# taz.de -- Jahrestag: Ein erstes Opfer
       
       > Vor 25 Jahren wurde Ramazan Avci in Hamburg von Nazi-Skins ermordet. Nun
       > endlich soll eine Gedenktafel an ihn erinnern.
       
 (IMG) Bild: Gegen das Vergessen: Im Januar 1986 gingen die Menschen für Ramazan Avci auf die Straße.
       
       Ramazan Avci hatte keine Chance. Während seine zwei Landsleute in letzter
       Sekunde in einen Linienbus fliehen können, fährt der VW Golf den
       26-jährigen, türkischstämmigen Mann einfach über den Haufen. Meterweit
       fliegt Avci durch die Luft. Als der Fahrer des Unfallwagens und mindestens
       drei Begleiter das Fahrzeug verlassen, tun sie es nicht, um dem
       Angefahrenen zu helfen. Mit Baseballschlägern und Knüppeln dreschen sie auf
       den Wehrlosen ein, lassen erst ab, als er bewusstlos und mit
       eingeschlagenem Schädel auf dem Asphalt verblutet.
       
       Drei Tage kämpfen die Ärzte in der Intensivstation des Krankenhauses St.
       Georg um Avcis Leben. Am Heiligabend des Jahres 1985 stirbt der junge Mann,
       ohne das Bewusstsein wieder erlangt zu haben. Nur wenige Tage später wird
       sein Sohn geboren - heute fast so alt wie sein Vater, als er starb. Fünf
       Skinheads werden direkt nach der Tat festgenommen, vier von ihnen später zu
       Freiheitsstrafen zwischen drei und zehn Jahren verurteilt.
       
       25 Jahre später soll in Hamburg dieses Gewaltaktes gedacht werden. Zum
       kommenden Dienstag ruft eine "Initiative zu Gedenken an Ramazan Avci" unter
       dem Motto "Kein Schweigen! Kein Vergessen!" um 17 Uhr zu einer
       Trauerkundgebung am Bahnhof Landwehr auf, unweit der Stelle, an der Avci
       überfallen wurde. Die Demonstranten wollen dort die Anbringung einer
       Gedenktafel und die Umbenennung des Bahnhofsvorplatzes in
       Ramazan-Avci-Platz fordern.
       
       Der todbringende Überfall, einer der ersten bekannt gewordenen
       rassistischen Übergriffe mit tödlichem Ausgang in Deutschland, löste vor 25
       Jahren große Bestürzung aus - auch im Ausland. Von einem aus 250
       Kraftfahrzeugen bestehenden Autokorso wurde Avcis Leiche quer durch Hamburg
       zum Flughafen begleitet, um von dort aus nach Ankara überführt zu werden.
       Innerhalb der türkischen Community wurden bürgerwehrähnliche Gruppen zur
       Selbstverteidigung gegründet. "Hamburger Türken wehren sich - der Mordfall
       Avci drängt Rivalitäten in den Hintergrund", titelte damals die Frankfurter
       Rundschau. In Hamburg gründete sich das "Bündnis Türkischer Einwanderer",
       aus dem später die Türkische Gemeinde Hamburg wurde.
       
       Und während die Gefahr rassistischer Mörderbanden allmählich in das
       Bewusstsein der Öffentlichkeit drang, feierte die rechtsradikale Szene,
       glaubt man der Analyse des Autors Markus Messics, einen regelrechten
       Aufschwung. In seinem Buch "Skinheads: Antirassisten oder rechte Schläger?"
       schreibt der Publizist: "Angekurbelt durch die massive Berichterstattung
       der Medien über den von Nazi-Skins getöteten Türken Ramazan Avci kam es ab
       1985 zu einer regelrechten Invasion der Nazi-Skins."
       
       Auf der Hamburger Trauer-Demonstration, an der 15.000 Menschen teilnahmen,
       forderte der spätere Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Hamburg, Hakky
       Keskin, die Bundesrepublik möge sich endlich als Einwanderungsland
       begreifen, "nicht mehr vom Verständnis ausgehen, wir, die Ausländer seien
       hier nur provisorisch". Keskins gesamte Trauerrede wurde in der Zeit
       abgedruckt.
       
       Der Überfall auf Avci war dabei nicht die erste todbringende Attacke auf
       einen Türken in Hamburg. Bereits am 24. Juli desselben Jahres war der
       Bauarbeiter Mehmet Kaymakci von drei Skins zusammengeschlagen und dann in
       ein Gebüsch gezerrt worden. Einer der Täter zerschmetterte dem 29-jährigen
       den Schädel mit einer Betonplatte. "Wir wollten", gab einer der gefassten
       Angreifer später zu Protokoll, "den Türken fertigmachen."
       
       17 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco Carini
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Türkische Gemeinde
       
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