sich gentechnisch veränderte
       Pflanzen auf Nachbarfeldern ausbreiten, müssen Gentechnik-Bauern dafür
       zahlen. Das hat das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch entschieden,
       obwohl die Gentech-Lobby diese eigentliche selbstverständliche Regel im
       deutschen Gentechnik-Gesetz kippen wollte. Gut, dass die Richter dieser
       Forderung nicht nachgegeben haben.
       
       Denn die Haftungsregel ist ein wichtiges Instrument, um die Bevölkerung vor
       möglichen Gefahren durch die Pflanzen zu schützen. Schließlich erschwert es
       die Vorschrift erheblich, solche Sorten in Deutschland anzubauen - selbst
       wenn sie bereits von den Behörden zugelassen wurden. Gentech-Bauern können
       eben kaum verhindern, dass ihre Pflanzen Felder mit herkömmlicher Saat
       verunreinigen. Deshalb scheuen die meisten Landwirte das Haftungsrisiko und
       verzichten lieber auf die Pflanzen aus den Genlabors von Konzernen wie
       Monsanto und BASF. Die Richter hätten ein Einfallstor für die Gentechnik
       geöffnet, wenn sie die strengen Haftungsregeln für verfassungswidrig
       erklärt hätten.
       
       Schutz vor solchen Pflanzen ist auch nötig, weil die Behörden sie unter
       dubiosen Umständen für den Anbau freigeben. Das EU-Amt für
       Lebensmittelsicherheit (Efsa) lässt die Pflanzen von Wissenschaftlern
       beurteilen, die nebenbei zusammen mit Mitarbeitern von Gensaat-Herstellern
       industriefreundliche Studien schreiben. Da ist es kein Wunder, dass die
       Efsa bisher allen zur Zulassung eingereichten Gentech-Sorten bescheinigt
       hat, ungefährlich zu sein. Da das Zulassungsverfahren so viele Mängel hat,
       ist es nur fair, dass das deutsche Gentechnik-Gesetz die Hürden für den
       Anbau so hoch setzt.
       
       Für die Gentechnik-Gegner ist das Karlsruher Urteil auch deshalb ein
       wichtiger Sieg, weil es ihre Glaubwürdigkeit enorm erhöht. Denn das höchste
       Gericht hat festgestellt: Die langfristigen Folgen des Gentech-Einsatzes in
       der Landwirtschaft sind noch nicht endgültig geklärt. Umweltschützer sagen
       das schon lange. Die Mehrheit der Bevölkerung sagt es auch. Aber die
       Konzerne und ihre Unterstützer etwa in der Regierungspartei FDP konnten den
       Einwand bislang einfach vom Tisch wischen. Wenn er jetzt vom
       Bundesverfassungsgericht kommt, können sie das nicht mehr so leicht
       ignorieren - schon gar nicht, wenn das Urteil so klar zu ihren Ungunsten
       ausfällt.
       
       24 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
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