# taz.de -- Kommentar Heitmeyer-Studie: Die Ängste der Besserverdienenden
       
       > Die Deutschen werden intoleranter und schauen zunehmend mit Verachtung
       > auf Arbeitslose herab. Besonders die finanziell Bessergestellten
       > reagieren furchtsamer und aggressiver.
       
       Die Bundesrepublik ist im Laufe der Jahre toleranter geworden. Schwule
       können ohne viel Aufhebens Minister werden, neuerdings gilt dies auch für
       Musliminnen. Der langfristige Trend, den der Bielefelder Soziologe Wilhelm
       Heitmeyer bisher gemessen hat, zeigt, dass geronnene Ressentiments gegen
       das Andere langsam aufweichen. Vor allem wer über Geld und Bildung verfügt,
       zeigt sich liberal und aufgeklärt.
       
       So war es – aber so ist es nicht mehr. Die Besserverdienenden verachten
       Arbeitslose neuerdings stärker als die Durchschnittsverdiener. Das
       klassische Modell, dass vor allem die abstiegsbedrohte untere Mittelschicht
       anfällig für Vorurteile gegen die da unten ist, gilt derzeit nicht mehr.
       
       Die Besserverdienenden haben in der Finanzkrise erlebt, wie ihre
       Aktiendepots zeitweise dahinschmolzen. Dieser Abstieg war eher gefühlt als
       real - doch schon diese gefühlte Krise hat die Reichen härter, furchtsamer
       und aggressiver gemacht.
       
       Das obere Bürgertum, das Absturzängste bislang nur aus der Zeitung kannte,
       ist in Teilen islamophob geworden. Und: Die Islamfeindschaft ist ein Ventil
       für allerlei Ängste. Auch wer sich links von der Mitte verortet, ist nicht
       mehr dagegen gefeit. Die Daten, die Heitmeyer & Co präsentieren, lesen sich
       wie eine Illustration der Sarrazin-Debatte.
       
       All das ist beunruhigend. Denn bisher war stets Verlass darauf, dass
       Rechtspopulisten hierzulande höchstens flüchtige Erscheinungen sind, die
       nicht im Bundestagspräsidium, sondern als Kokser an der Copacabana enden.
       Der Sprung in die geordnete Welt des oberen Bürgertums blieb ihnen bislang
       verwehrt. Der konservative Handwerksmeister und der Schulrektor mögen keine
       windigen Demagogen, mit denen man in Deutschland einschlägige Erfahrungen
       gemacht hat.
       
       So war es. Aber so muss es nicht bleiben. Die historische Imprägnierung
       gegen den Populismus hat Risse bekommen, die Abwehrkräfte schwinden.
       
       Es stimmt: In der Parteipolitik gibt es kein Anzeichen, dass Rechte bei
       Wahlen reüssieren können. Keinen Wilders, keinen Haider. Zum Glück. Doch
       dahinter kommt langsam etwas ins Rutschen.
       
       3 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
       
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