# taz.de -- 112. US-Kongress feierlich eröffnet: Ab und an weint ein Kind
       
       > Der US-Kongress tanzt seit Mittwoch wieder nach dem Taktstock der
       > Konservativen. Und die kündigen eine klare Blockadepolitik gegen
       > Präsident Obama an.
       
 (IMG) Bild: Heulsuse der Nation: Der neue Kongressvorsitzende John Boehner ist gerührt, seine Vorgängerin Nancy Pelosi lässt das kalt.
       
       WASHINGTON taz | Da ringen sie beide vor der US-Flagge um Fassung. Sie,
       weil ihr der Abschied schwer fällt. Ihr Nachfolger sichtlich überwältigt
       von seinem Comeback.
       
       Vor vier Jahren musste Republikaner John Boehner der ersten Madame Speaker
       der US-Geschichte, Nancy Pelosi, in der großen Kammer des Kapitols das
       Zepter übergeben. Nun holt er es sich zurück. Mit gebrochener Stimme
       wünscht die spitznasige Frau in der Demokraten-blauen Kostümjacke dem 112.
       US-Kongress "viel Erfolg". Mit bittersüßem Lächeln gibt sie ihrem Rivalen
       noch einmal einen mit. Zählt die Erfolge der Demokraten auf. Piesackt
       Boehner mit einem Loblied auf die Gesundheitsreform. Der steht neben ihr
       wie eine Säule. Doch seine zappelnden Finger verraten, wie schwer ihm das
       fällt. Er befeuchtet seine Lippen, trocknet sich die Rührungstränen aus den
       Augenwinkeln.
       
       Als er dann endlich den Speaker-Hammer in der Hand hat, hat er auch die
       Fassung wieder. "Ich bin's doch nur", flachst der frischgekürte Held der
       Rechten. Und dann wird er pathetisch: "Die Wähler haben dafür gestimmt, die
       Politik des business as usual zu beenden. Heute beginnen wir damit, diese
       Anweisung auszuführen."
       
       Der Parlamentsaal tobt. 435 Abgeordnete und ihre Familien folgen gebannt
       der Einschwörung des neuen Chefs, der nun drittmächtigster Mann des Landes
       ist. Kinder drücken ihre Puppen an sich, ab und an weint eins. Stimmung wie
       bei einer Abiturfeier. 96 "Freshmen", brandneue Parlamentarier, sind dabei.
       87 von ihnen Republikaner. Ganz gemäß den neuen Mehrheitsverhältnissen, die
       dieses Parlament zu einer Herausforderung für Präsident Barack Obama
       machen.
       
       Der US-Kongress tanzt infolge der demokratischen Wahlniederlage seit
       Mittwoch nach dem Taktstock der Konservativen. Nach vier Jahren in der
       Minderheit, verfügen sie mit den ultrarechten Tea-Party-Leuten über eine
       Mehrheit von 242 zu 193 Stimmen. Harte Zeiten für Obama, der nun auch
       seinen Sprecher los ist: Am Mittwoch kündigte Robert Gibbs an, dass er im
       Februar den Hut nimmt. Auch Obamas Topberater David Axelrod wird das Weiße
       Haus verlassen, um den Wahlkampf 2012 vorzubereiten.
       
       Gleich zum Auftakt machten die Republikaner klar, dass sie nicht spaßen:
       Künftig muss jeder Gesetzesentwurf, der Mehrausgaben vorsieht, erklären,
       wie das zu bezahlen ist. Steuererhöhungen zur Deckung sind tabu. Jedes neue
       Gesetz soll fortan auf einen Verfassungsartikel gemünzt werden. Mit einer
       Lesung des gesamten Werks wollten die neuen Hausherren zeigen, wie
       verfassungsnah sie sind – und wie fern ihnen die Ziele von Präsident Obama.
       Ihren Vorsitz in den Parlamentsausschüssen werden die Republikaner nutzen,
       um diese zu torpedieren.
       
       Bereits nächste Woche wollen sie darüber abstimmen, ob sie Berufung gegen
       die Gesundheitsreform einlegen. Allerdings ist dies eher symbolisch. Denn
       sie verfügen zwar über eine komfortable Mehrheit im Parlament, aber im
       Senat halten die Demokraten eine knappe Mehrheit von 53 zu 47 Stimmen.
       Jedes Gesetz braucht in den USA die Zustimmung beider Kammern.
       
       An der Speerspitze der Reformgegner sitzt etwa Fred Upton. Der konservative
       Politiker, der nun dem Ausschuss für Energie und Handel vorsitzt hat auf
       dem rechten TV-Sender Fox News angekündigt, dass er auch gegen die
       Abgasgrenzen für Betriebe vorgehen will, die die Umweltbehörde EPA ab
       diesem Jahr vorgibt. Rückenwind bekommt Upton vom neuen Chef des
       Unterkomitees für Umwelt und Wirtschaft, John Shimkus. Der Politiker aus
       Illinois glaubt nicht an die globale Erwärmung, dafür stark an Gott. Der
       werde es nicht zulassen, dass die Erde zerstört werde, erklärte Shimkus
       mithilfe zweier Bibelverse jüngst in einer Kongressanhörung. Shimkus will
       daher das Kongress-Panel zur globalen Erwärmung auflösen und dafür lieber
       die Klimaforscher kritisch unter die Lupe nehmen.
       
       Für eine Überwachung der Muslime plädiert dagegen der neue Vorsitzende des
       Komitees für Heimatschutz, Peter King. Bei Fox News kündigte er die
       Untersuchung der "Radikalisierung" unter ihnen an. Der zukünftige
       Vorsitzende des Kontrollausschusses, Darrell Issa, will gleich eine ganze
       Reihe von Ermittlungsverfahren einleiten. Er beschimpfte gar die
       Obama-Regierung als korrupt. "Obamas Regierungsapparat hat 700 Milliarden
       Dollar aus dem Konjunkturpaket zur Verfügung gestellt und sie Unterstützern
       als Dank gegeben", zeterte er.
       
       6 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Antje Passenheim
       
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