# taz.de -- Jugendrevolte im Maghreb: Der Aufstand geht weiter
       
       > Wie viele Menschen bisher getötet wurden, ist unklar. Klar ist: Es wird
       > geschossen. Die Revolte hält an. Tunesiens Präsident Zine El Abidine Ben
       > Ali spricht von "terroristischen Akten".
       
 (IMG) Bild: Jugendliche Protestierer an einer Straßenbarrikade im tunesischen Regueb.
       
       Tunesiens Präsident Zine El Abidine Ben Ali hat sein Schweigen gebrochen.
       Am Montagnachmittag hielt er eine Fernsehansprache an "euch alle in- und
       außerhalb des Landes". Er bezeichnete die Unruhen, die Tunesien seit dem
       18. Dezember erschüttern, als "terroristische Akte". Die Verantwortung für
       die "teilweise blutigen Zwischenfälle" lägen bei "Banden mit Kapuzen, die
       nachts öffentliche Gebäude angreifen". Bedauern über die Toten bei Polizei-
       und Armeeeinsätzen brachte der Präsident, der seit 23 Jahren autoritär
       regiert, nicht zum Ausdruck. Er verwies auf die Errungenschaften seiner
       Amtszeit und versprach, bis Ende kommenden Jahres 300.000 neue
       Arbeitsplätze zu schaffen. Außerdem ordnete er die Schließung aller
       Gymnasien und Universitäten an, um weitere Demonstrationen zu verhindern.
       
       Die Rede zeigte wenig Wirkung. Auch am Dienstag gingen vielerorts die
       Demonstrationen weiter. Alleine in der Hauptstadt Tunis soll es ein Dutzend
       Protestaktionen in verschiedenen Stadtteilen gegeben haben. In der Nacht
       zuvor war die Lage vor allem in den Städten Thala, Hafouz, Rgueb und
       Kasserine im Landesinneren eskaliert. Nach Angaben von Bloggern und
       Twitterkanälen, die fast minütlich über die Lage in den abgeriegelten
       Städten berichten, schossen Polizei und Armee erneut scharf.
       
       "In Kasserine herrscht das totale Chaos nach einer Nacht voller Gewalt, mit
       Heckenschützen, Überfällen und Plünderungen von Geschäften und Wohnungen
       durch Polizeikräfte in Zivil, die sofort verschwanden", berichtete ein
       örtlicher Gewerkschafter der französischen Nachrichtenagentur AFP. Alleine
       in Kasserine sollen dem Twitterkanal tunisielibre zufolge am Montag 49
       Demonstranten ums Leben gekommen sein. Über 80 seien schwer verletzt
       worden. Aus anderen Städten wird ebenfalls von Toten berichtet. Zudem soll
       sich in der Region Sidi Bouzid ein weiterer arbeitsloser junger Akademiker
       getötet haben.
       
       Selbst das Innenministerium gestand inzwischen vier neue Tote in Kasserine
       ein. Damit sind nach offiziellen Angaben 18 Demonstranten ihren
       Schussverletzungen erlegen. Menschenrechtsorganisationen sprechen von mehr
       als 50 Toten. Wer die Zahlen auf Twitter zusammenrechnet, kommt auf über
       100. Überprüfen kann dies niemand. Denn weder Presse noch
       Menschenrechtsorganisationen werden zu den Konfliktherden durchgelassen.
       
       Die Internationale Menschenrechtsvereinigung FIDH forderte die Europäische
       Union dazu auf, die Verhandlungen mit Tunesien über eine "Privilegierte
       Partnerschaft" einzustellen. "Die Europäer müssen endlich aufhören davon zu
       träumen, dass Tunesien ein demokratisches Land ist", sagte FIDH-Anwalt
       Martin Pradel in Paris.
       
       In Algerien scheint sich die Lage nach fünf Tagen und Nächten weitgehend
       beruhigt zu haben. Nachdem sie von den gewalttätigen Demonstrationen gegen
       die Erhöhung der Preise für Grundnahrungsmittel völlig überrascht wurde,
       beginnt in der algerischen Opposition eine Diskussion über die Bildung
       einer einheitlichen demokratischen Plattform.
       
       Auch in Marokko ist unterdessen die Angst vor Aufständen angekommen. Am
       Monat wurde eine in Rabat geplante Solidaritätskundgebung mit der
       tunesischen Jugend verboten.
       
       11 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
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