# taz.de -- Kosten ungleich verteilt: Arme Länder sollen die Ostsee retten
       
       > In zehn Jahren soll es der Ostsee wieder gut gehen. Doch das kostet – und
       > die finanziellen Lasten sind ungleich verteilt. Arme Länder wie Polen
       > müssten draufzahlen.
       
 (IMG) Bild: Die Ostsee, fotografiert in Polen.
       
       STOCKHOLM taz | Das Unmögliche soll 2021 geschafft sein. Bis dahin soll die
       schwerkranke Ostsee wieder ein gesundes Meer sein. Das sieht jedenfalls ein
       Aktionsplan der Helcom vor, der zwischenstaatlichen "Helsinki-Kommission"
       der neun Anrainerstaaten und der EU für den Meeresschutz im Ostseeraum.
       
       Das ist ein ehrgeiziger Plan angesichts der Tatsache, dass die
       sauerstofffreien "Todeszonen" in keinem anderen Meer so ausgebreitet sind
       wie in der Ostsee. Sie umfassen mittlerweile ein Siebtel des Meeresbodens,
       Tendenz wachsend: Kein einziges Mal in den zehn Jahren, in denen
       entsprechende Messungen vorgenommen wurden, hatten schwedische
       ForscherInnen so niedrige Sauerstoffwerte im Ostseewasser gemessen wie im
       Herbst des vergangenen Jahres, meldete kürzlich eine Studie des
       Wetterforschungsinstituts SMHI.
       
       Verantwortlich hierfür sind primär in das Meer eingeschwemmte Düngemittel,
       die eine zu große Nährstoffsättigung des Ostseewassers verursachen. Dadurch
       wachsen übermäßig Algen, die bei ihrer Verrottung dem Wasser Sauerstoff
       entziehen. Der Helcom-Aktionsplan baut deshalb auch zu einem großen Teil
       auf Maßnahmen zur Vermeidung dieser Nährstoffzufuhr. Doch die sind mit
       einem Preisschild von Milliarden Euro nicht nur teuer. Die Belastungen für
       die einzelnen Anrainerstaaten sind auch sehr ungleich verteilt. Während
       reiche Anrainerländer wie Deutschland, Schweden und Finnland relativ billig
       wegkommen, liegt die Hauptlast auf Polen und dem Baltikum.
       
       "Gerecht" ist das, wenn man vom Verursacherprinzip ausgeht: Wer
       verunreinigt, soll auch zahlen. Doch legt dieses Prinzip gleichzeitig
       finanzielle Lasten auf die Schulter jeder Polin und jedes Litauers, die
       eine Verwirklichung des Aktionsplans - dieser ist nicht mehr als eine
       "Empfehlung" - unwahrscheinlich machen. Müsste rechnerisch zu der
       Helcom-Vision jeder Deutsche mit 12 und jeder Finne mit 4 Euro beitragen,
       wäre diese Zahl für Polen 94, für Lettland 52 und für Litauen sogar 106
       Euro. Diese drei Staaten sollen zusammen mit Estland und Russland 94
       Prozent der Kosten für eine Verminderung der Nährstoff- und
       Schadstoffzufuhr in die Ostsee aufbringen.
       
       So eine finanzielle Belastung sei nicht nur unrealistisch, sondern auch
       ungerecht, meint Markku Ollikainen, Professor für Umweltchemie an der
       Universität Helsinki. Wollten die Ostseeanrainer ihr Binnenmeer retten,
       müsste der Ausgangspunkt solidarischer sein: "Polen wird einen solchen Plan
       nicht erfüllen. Die Lasten müssen anders verteilt werden, wenn man zu einer
       bindenden Übereinkunft kommen will." Und Ollikainen gibt ein Beispiel: Wenn
       St. Petersburg eine neue Kläranlage baue, habe eigentlich nicht Russland
       den größten Nutzen, sondern aufgrund der vorherrschenden Meeresströmungen
       Finnland, das dann dieses Abwasser nicht mehr vor die Küste geschwemmt
       bekomme. Helcom habe sich von ökologischen Wunschvorstellungen leiten
       lassen, aber die politischen Realitäten übersehen.
       
       4 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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