# taz.de -- Jugendproteste in Tunesien: Zwitschern gegen Zinochet
       
       > Die tunesische Opposition informiert und vernetzt sich dank Twitter,
       > Blogs und Videoportalen. Das Regime kommt dagegen nicht an. Vier Blogger
       > wurden verhaftet.
       
 (IMG) Bild: Protestportal: Die Internetseite nawaat.org.
       
       MADRID taz | Die Jugendrevolte läuft in Echtzeit auf Twitter. Die Presse
       wird zu den Unruheherden nicht durchgelassen und wer wissen will, was in
       Tunesien geschieht, ist auf das Internet angewiesen. Der wichtigste
       Twitter-Berichterstatter – zumindest auf französisch – nennt sich
       [1][tunisielibre]. Sein Avatar ist eine Fahne des Landes, die völlig
       blutverschmiert ist.
       
       Lange bevor die internationalen Presseagenturen von toten Demonstranten aus
       den Städten im Zentrum Tunesiens berichteten, brachte tunisielibre erste
       Zahlen. "Massaker" lautete der Tweet. Später sollten sich die traurigen
       Nachrichten nach und nach exakt so bestätigen. Wer hinter dem Twitterkonto
       steckt weiß keiner. Nur, das die Person nicht im Lande ist, soweit lassen
       die Tweets durchblicken.
       
       Auch [2][//twitter.com/#!/nawaat:nawaat] twittert ununterbrochen. Die
       [3][Webseite der tunesischen Opposition] hat sich auf Videos von überall im
       Lande spezialisiert. Egal wo es zu Demonstrationen gegen "Zinochet" kommt,
       wie die Jugendlichen den seit 23 Jahren regierenden Präsidenten Zine El
       Abidine Ben Ali nennen, nutzen Online-Reporter ihre Handys zum filmen und
       stellen die Schnipsel dann online. Schüsse sind zu hören, Steinewerfer zu
       sehen. Und es gibt Szenen, die überraschen. So stellte sich in Sidi Bouzid
       die Armee zwischen die Demonstranten und die Polizei.
       
       Die Videos werden auf allen möglichen Plattformen veröffentlicht. Seit
       Youtube begonnen hat, das Geschehen zu zensieren, wird Vimeo immer mehr
       genutzt. Videos aus Krankenhäusern auf denen zu sehen ist, wie Jugendliche
       mit schweren Schussverletzungen eingeliefert werden, waren für Youtube zu
       brutal.
       
       Trotz allem haben die Tunesier ihren Sinn für Humor nicht verloren. Der
       Link zu den [4][Guignols] – den mit Puppen nachgespielten Nachrichten -
       beim französischen TV-Sender Canal+ machten am Dienstag Abend die Runde.
       "Ben Ali Baba im Fernsehen", hieß der Tweet. Der tunesische Präsident Zine
       El Abidine Ben Ali wurde dort als "Idol der Jugend" vorgestellt und
       erklärt, wie er 300.000 Jugendliche Arbeitslose von der Straße bringen. Er
       habe 300.000 Särge anfertigen lassen.
       
       Obwohl das Regime immer wieder Twitter-Accounts hackt und sperrt, ist die
       Flut nicht einzudämmen. Es sind Tausende von Einträgen, die sich
       querverlinken. Da werden Demotreffpunkte bekanntgegeben, Meinungen und
       Gerüchte ausgetauscht, Aufrufe zum Blutspenden in völlig überfüllten
       Krankenhäusern gepostet oder einfach nur die internationale Gemeinschaft um
       Hilfe gebten oder Hoffnung gemacht: "Der Countdown für die Nach-Ben Ali Ära
       läuft", hieß es am Dienstag Abend bei nawaat.
       
       Tunesiens Opposition nutzt seit Jahren das Netz. Das Internetradio
       [5][Kalima] hat überall Freiwillige, die Beiträge und Nachrichten liefern.
       Sie erscheinen dann auf arabisch und mit einiger Zeitverzögerung auch auf
       französisch und englisch. Zudem gibt es eine junge tunesische Bloggerszene.
       [6][Slim Amamou] und Azyz Amamy haben es dabei zu einem regelrechten
       Starstatus gebracht.
       
       Mindestens vier Blogger wurden in den letzten Tagen [7][verhaftet].
       Darunter auch Amamy und Amamou. "Ich erhöhe meine Gefahrenstufe auf orange.
       Die Flics suchen mich offenbar", [8][//twitter.com/#!/slim404:tweetete
       Amamou] am 6. Januar. Kurz darauf verschwand er. Die Anwendung
       [9][Foursquare], die Freunden via Handy den Aufenthaltsort übermittelt,
       verriet was geschehen war: Slim tauchte plötzlich auf dem Stadtplan von
       Tunis auf – im Innenministerium in der Avenue Habib Bourguiba im Zentrum
       der tunesischen Hauptstadt.
       
       12 Jan 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://twitter.com/#!/tunisiefree
 (DIR) [2] http://https
 (DIR) [3] http://nawaat.org/portail/
 (DIR) [4] http://www.canalplus.fr/c-divertissement/pid1784-c-les-guignols.html
 (DIR) [5] http://www.kalima-tunisie.info/
 (DIR) [6] http://nomemoryspace.wordpress.com/
 (DIR) [7] http://nawaat.org/portail/2011/01/06/tunisia-blogger-slim-amamou-arrested-today/
 (DIR) [8] http://https
 (DIR) [9] http://foursquare.com/user/723278
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
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