# taz.de -- Interview mit Ruandas Präsident Kagame: "Ruanda ist in gutem Zustand"
       
       > 16 Jahre nach dem Völkermord an den Tutsi: Ruandas Präsident Paul Kagame
       > sieht die Zeit für Europas Exilruander gekommen, in das ostafrikanische
       > Land zurückzukehren.
       
 (IMG) Bild: "Ich zweifele nie an der Intelligenz der Menschen": Paul Kagame.
       
       taz: Herr Präsident, Sie haben sich in Brüssel mit über 2000 Exilruandern
       aus ganz Europa getroffen und sie zur Rückkehr in ihre Heimat aufgerufen.
       Es gibt in der ruandischen Diaspora auch mutmaßliche Teilnehmer am
       Völkermord. Wie wollen Sie die Überlebenden in Ruanda beruhigen, falls
       Leute zurückkehren, vor denen man Angst haben kann? 
       
       Wir wollen alle Ruander beruhigen. Ruander sind nicht homogen. Wir haben
       Opfer, Überlebende, Täter, deren Familienangehörige, alle möglichen Leute.
       Also müssen wir ein Umfeld der Rechtsstaatlichkeit und der Gerechtigkeit
       schaffen, in dem sich jeder einigermaßen wohlfühlt. Wir wollen alle
       einbeziehen. Den Überlebenden sagen wir: Wir haben Frieden
       wiederhergestellt, Institutionen geschaffen, es gibt Fortschritt, die
       Menschen bauen ihr Leben neu auf. Es ist ein Prozess, und wir sind uns
       ständig bewusst, woher wir kommen und wohin wir gehen.
       
       Im Exil sind auch etliche Armeeoffiziere. Sie haben ihnen vorgeworfen, mit
       der Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas)
       zusammenarbeiten, die aus den Tätern des Völkermords hervorgegangen ist. 
       
       Das sage nicht nur ich, das sagt auch die UNO. Diese Dinge geschehen, aber
       sie können den Prozess und den Aufbau unseres Landes nicht aufhalten! Das
       habe ich auch den Ruandern gesagt. Vieles, was sie hören, ist gelogen. Wenn
       man auf die Gerüchte hören würde, müsste man denken, das Land steht in
       Flammen...
       
       Es hat aber Granatenanschläge gegeben... 
       
       Ja. Und in Europa gibt es Terrorismus. Ich glaube aber nicht, dass Europa
       nicht vorankommt. Also wenn ein paar Leute Granaten werfen und wir sie nach
       einigen Monaten finden, haben wir die Lage im Griff.
       
       Mehr und mehr Offiziere verlassen die Armee. Bereitet Ihnen das keine
       Sorge? 
       
       Das ist eine Übertreibung. Sagen wir es sind 100, und Sie sagen: 200. Wir
       haben 3.500 Soldaten in der Friedensmission in Darfur. Wir haben
       zehntausende weitere. Also bin ich zuversichtlich, dass die Armee und das
       Land in gutem Zustand sind. In sehr gutem Zustand.
       
       Manche sagen, das politische System wäre noch stabiler, wenn Oppositionelle
       zu den Präsidentschaftswahlen im August hätten antreten dürfen. Zum
       Beispiel Victoire Ingabire (die derzeit inhaftierte Führerin der nicht
       zugelassenen Hutu-Oppositionspartei FDU, d.Red). 
       
       Wissen Sie, ich zweifele nie an der Intelligenz der Menschen, aber manchmal
       an ihren Intentionen. Wir hatten vier Präsidentschaftskandidaten. Aber dann
       sagten manche: Nein, das waren nicht die richtigen Kandidaten! Wer sind
       sie, zu sagen, wer der richtige Kandidat ist? Wir sind Ruander, es war eine
       ruandische Wahl, es ist unser Land, und dann will uns jemand vorschreiben,
       wen man wählen darf? Ingabire kam und wollte zur Wahl antreten, aber es
       gibt dafür Regeln. Sie kann nicht einfach kommen und sagen: Ich stelle
       meine eigenen Regeln auf, ich beachte die ruandischen Regeln nicht, stellt
       mir keine Fragen, ich will Präsidentin sein. Ruanda ist kein Dschungel.
       
       Was war Ingabires Problem? Ihre Verbindungen zur FDLR? 
       
       Ja. Gucken Sie mal auf ihre Webseite. Diese Frau ist eine Völkermörderin.
       Sie hat nicht getötet, aber sie verbreitet Völkermordideologie. Sie sagt es
       auf ihrer Webseite, und sie sagte es auch in Ruanda. Sie dachte, sie kann
       alles sagen und man kann nichts tun, weil sonst die internationale
       Gemeinschaft schreit. Und ja, die internationale Gemeinschaft schreit. Aber
       wir lassen uns nicht einschüchtern!
       
       Um die FDLR zu beseitigen, haben Sie 2009 gemeinsam mit Kongos Armee die
       "Operation Umoja Wetu" im Ostkongo durchgeführt. Aber das Problem ist nicht
       verschwunden. Überlegen Sie und Kongos Präsident Kabila sich, eine solche
       Operation zu wiederholen? 
       
       Das Problem ist nicht verschwunden, aber es ist kleiner geworden. Die Frage
       ist, was die UNO dort tut. Sie gibt im Kongo jedes Jahr über eine Milliarde
       Dollar aus. Wieso haben wir dann immer noch ein Problem?
       
       Wenn die UNO ihre Arbeit nicht macht, wieso nehmen Afrikaner ihr Schicksal
       dann nicht in die eigenen Hände? 
       
       Genau. Deswegen sind wir ja gemeinsam mit den Kongolesen aktiv geworden. Es
       gibt also Dinge, die Ruanda und Kongo gemeinsam lösen können. Ich wünsche
       mir, wir hätten dafür mehr Zeit gehabt. Ansonsten müssen Kongolesen die
       Probleme des Kongo lösen, so wie Ruander die Probleme Ruandas. Zum Kongo
       können Sie mich nicht befragen, das ist nicht meine Angelegenheit.
       
       Außer dass die FDLR im Kongo Ihre Landsleute sind... 
       
       Ja, aber wenn meine Landsleute in anderen Ländern leben, kann ich nicht
       hingehen und ihnen diktieren, was sie tun sollen.
       
       10 Dec 2010
       
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 (DIR) Schwerpunkt Völkermord in Ruanda
       
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