# taz.de -- Sozialforscher über Jungenpolitik: "Mit Jungs reden"
       
       > Ein Jungenbeirat soll herauskriegen, was Jungs wollen und denken. Sie als
       > benachteiligtes Geschlecht zu behandeln, greife zu kurz. Man muss genauer
       > hinsehen, sagt Sozialforscher Marc Calmbach.
       
 (IMG) Bild: Mit Ballett bringt man die meisten Jungen wohl nicht dazu, Geschlechterklischees zu überdenken.
       
       taz: Herr Calmbach, Sie sind einer von sechs Wissenschaftlern, die ab
       Februar im Beirat Jungenpolitik des Familienministeriums arbeiten. Wozu
       braucht man den Jungenbeirat? 
       
       Marc Calmbach: Die Idee ist einfach: Wir wollen nicht über die Köpfe von
       Jungen hinweg, sondern gemeinsam mit ihnen Impulse setzen für
       Jungenpolitik. Wir wollen rauskriegen, welche Männlichkeitsnormen Jungen im
       Kopf haben und wie sie damit umgehen.
       
       Interessiert pubertierende Jungs das überhaupt? 
       
       Man kann natürlich nicht in eine Klasse gehen und sagen: Heute sprechen wir
       über Gender-Mainstreaming. Da wird man keine Jubelstürme auslösen. Man muss
       die Themen behandeln, zu denen Jungs einen unmittelbaren Bezug haben und
       bei denen sie Geschlechterfragen debattieren, ohne dass ihnen das womöglich
       bewusst ist.
       
       Welche Themen sind das? 
       
       Breakdance und Hiphop zum Beispiel. Wenn man dann mit den Jungs darüber
       spricht, was beim Hiphop passiert und was beim Frauen-Rugby, dann verstehen
       die das. Dann haben sie das Gefühl, man spricht mit ihnen über Dinge, die
       ihren Alltag betreffen und nicht aus der Erwachsenenwelt kommen.
       
       Derzeit werden Jungen als das benachteiligte Geschlecht behandelt. 
       
       Das ist eine pauschalisierende Aussage, die so nicht aufrechtzuerhalten
       ist. Es gibt keine Studien, die belegen, dass die Feminisierung der
       Pädagogik dazu beigetragen hat, dass Jungen heute die Verlierer im
       Bildungssystem sind. Deshalb müssen wir hier genauer hinsehen.
       
       Was brauchen Jungen? 
       
       Es geht darum, Geschlechterrollen nicht einfach glattzubügeln, sondern eine
       Vielfalt herzustellen. Der Zivildienst beispielsweise bot jungen Männern
       die Möglichkeit, Geschlechterklischees abzubauen. Wenn der Zivi-Dienst
       jetzt wegfällt, fehlt das leider.
       
       Im Beirat sollen Jungen selbst zu Wort kommen. Wie werden sie ausgewählt? 
       
       Es sollen Jungs aus unterschiedlichen Lebenswelten sein: aus bildungsnahen
       und aus bildungsfernen Schichten und aus migrantischen Familien.
       
       Was braucht eine zeitgemäße Geschlechterdebatte jenseits des jüngst
       entbrannten Streits zwischen Familienministerin Kristina Schröder und
       Altfeministin Alice Schwarzer? 
       
       Eine gewinnbringende Diskussion sollte sich loslösen von festgefahrenen
       Paradigmen, der auf Grabenkämpfe aus ist. Ich glaube, viele Jugendliche
       sind an dieser Stelle längst viel weiter als Erwachsene.
       
       28 Nov 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schmollack
       
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