# taz.de -- Dioxin-Skandal: Wie das Gift ins Ei kam
       
       > Jahrelang wurden Industriefette zur Futtermittelherstellung verwendet.
       > "Wir hatten niemals ein schlechtes Gewissen dabei", sagt ein Mitarbeiter
       > der Firma.
       
 (IMG) Bild: Ein Dioxin-Ei in der Pfanne ist noch nicht gleich gesundheitsschädlich.
       
       Im Skandal um dioxinbelastete Eier und verseuchtes Tierfutter schieben sich
       die beteiligten Firmen gegenseitig die Verantwortung zu. Noch immer ist
       unklar, wie viele der Eier verzehrt worden sind. Allerdings müssen
       Betroffene offenbar nicht um ihre Gesundheit fürchten.
       
       Neben Niedersachsen, wo bereits 1.000 Betriebe gesperrt wurden, weitet sich
       der Giftskandal aus. In Sachsen-Anhalt wurden 18 Höfe gesperrt und in
       Nordrhein-Westfalen 8.000 Legehennen getötet. In Bayern tauchten
       kontaminierte Eier in einem Großhandel auf. Von dort sollen dioxinbelastete
       Eier an weiterverarbeitende Betriebe geliefert worden sein.
       
       Hauptverursacher ist offenbar der Futtermittelhersteller Harles und
       Jentzsch. Die Staatsanwaltschaft Itzehoe ermittelt gegen die Firma im
       schleswig-holsteinischen Uetersen. Der Firma hatte Kunden und Behörden
       selbst über die Belastung informiert. Ein Mitarbeiter der Firma sagte der
       taz, die Kontrollen würden einmal im Quartal durchgeführt werden. "Wir
       hatten niemals ein schlechtes Gewissen dabei", sagte er und fuhr fort:
       "Regelmäßig wurden Analysen vorgenommen, niemals zuvor Belastungen
       gefunden."
       
       Ausgangspunkt war der Biodieselhersteller Petrotec in Nordrhein-Westfalen,
       der aus alten Fetten aus der Lebensmittelindustrie Biodiesel und
       industrielle Fettsäuren herstellt. Diese waren über den Zwischenhändler
       Olivet im niederländischen Poortugaal an Harles und Jentzsch geliefert
       worden. Die niederländische Lebensmittelkontrollbehörde teilte der taz mit,
       dort seien sämtliche Fettsäuren korrekt deklariert worden - nämlich nur zur
       industriellen Verwendung.
       
       Nach Angaben eines Mitarbeiters bei Olivet wurde Harles und Jentzsch
       jahrelang beliefert. Offenbar ist dort auf irgendeinem Weg industrielles
       Fett in der Futterproduktion verwendet worden. Wie und wo das Dioxin
       ursprünglich in die bei Petrotec erzeugten Fettsäuren kam, ist noch unklar.
       "Wir wissen das immer noch nicht. Aber das ist eine der wichtigsten Fragen,
       um künftige Fälle zu vermeiden", sagte der Sprecher des
       Landwirtschaftsministeriums in Hannover.
       
       Immerhin scheint ein einmaliger Verzehr eines belasteten Eis nicht
       schädlich zu sein. "Wenn man mal ein Ei erwischt, bei dem die
       Dioxinbelastung das Zwei- oder Dreifache des erlaubten Grenzwertes beträgt,
       gibt es keine gesundheitlichen Bedenken. Kritisch wird es, wenn
       Lebensmittel längerfristig wesentlich höher belastet sind als erlaubt.
       Wichtig ist deshalb zu erfahren, wie lange mit dem verseuchten Fett
       gearbeitet wurde", sagte Helmut Schafft, Fachgruppenleiter am
       Bundesinstitut für Risikobewertung der taz. Dioxine entstehen bei
       industriellen Prozessen, reichern sich das ganze Leben im Körper von
       Menschen an und befinden sich in geringsten Spuren in fast allen
       Lebensmitteln.
       
       Unterdessen fordern Politiker Konsequenzen aus dem Skandal.
       Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner schließt nach dem Dioxinfund in
       Eiern schärfere Kontrollen in der Lebensmittelproduktion nicht aus. Die
       Opposition in Niedersachsen hat die Landesregierung beschuldigt, nicht
       schnell genug reagiert zu haben. Anders als Nordrhein-Westfalen hat
       Niedersachsen nicht umgehend die landwirtschaftlichen Betriebe gesperrt,
       die mit kontaminiertem Futter beliefert worden waren.
       
       Die Grünen kritisieren nun die zögerliche Reaktion des
       Landwirtschaftsministeriums. "Die Landesregierung hat zumindest fahrlässig,
       wenn nicht verantwortungslos gehandelt und erhebliche Mängel beim
       vorbeugenden Verbraucherschutz im Lande gezeigt", kritisierte der
       stellvertretende Fraktionsvorsitzende Christian Meyer. "Das muss
       Konsequenzen und Veränderungen bei den Kontroll- und Meldestrukturen
       haben."
       
       Der Sprecher des Landwirtschaftsministeriums, Gert Hahne, wies diese
       Vorwürfe als "Unsinn" zurück. "Wir können erst handeln, wenn wir Ross und
       Reiter kennen", sagte er der taz. Das Ministerium habe umgehend reagiert.
       Es seien keine Eier aus den entsprechenden Betrieben auf den Markt gelangt.
       
       Auch der nordrhein-westfälische Landwirtschaftsminister hatte seine
       niedersächsischen Kollegen kritisiert. "Wir teilen die Einschätzung der
       niedersächsischen Landesregierung nicht, dass der Dioxinfall nur eine
       untergeordnete Bedeutung hat", sagte Minister Johannes Remmel (Grüne) in
       der vergangenen Woche. "Die niedersächsische Landesregierung muss sich die
       Frage gefallen lassen, ob sie das Ausmaß der Dioxinbelastungen nicht doch
       unterschätzt hat", kommentierte Andrea Schröder-Ehlers, agrarpolitische
       Sprecherin der SPD-Fraktion.
       
       4 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) I. Arzt
 (DIR) B. Laufer
 (DIR) K. Hillenbrand
       
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