# taz.de -- Studie zu Migration und Demokratiewissen: "Unterschiede statistisch unbedeutend"
       
       > Grundschulkinder mit Migrationshintergrund wissen wenig über Demokratie –
       > sie füllen ihre Wissenslücken aber auf. Internet und Fernsehen könnten
       > dabei eine wichtige Rolle spielen.
       
 (IMG) Bild: Schulkinder in München. "Alle können noch viel über Demokratie lernen", sagt Bildungsforscher Reinders.
       
       BERLIN taz | GrundschülerInnen aus Einwandererfamilien wissen deutlich
       weniger über Politik und Demokratie als ihre deutschen KlassenkameradInnen.
       Das hat vor wenigen Monaten eine Studie unter Leitung des Würzburger
       Bildungsforschers Heinz Reinders gezeigt.
       
       Umso überraschter waren die Forscher jetzt über die Ergebnisse ihrer
       Folgeuntersuchung: Am Beginn der Jugendphase ist dieser Unterschied
       verschwunden. Sechstklässler aus Einwandererfamilien wissen genauso viel
       über Wahlen, Gewaltenteilung und Meinungsfreiheit wie ihre Altersgenossen
       aus deutschstämmigen Elternhäusern. "Das hatten wir nicht erwartet", sagt
       Reinders, der Professor für Bildungsforschung an der Uni Würzburg ist. "Und
       wir müssen offen zugeben: Eine schlüssige Erklärung haben wir dafür noch
       nicht."
       
       Die Wissenschaftler haben für ihre Untersuchung 1.500 SechstklässlerInnen
       an Haupt-, Real- und Gesamtschulen sowie Gymnasien in Bayern und Hamburg
       befragt. Knapp 60 Prozent der befragten Jugendlichen haben einen
       Migrationshintergrund. Die SchülerInnen mussten Fragen etwa danach
       beantworten, wie oft der Bundestag gewählt wird und ob in Deutschland jeder
       seine Meinung sagen und seine Religion frei wählen darf. Für die Antworten
       gab es Punkte auf einer Skala von 0 (kein Wissen) bis 10 (hohes Wissen).
       
       Die Jugendlichen aus Einwandererfamilien erreichten einen Durchschnittwert
       von 6,2 Punkten, die türkischstämmigen Jugendlichen, die die größte Gruppe
       unter den befragten MigrantInnen bilden, liegen leicht darunter. Die
       deutschen Jugendlichen schneiden im Schnitt mit 6,3 Punkten ab. "Im
       statistischen Sinn sind diese Unterschiede unbedeutend", sagt
       Bildungsforscher Reinders. "Klar ist aber auch: Alle können noch viel über
       Demokratie lernen."
       
       Wie es kommt, dass die Migrantenkinder ihre Wissenslücken innerhalb weniger
       Jahre auffüllen, kann Reinders noch nicht erklären. "Bislang spekulieren
       wir nur darüber, welche Rolle zum Beispiel der Unterricht, Medienkonsum
       oder die Familie spielen." Bei den Medien haben die Forscher festgestellt,
       dass Jugendliche mit Migrationshintergrund sich über Politik häufiger als
       ihre deutschen Altersgenossen im deutschsprachigen Fernsehen oder im
       Internet informieren, deutsche Jugendliche lesen vergleichsweise häufiger
       Tageszeitungen.
       
       Vielen Jugendlichen sind wichtige PolitikerInnen unbekannt. Zwar erkennen
       93,2 Prozent der deutschen Jugendlichen und 82,2 Prozent der
       Migrantenjugendlichen Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einem Foto, bei den
       jeweiligen Ministerpräsidenten oder dem Bundespräsidenten sehen die Werte
       aber deutlich schlechter aus. Hamburgs ehemaligen Regierungschef Ole von
       Beust erkannten gerade mal 10 Prozent der deutschen Jugendlichen und 7
       Prozent der Migrantenkids. Das Wissen über Politikernamen und Parteien sei
       bei Migrantenjugendlichen zwar geringer, wie aber Demokratie funktioniere,
       wüssten alle Jugendliche unabhängig von ihrer Herkunft in gleichem Maße.
       "Bedenkt man die Diskussion der letzten Zeit", sagt Reinders, "dann stimmt
       ein solches Ergebnis doch optimistisch."
       
       30 Dec 2010
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sabine am Orde
       
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