# taz.de -- Kosovos Regierungschef Thaci in Bedrängnis: Vorwurf des Organhandels
       
       > In einer Klinik sollen Gefangenen des Kosovokriegs Organe entnommen und
       > auf dem Schwarzmarkt verkauft worden sein. War Kosovos Regierungschef
       > Thaci beteiligt?
       
 (IMG) Bild: In Bedrängnis: Kosovos Regierungschef Hashim Thaci.
       
       In einem Bericht an den Europarat erhebt das Schweizer Europaratsmitglied
       Dick Marty schwere Vorwürfe gegenüber dem Regierungschef des Kosovo, Hashim
       Thaci. Der Wahlsieger vom Wochenende soll in schwerste Verbrechen und
       Menschenrechtsverletzungen verwickelt sein. Thaci und andere Mitglieder der
       "Drenica-Gruppe" sollen während des Kosovokrieges 1998/99 direkt und
       indirekt an illegalem Organhandel beteiligt gewesen sein, erklärt Marty und
       spricht von erheblichen Beweisen.
       
       Während des Krieges, aufgrund der chaotischen Verhältnissen nach dem Abzug
       der serbischen Truppen und dem Einmarsch der Nato, existierte die Grenze zu
       Albanien praktisch nicht mehr. Diesen Umstand konnten sich kriminelle
       Mitglieder der Kosova-Befreiungsorganisation UCK zunutzemachen und im
       Norden Albaniens Serben sowie einige Kosovoalbaner in geheimen Gefängnissen
       "unmenschlicher und erniedrigender Behandlung aussetzen, bevor sie
       schließlich verschwanden". In einer Klinik seien Gefangenen Organe
       entnommen worden, die dann auf dem internationalen Schwarzmarkt an
       ausländische Kliniken verkauft worden seien.
       
       Diese Anschuldigungen waren bereits im Februar 2004 erhoben worden, als
       eine Gruppe von Ermittlern des UN-Kriegsverbrechertribunals ICTY und der
       UN-Mission im Kosovo das "Gelbe Haus" in Rripe bei Burrel in
       Zentralalbanien besuchte. Dort sollen, Gerüchten zufolge, Gefangenen Organe
       entnommen worden sein.
       
       Dutzende von internationalen Journalisten verfolgten diese Spur, konnten
       jedoch keine Beweise für die Anschuldigungen del Pontes finden. Es wurden
       zwar Blutspuren entdeckt, jedoch Marty zufolge nicht mit aller forensischen
       Sorgfalt untersucht. Vor allem blieb ungeklärt, wie die Organe, von denen
       manche nach wenigen Stunden transplantiert werden müssen, von den
       albanischen Bergen zu den Empfängern transportiert werden konnten. Marty
       erklärt jedoch, er habe nach intensiven Recherchen mit internationalen und
       albanischen Akteuren - darunter auch einige der damaligen Mittäter -
       gesprochen und Beweismaterial zusammengestellt.
       
       Im April 2008 hatte die ehemalige Chefanklägerin des
       UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, Carla del Ponte, ihre Memoiren
       herausgegeben, in denen diese Geschichte aufgegriffen wird. Wie gefährlich
       Recherchen in diesem Bereich sein können, zeigt das Beispiel des
       französischen Journalisten Xavier Gautier. Er wollte beweisen, dass in
       bosnischen Lagern und Gefängnissen 1994 Organe entnommen und mit
       UN-Flugzeugen von Mostar nach Genf gebracht worden sein sollen. Er wolle
       ein Buch darüber schreiben, erklärte er dem Verfasser in Mostar im Frühjahr
       1994. Vier Wochen später wurde Gautier in dem Haus seiner Eltern in Spanien
       erhängt aufgefunden, sein gesamtes Material war verschwunden. Alle Freunde
       und Verwandte bestritten Selbstmordabsichten des Journalisten, wie von den
       Behörden behauptet.
       
       Der Fall Gautier beweist, dass auch internationale Akteure an solchen
       Aktivitäten beteiligt sein können. Marty erklärt aber lediglich, die
       diplomatische und politische Unterstützung der USA und anderer westlicher
       Länder habe bei Thaci nach dem Kosovokrieg den Eindruck entstehen lassen,
       "unantastbar" zu sein. Die EU, die USA und die UN hätten aus Sorge um die
       Stabilität des Landes nichts unternommen. Organhandel im Kosovo gebe es
       aber bis heute. erklärt er und verweist auf Ermittlungen der EU-Mission
       Eulex. Diese hatte im Oktober in der Medicus-Klinik in Prishtina fünf
       Personen, darunter Ärzte und einen Beamten des Gesundheitsministeriums,
       unter dem Vorwurf des Organhandels und illegaler medizinischer Tätigkeiten
       festgenommen.
       
       Der Bericht Martys wurde am Dienstagabend auf der Website des Europarats
       veröffentlicht. Der Rechtsausschuss der parlamentarischen Versammlung will
       mit Marty am heutigen Donnerstag in Paris dazu Stellung nehmen. In
       Prishtina wies die Regierung die Vorwürfe scharf zurück und sprach von
       Lügen.
       
       16 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erich Rathfelder
       
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