# taz.de -- Kommentar Aussetzung der Wehrpflicht: Das geräuschlose Ende der Wehrpflicht
> Die Abschaffung der Wehrpflicht zeigt, wie die Konsensdemokratie tickt:
> Den Sozialstaat kann nur die SPD schleifen - die Wehrpflicht nur ein
> Konservativer entsorgen.
Die Wehrpflicht war in der Bundesrepublik immer mehr als ein Mittel, die
Kasernen zu füllen. Sie sollte symbolisieren, dass die Bundeswehr etwas
völlig anderes war als die Reichswehr. Kein Staat im Staat, sondern eine
Bürgerarmee. Jahrzehntelang haben Union und auch die SPD die Wehrpflicht zu
einem unentbehrlichen Stützpfeiler der Demokratie überhöht. Sie gehörte zur
Republik wie die D-Mark. Jetzt wird sie abgeschafft - und niemand stört es.
Das hat Gründe. Hätte eine Mitte-links-Regierung das gewagt, wären die
üblichen Verdächtigen in Union und Springer Verlag sofort auf die
Barrikaden gegangen. Die Abschaffung der Wehrpflicht zeigt insofern, wie
die Konsensdemokratie tickt: Den Sozialstaat kann nur die SPD schleifen -
die Wehrpflicht nur ein schneidiger Jungkonservativer wie zu Guttenberg
entsorgen.
Dass diese Reform so geräuscharm über die Bühne geht, hat auch mit der
typisch bundesrepublikanischen skeptischen Indifferenz gegenüber allem
Militärischen zu tun. Man möchte damit am liebsten einfach nichts zu tun
haben. Das ist eine schräge Art historischen Lernens, ein fernes Echo der
Verheerung des Zweiten Weltkriegs. Zudem wissen alle, dass die Wehrpflicht
schon lange nur noch eine Fassade war.
Im Jahr 2010 wurden nur noch knapp 60.000 Rekruten gezogen - fast ein
Viertel im Vergleich zu zwanzig Jahren zuvor. Die Bundeswehr, die de facto
längst eine Berufsarmee ist, braucht schlicht keine Wehrpflichtigen mehr.
Wenn man die bundesrepublikanische Mythologie also mal beiseite lässt, ist
diese Reform nichts als eine späte Anpassung an europäische Normalität. In
der Ära der Hightechwaffen ist die Massenarmee aus Wehrpflichtigen ein
Relikt aus dem 19. Jahrhundert.
Und jetzt? Die Wehrpflicht hat als Begründung für die Bundeswehr
ausgedient. Die Frage, die sich aufdrängen wird, lautet: Wofür braucht man
in Zeiten leerer Kassen eine große, teure Armee? Zu Guttenberg hat diese
Reform als Wundertüte verkauft. Die Bundeswehr wird, so sein
widersprüchliches Versprechen, billiger und effektiver im Ausland
einsetzbar.
Das stimmt nicht. Die Bundeswehr wird, konzipiert als 185.000 Mann starke
Berufsarmee, erst mal teurer. Und der Rückzug aus dem gescheiterten
Afghanistan-Einsatz ist nur eine Frage der Zeit. Das ist ein Problem für
Guttenberg. Aber keine schlechte Aussicht für eine zivilere Außenpolitik.
3 Jan 2011
## AUTOREN
(DIR) Stefan Reinecke
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