# taz.de -- Debatte über Mindestlöhne: Lidl will alle auf 10-Euro-Höhe sehen
       
       > Der Discounter spricht sich für 10 Euro Mindestlohn aus - in ganz
       > Deutschland und für alle Branchen. Der Einzelhandelsverband findet das
       > "unrealistisch". Ver.di ist entzückt.
       
 (IMG) Bild: Die Lidl-Belegschaft wirft schon seit einiger Zeit vor Freude Tüten in die Luft: Ihr Unternehmen bezahlt sie nämlich über Tarif.
       
       BERLIN taz |Lidl sorgt mal wieder für Überraschungen. Der
       Lebensmitteldiscounter hat sich am Dienstag für einen deutschlandweiten
       gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro ausgesprochen. In der jüngeren
       Vergangenheit machte Lidl vor allem durch die Bespitzelung seiner
       Mitarbeiter und verhinderte Betriebsratsgründungen auf sich aufmerksam.
       
       Nun heißt es: "Lidl unterstützt jede politische Initiative, die die
       Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns für den Lebensmitteleinzelhandel
       und jede andere Branche zum Ziel hat. Nur mit einem verbindlichen
       Mindestlohn lässt sich der in verschiedenen Branchen zu beobachtende
       Missbrauch von Lohndumping wirksam unterbinden." Das teilte das Unternehmen
       der Öffentlichkeit in einer Erklärung mit, die auch an alle
       Bundestagsfraktionen verschickt wurde.
       
       Der Branchenriese, der in Deutschland rund 50.000 Mitarbeiter beschäftigt
       und nach Umsätzen 2009 das zweitgrößte Einzelhandelsunternehmen war, geht
       damit über seine eigene Forderung vom Januar deutlich hinaus. Damals hatte
       Lidl Mindestlöhne nur für den Einzelhandel gefordert, sich aber nicht auf
       eine untere Grenze festgelegt. Beim Einzelhandelsverband HDE stößt der
       neuerliche Vorstoß auf Ablehnung. "Einen Mindestlohn in Höhe von zehn Euro
       schließe ich aus. Das ist unrealistisch", sagte HDE-Geschäftsführer
       Heribert Jöris.
       
       "Zehn Euro sind ein bedeutender Vorschlag, der der Volkswirtschaft
       weiterhelfen kann", sagt hingegen Ulrich Dalibor, Einzelhandelsexperte bei
       der Gewerkschaft Ver.di. Dalibor verwies darauf, dass durch stagnierende
       Reallöhne der Kampf um die Kunden "heißer" werde und Gewinnspannen
       schmölzen. Ein 10-Euro-Mindestlohn könne die Einkommen stärken und damit
       auch die Binnennachfrage.
       
       Lidls Motivation, das geht aus der Erklärung hervor, rührt auch aus der
       Sorge um das Image des Einzelhandels. Die Branche werde mit "pauschal
       formulierten Vorwürfen" beispielsweise über die Zahlung niedrigster Löhne
       konfrontiert, entrüstet sich Lidl. Zum Einzelhandel gehören neben den
       Discountern auch Supermärkte wie Edeka und große
       Selbstbedienungswarenhäuser wie Real. Sie beschäftigen rund 2,7 Millionen
       Menschen, knapp eine Million von ihnen als 400-Euro-Kräfte.
       
       Eine Rolle für Lidls Vorstoß dürfte auch der harte Konkurrenzkampf im
       Einzelhandel spielen. Vorteile gegenüber der Konkurrenz werden zu einem
       großen Teil über die Lohnpolitik, sprich durch Niedriglöhne, umgesetzt.
       Lidl selbst teilte am Dienstag mit, seit März alle Mitarbeiter, auch die
       geringfügig Beschäftigten, mit mindestens zehn Euro pro Stunde zu
       entlohnen. Fast die Hälfte der Mitarbeiter verdiene mehr als 13 Euro pro
       Stunde. Auch Leiharbeiter sollen ab 1. März 2011 zehn Euro Stundenlohn
       erhalten, teilte Lidl-Sprecher Stephan Krückel der taz mit. Das Unternehmen
       setze Leiharbeit allerdings nur im "niedrigen einstelligen Prozentbereich"
       ein.
       
       Der HDE und Ver.di verhandeln seit einiger Zeit über branchenweite
       Mindestlöhne, die laut Jöris vom HDE zwischen 7 und 8,80 Euro liegen
       könnten. Damit sich auch alle Unternehmen an einen Mindestlohn halten,
       müsste dieser jedoch von der Politik für allgemeinverbindlich erklärt
       werden. Dafür wiederum muss die Branche mindestens eine 50-prozentige
       Tarifbindung vorweisen. Das prüft der HDE zurzeit. Ein weiteres Problem:
       Gilt ein Mindestlohn, könnten Unternehmen, die derzeit per Tarifvertrag
       mehr zahlen, versucht sein, künftig nur noch den Mindestlohn zu bezahlen.
       
       21 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eva Völpel
       
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