# taz.de -- die wahrheit: Schweizer Herrenreiter
       
       > Politisch mutieren die Schweizer nach den Abstimmungen über das Bauverbot
       > für Minarette und die automatische Abschiebung von straffällig gewordenen
       > Ausländern...
       
 (IMG) Bild: Schafe gegen Grundrechte, so einfach macht es sich so mancher in der Schweiz
       
       ... langsam zu den Nordkoreanern Europas. Doch was Folklore betrifft,
       behaupten sie einen Spitzenplatz. So wurden zum Beispiel 1972 sagenhafte
       432.430 Unterschriften gesammelt, mit denen die Abschaffung der Kavallerie
       verhindert werden sollte. Im Dezember 1972 beschloss das Parlament trotzdem
       die Abschaffung der Reitertruppe.
       
       Der damalige deutsche Bundespräsident Gustav Heinemann besuchte im Vorfeld
       der Abstimmung die Schweiz und hörte auch eine Debatte im Nationalrat.
       Danach fragte er, warum im Parlament alle Redner Französisch sprächen. Das
       war mitnichten der Fall, aber die in Sachen Kavallerie engagierten
       Aushilfs-Dschingis-Khans aus der Deutschschweiz sprachen ein Hochdeutsch,
       das der urbane Heinemann nicht als Variante seiner Muttersprache erkannte.
       
       38 Jahre nach der Abschaffung der Kavallerie beschäftigte sich das
       Parlament nun wieder mit Pferden. Seit 1899 unterhält die Schweiz eine
       staatliche Pferdezuchtanstalt. Die Regierung wollte die Anstalt mit 65
       Mitarbeitern und 60 Hengsten schließen. Die Zuchthengste werden zweimal
       jährlich auf Deckreise zu den einheimischen Stuten geschickt. Eine Mehrheit
       der zweiten Kammer ("Ständerat") war der Meinung, das "einzigartige
       Kulturgut" Schweizer Zuchthengst müsse gesetzlich geschützt werden. Mit
       29:4 Stimmen bewilligten die Ständeräte jetzt eine jährliche Subvention von
       fünf Millionen Franken für die Zuchtanstalt oder 83.333,33 Franken pro
       Hengst.
       
       Der Wortführer der Hengst-Rettungsfraktion begab sich ins Grundsätzliche:
       Wenn die sechzig Hengste "der Schweiz diese fünf Millionen Franken pro Jahr
       nicht mehr wert sind, frage ich mich wirklich, wie weit wir es gebracht
       haben". Wohl bis ans Ende der Zeiten steht nun im eidgenössischen
       Landwirtschaftsgesetz der Satz: "Der Bund betreibt ein nationales Gestüt" -
       warum und wozu wurde nicht geklärt.
       
       Im 16. Jahrhundert hielt sich Kaiser Ferdinand I. an die
       fundamentalistische Devise "Fiat iustitia, et pereat mundus" (Es herrsche
       Gerechtigkeit, auch wenn die Welt darüber unterginge). Ins
       Schweizerdeutsche übersetzt heißt das: "Der staatlich subventionierte
       Deckhengst möge arbeiten, auch wenn die Schweiz darüber unterginge."
       
       Der Nachwuchs von eidgenössisch diplomierten Zuchthengsten heißt im
       Schweizerdeutschen, unabhängig vom Geschlecht, "Eidgenoss". Nach der
       militärischen Grundausbildung kauften die Dragoner ihr Pferd - "den
       Eidgenoss" - der Armee zu einem Vorzugspreis ab und rückten damit jährlich
       zu den Wehrübungen ein. Es gab also das ordinäre Pferd und den "Eidgenoss",
       das zum Symbol veredelte Tier. Schwermütige Patrioten sehen bis heute einen
       Zusammenhang zwischen der Verabschiedung des "Eidgenoss" aus der Armee 1972
       und der Gewährung des Stimmrechts für Frauen durch die Männer im selben
       Jahr. "Hengst oder Nichthengst" lautet die helvetische Schicksalsfrage.
       
       7 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Walther
       
       ## TAGS
       
 (DIR) SVP
       
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