# taz.de -- Analyse des E-Perso und der AusweisApp: Sicherheitsprobleme mit zwei Ohren
       
       > Nachdem sie gehackt wurde, ist die AusweisApp für den neuen
       > Personalausweis nun wieder online - wenn auch nicht für jeden. Eine
       > Analyse der Stärken und Schwächen.
       
 (IMG) Bild: Maschinen sind fehleranfällig, Menschen noch viel mehr: Der neue Perso und ein Lesegerät.
       
       Der deutsche Personalausweis und die deutsche Autobahn haben vieles
       gemeinsam: Beide wurden von den Nationalsozialisten zwar nicht erfunden,
       aber gesellschaftlich hoffähig gemacht, beide gehören zur deutschen
       Leitkultur und beide gelten als so selbstverständlich, dass jemand, der sie
       abschaffen wollte, so scheel angesehen würde wie jemand, der den Deutschen
       das Biertrinken verbieten wollte.
       
       Ab dem 1. November 2010 gibt es einen neuen Personalausweis (nPA). Mit dem
       Domument in Größe einer Scheckkarte soll man sicher im Internet einkaufen
       können, bei Ämtern und Behörden elektronisch signieren und, so die
       offizielle Werbung, ein „sicheres Reisedokument“ besitzen. Auch als
       Altersnachweis kann er dienen.
       
       Soweit die Theorie. „Der neue Personalausweis ist sicher“ hätte auch ein
       Satz von Muhammad as-Sahhaf sein können, der im Irakkrieg als „Comical Ali“
       berühmt wurde: Schon ein paar Tage nach der Einführung zog das Bundesamt
       für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) die Software wieder zurück,
       die man benötigte, um die Online-Ausweisfunktion nutzen zu können.
       
       Die sogenannte [1][AusweisApp] war nicht ausreichend geprüft worden, ob sie
       Sender und Empfänger der Daten beim automatischen Aktualisieren hinreichend
       legitimieren konnte. Ein Update wurde zwar zeitnah bereitgestellt; Nutzer
       der Betriebsstems Linux oder Mac-Benutzer gehen aber zur Zeit leer aus,
       auch darf man nicht den Browser seiner Wahl benutzen. Das wäre so, als
       würde man eine neue Autobahn nur für Besitzer spezieller Automarken
       erlauben. Der IT-Sicherheitsxperte [2][Jan Schejbal] hatte den schwer
       wiegenden Fehler schon nach einer Nacht gefunden.
       
       Die Idee hinter dem neuen Personalausweis ist nicht verkehrt, aber rührend
       naiv und daher potenziell gefährlich. Vorteile: Wenn Daten maschinenlesbar
       sind, wird es meistens einfacher, sie zu verwalten. E-Government soll im
       Internet-Zeitalter die Kommunikation zwischen Behörden und Bürgern
       vereinfachen. Dazu muss es Regeln geben und ein System, das beide Seiten
       elektronisch authentifiziert. Bürger bekommen eine Art Seriennummer - wie
       auch bei der Steuernummer. Der in den Personalausweis eingebaute Chip
       sendet die Daten mitteles elektromagnetischer Wellen zum Lesegerät oder
       sendet via behördlich genehmigter Software via Internet.
       
       Die Nachteile: Das größte Computerproblem hat immer zwei Ohren und sitzt
       vor einem Monitor. Wer glaubt, mit technischen Lösungen, die gleichzeitig
       „idiotensicher“ sein sollen, alles online sicher machen zu können, hat
       nichts begriffen. Zudem gibt es elektronische Signaturen schon seit 20
       Jahren; [3][das Bundesverfassungsgericht] und sogar [4][der Bundestag]
       empfehlen auf ihren Websites die geläufigen Systeme zur Zertifizierung.
       
       Man wollte also ein anderes Rad erfinden - und ist, was zu erwarten war,
       schon gleich zu Beginn auf hohem Niveau gescheitert. Eine der
       Entschuldigungen, warum die Löcher größer waren als der Käse, kam vom BSI
       und ist comedy-reif: Da es nicht genügend Ausweise gegeben habe, habe man
       „den Umgang mit der AusweisApp“ nicht „realitätsnah“ testen können. Man
       stelle sich vor, eine Pharma-Firma würde so argumentieren - die Methode
       „Versuch und Irrtum“ beim eletronischen Personalausweis scheint aber die
       Regel zu sein.
       
