# taz.de -- Polizeiagent in britischer Umweltbewegung: Der Spion, der bereut
       
       > Jahrelang spionierte Mark Kennedy die britische Umweltszene aus,
       > entwickelte sich immer mehr zum Agent Provocateur. Dann flog er auf. Auch
       > in Deutschland soll er aktiv gewesen sein.
       
 (IMG) Bild: Polizeikette vor dem Kraftwerk von Ratcliffe-on-Soar während der Klimaproteste vom Oktober 2009. Doch die Beamten waren nicht nur in Uniform dort präsent.
       
       Er sieht aus, wie sich die Polizei einen Öko-Aktivisten offenbar vorstellt:
       Bart, lange Haare, Tätowierungen, Ohrringe. So war Mark Kennedy vom
       Geheimdienst der britischen Polizei verkleidet worden, bevor sie ihn vor
       mehr als sieben Jahren auf geheime Mission schickte. Er tauchte 2003 auf
       einem Bauernhof in der englischen Grafschaft Yorkshire auf, wo die
       Umweltorganisation "Earth First" ihre Aktionen plante. Er nannte sich Mark
       Stone, und das stand auch in seinem Pass und in seinem Führerschein.
       
       Da der damals 33-jährige einen Kleintransporter besaß und über jede Menge
       Geld verfügte, mit dem er Flugblätter und Informationsbroschüren
       finanzierte, aber auch Geldstrafen für andere Aktivisten bezahlte, war er
       schnell in die Bewegung integriert. Und er schien hochmotiviert: Keine
       Umweltdemonstration in Großbritannien fand fortan ohne ihn statt, er war
       bei der Organisation der Proteste gegen den G8-Gipfel im schottischen
       Gleneagles dabei, er kletterte auf Bäume in London und hängte
       Protestplakate gegen BP auf.
       
       Er kettete sich an einen Zaun des Atomkraftwerks Hartlepool, besetzte einen
       Kran am Didcot-Kraftwerk in Oxfordshire, kaperte mit 29 anderen einen
       Kohlezug, der sich auf dem Weg zum Drax-Kraftwerk in Yorkshire befand, und
       organisierte den Transport für das Klimacamp in Heathrow.
       
       Er infiltrierte Dutzende andere Organisationen, von anarchistischen Gruppen
       über Anti-Rassismus-Organisationen bis hin zu militanten Tierschützern. Er
       bereiste 22 Länder, darunter Deutschland, Italien, Spanien und Island, um
       dort Umweltschutzaktivitäten auszuspionieren. Andrej Hunko, Abgeordneter
       der Linken, hat im Bundestag eine kleine Anfrage wegen Kennedys Aktivitäten
       in Deutschland gestellt, jedoch keine Antworten auf seine Fragen erhalten.
       
       Kennedy war 1994 in London in den Polizeidienst eingetreten. Als neun Jahre
       später die "National Public Order Intelligence Unit" gegründet wurde,
       [1][ein Geheimdienst, der "einheimische Extremisten" im Visier hat], war er
       eins der ersten Mitglieder. Er beschränkte sich aber keineswegs darauf, im
       Hintergrund Informationen zu sammeln und sie an seine Vorgesetzten
       weiterzugeben, sondern entwickelte sich immer mehr zum Agent provocateur
       und plante ständig neue Aktionen.
       
       So flog er schließlich auch auf. Er war die treibende Kraft hinter der
       geplanten Besetzung des von E.ON betriebenen Kohlekraftwerks in
       Ratcliffe-on-Soar in den East Midlands. Kennedy hatte ausgekundschaftet,
       wie man am besten ins Kraftwerk gelangte. Die Vorbereitungstreffen hatten
       in seinem Haus stattgefunden, er hatte einen Lastwagen für 778 Pfund
       gemietet, um das notwendige Material zu transportieren.
       
       Vor der Besetzung versteckten sich 114 Aktivisten in einer Schule in der
       Nähe des Kraftwerks. Einige wollten die Aktion wegen der erhöhten
       Polizeipräsenz in der Gegend in letzter Sekunde abblasen und sandten
       Kennedy aus, um die Lage zu erkunden. Er kehrte mit der Information zurück,
       dass weit und breit keine Polizisten zu sehen seien. Minuten später wurde
       die Schule von der Polizei gestürmt.
       
       113 der Verhafteten nahmen denselben Anwalt, nur Kennedy beauftragte einen
       anderen Anwalt, woraufhin die Klage gegen ihn sofort fallen gelassen wurde.
       Das erregte natürlich Misstrauen, und als seine Mitstreiter nachforschten,
       fanden sie seinen echten Pass sowie Papiere, die ihn als Polizisten
       auswiesen. Als man ihn zur Rede stellte, brach Kennedy weinend zusammen,
       gestand alles, entschuldigte sich und nannte den Namen einer Kollegin, die
       ebenfalls als Polizeispitzel arbeitete. Außerdem bot er an, als Zeuge für
       die Angeklagten auszusagen.
       
       Von den 113 Menschen, die in der Schule bei Ratcliffe-on-Soar festgenommen
       worden waren, wurden 26 angeklagt. Da 20 von ihnen geständig waren, wurden
       sie vorige Woche zu milden Strafen verurteilt. Das Verfahren gegen die
       übrigen sechs wurde am Montag sang- und klanglos eingestellt, nachdem sie
       von der Staatsanwaltschaft verlangt hatten, Informationen über Kennedys
       Rolle preiszugeben.
       
       Kennedy lebt inzwischen im Ausland. Er hat den Polizeidienst quittiert und
       soll zu der Überzeugung gelangt sein, dass Aktionen gegen den Klimawandel
       gerechtfertigt seien. Craig Logan, einer seiner früheren Freunde, sagt:
       "Dieser Mann war ein außergewöhnlicher Lügner. Nichts von dem, was er sagt,
       kann man ihm glauben."
       
       11 Jan 2011
       
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