# taz.de -- Folgen eines Ehrverbrechens: Todesangst vor dem Ex-Mann
       
       > Vor drei Jahren wurde Aylin Korkmaz von ihrem Ex-Mann fast ermordet. Bald
       > soll der Täter vorzeitig aus der Haft kommen. Korkmaz Anwalt will das
       > verhindern.
       
 (IMG) Bild: Aylin Korkmaz muss mit einem vernarbten Gesicht leben.
       
       Sie bangt um ihr Leben. Seit Aylin Korkmaz im Sommer 2007 von ihrem Ex-Mann
       mit einem Messer so stark verletzt wurde, dass sie knapp mit dem Leben
       davon kam, muss sie damit rechnen, dass er erneut versuchen wird, sie
       umzubringen. Mehmet K. wurde vom Landgericht Baden-Baden, wo die Tat
       geschah, zwar zu 13 Jahren Haft verurteilt. Aber die Staatsanwaltschaft
       Baden-Baden will den Täter schon nach der Hälfte der Zeit, im Juni 2014,
       aus der Haft entlassen und in seine Heimat Türkei abschieben.
       
       "Wenn das geschieht, ist das Leben von Aylin Korkmaz massiv gefährdet",
       sagt Myria Böhmecke von der Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes.
       Aylin Korkmaz fürchtet, dass ihr Exmann mit einem falschen Pass illegal
       nach Deutschland einreisen und seinen Mordversuch wiederholen wird. Das
       will Terre des Femmes verhindern. Die Organisation will dafür sorgen, dass
       der Fall neu aufgerollt wird.
       
       Gegen den Beschluss der Staatsanwaltschaft kann Aylin Korkmaz, Mutter
       dreier Kinder, nichts tun. Laut Strafprozessordnung, die Bundesrecht ist,
       können Straftäter vorzeitig aus der Haft entlassen und in ihre Heimatländer
       abgeschoben werden. Das geschieht vor allem aus "fiskalischen Interessen
       des Bundes". Ob und wann das geschieht, können die Bundesländer allerdings
       selbst regeln. Hier sieht Dirk Dohr, Korkmaz Anwalt, eine Chance für seine
       Mandantin.
       
       In einem Runderlass des Justizministeriums Baden-Württemberg, der Ausnahmen
       von der üblichen Abschiebepraxis regelt, heißt es unter anderem, dass von
       einer Abschiebung abgesehen werden kann, wenn ein "öffentliches Interesse
       wegen der Schwere der Tat oder der Gefährlichkeit des Beschuldigten"
       besteht. "Das ist ganz klar gegeben", sagt Dohr.
       
       So sieht es auch Terre des Femmes. Der Verein will am Freitag der
       Staatsanwaltschaft Baden-Baden 10.000 Unterschriften übergeben. Die
       UnterzeichnerInnen fordern, dass Mehmet K. bis zum Ende seiner Strafe in
       Haft bleibt. "Ehrverbrechern soll kein Straferlass gewährt werden", sagt
       Böhmecke.
       
       88 Personen, meist Frauen und Kinder, wurden von 1996 bis 2009 Opfer von
       Ehrenmordanschlägen, fand die Kriseneinrichtung für junge Migrantinnen,
       Papatya, in Berlin heraus. 72 von ihnen haben die Anschläge nicht überlebt.
       Darunter bekannte Fälle wie Hatun Sürücü. Auch über Aylin Korkmaz, 37,
       haben die Medien damals viel berichtet.
       
       Sie war 19 Jahre alt, als sie von ihrer Mutter zwangsverheiratet wurde, und
       musste ihrem Mann nach Deutschland folgen. Der lebte schon länger hier,
       sprach kaum Deutsch und war wenig integriert. Aylin Korkmaz hat Abitur,
       lernte schnell die neue Sprache und fand Arbeit. Als sie die Gewalt des
       Mannes nicht mehr ertrug, ließ sie sich 2003 scheiden. Nach der
       Messerattacke musste sie 16-mal operiert werden, heute lebt sie mit einem
       vernarbten Gesicht. Sie blieb in Baden-Baden und arbeitet in einem
       Supermarkt.
       
       Wie viele ausländische Straftäter bundesweit vor dem offiziellen Haftende
       abgeschoben werden, wird statistisch nicht erfasst. In Baden-Württemberg,
       wo Baden-Baden liegt, wurden nach Aussage des Landesjustizministeriums in
       diesem Jahr 220 ausländische Straftäter "aus der Untersuchungs- und
       Strafhaft" abgeschoben.
       
       Vor zehn Jahren waren es laut einer Statistik der Gefährdetenhilfe
       Scheideweg zufolge fast fünfmal so viele. In anderen Bundesländern waren es
       damals weniger: 21 in Schleswig-Holstein, 22 im Saarland und 28 in
       Mecklenburg-Vorpommern.
       
       Dohr glaubt, dass die Chancen gut stehen, dass die Behörden den "Fall
       Korkmaz" noch einmal aufgreifen. Bleibt die Staatsanwaltschaft stur, will
       sich Dohr an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrecht wenden.
       
       9 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schmollack
       
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