       Die größte Schwachstelle ist nicht die Technik des Ausweises, sondern die
       Methode, mit der die Daten gesendet werden oder die PIN, die in ein
       Kartenlesegerät eingeben wird. Das Szenario, dass ein privater Rechner von
       einem bösen „Hacker“ gezielt übernommen werden kann - etwa mit Hilfe eines
       installierten Keyloggers, der die Tastaturanschläge belauscht -, ist extrem
       unwahrscheinlich. Es gibt andere, einfachere Möglichkeiten.
       
       Wie schon bei der Kriminalität rund um Geldautomaten, dem so genanten
       [5][Skimming], könnten zum Beispiel Lesegeräte auf hohem technischen Niveau
       manipuliert werden. Wo eine Nachfrage ist, gibt es auch bald ein Angebot.
       Das Sicherheitskonzept des ePA beschränkt sich zudem nur auf die
       Kommunikation, nicht jedoch auf den Inhalt. Das System fällt also hinter
       das Niveau zurück, das beim Online-Banking die Regel sein sollte.
       
       Das elektronscihe Zertifikat der Nutzer ist zwar nur sehr schwer zu
       fälschen. Wer aber Zugriff auf bestimmte Rechner im Internet bekommt und
       eine „Adresse“ fälschen oder dem Nutzer eine andere vorgaukeln kann als die
       Gewünschte etwa mittels der Manipulation eines so genanten
       Domain-Name-Servers -, der kann Nutzerdaten nicht nur abgreifen, sondern
       sich als jemand anderes ausgeben. Diese Art von Datenspionage hat sogar
       einen Namen - das [6][Dolev-Yao-Modell.]
       
       Wie „sicher“ und ausgereift der ePA ist, zeigen die treuherzigen Ratschläge
       des Bundesinnenministeriums, „regelmäßig das Betriebssystem zu
       aktualisieren und eine aktuelle Firewall sowie ein aktuelles
       Antivirenprogramm zu verwenden.“ Wer einen Regenzauber empfiehlt, solte
       sich nicht wundern, dass in mindestens der Häfte aller Fälle der erwünschte
       Regen ausbleibt. „Es ist davon auszugehen, dass Nutzer oft über nur sehr
       geringes Wissen in Bezug auf die Gefahren des Internet und die
       Möglichkeiten zur Abwehr von Schäden verfügen“, heißt es [7][in einer
       aktuellen Studie] des BSI und des BMI.
       
       Der ePA ist zehn Jahre gültig. Ein Jahrzehnt bedeutet aber für Software
       mindestens drei Generationen. Das BSI lädt auf seiner Website dazu ein,
       „die AusweisApp zu nutzen und die Software zudem mit uns gemeinsam
       weiterzuentwickeln.“ Gewiefte Kriminalle werden diesen Rat dankbar
       aufgreifen. Wer den nPA aber gar nicht haben will, der kann nach Österreich
       oder England auswandern. So etws wie einen Personalausweis kennt man dort
       nicht, obwohl es auch dort Autobahnen gibt.
       
       6 Jan 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.ausweisapp.bund.de/pweb/filedownload/download_pre.do#
 (DIR) [2] http://janschejbal.wordpress.com/2010/11/09/ausweisapp-gehackt-malware-uber-autoupdate/
 (DIR) [3] http://www.bundesverfassungsgericht.de/zertifizierung.html
 (DIR) [4] http://www.bundestag.de/bundestag/abgeordnete17/emailzertifikat/index.html
 (DIR) [5] http://www.bka.de/pressemitteilungen/2010/pm100716.html
 (DIR) [6] http://de.wikipedia.org/wiki/Dolev-Yao-Modell
 (DIR) [7] http://www.bsi.bund.de/cae/servlet/contentblob/1086544/publicationFile/90903/Studie_Identitaetsdiebstahl_090610.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Burkhard Schröder
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Bundestag
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