# taz.de -- Schulreform in Berlin: Gymnasien sind der letzte Schrei
       
       > Die Plätze für Siebtklässler werden dieses Jahr nicht reichen, befürchtet
       > die Lehrergewerkschaft. Ein Grund: die Schulreform.
       
 (IMG) Bild: Hier ist die Botschaft klar: Berliner Protest-Schüler im Herbst 2009.
       
       Die Anmeldungsfrist für die weiterführenden Schulen beginnt erst am 7.
       Februar - aber die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) prophezeit
       schon jetzt: Es wird einen bespiellosen Run auf die Gymnasien geben. Am
       Ende würden alle - nicht nur die besonders begehrten - "rappelvoll" sein,
       glaubt Wolfgang Harnischfeger, ehemaliger langjähriger Schulleiter der
       Beethoven-Oberschule in Lankwitz. Schlimmer noch: "Die Plätze werden nicht
       ausreichen."
       
       Die Schulverwaltung weist das zurück. "Das entspricht nicht unserer
       Prognose", sagt Beate Stoffers, Sprecherin von Senator Jürgen Zöllner
       (SPD). Sie kritisiert: "Durch solche Behauptungen werden Eltern
       verunsichert."
       
       Die Verunsicherung ist längst da. Die Sorge, das Kind nicht auf der
       weiterführenden Schule unterzubringen, auf die es nach Meinung der Eltern
       gehört, treibt alle erdenklichen Blüten. Er rechne mit einer Klagewelle bei
       Verwaltungsgerichten, sagt der Vorsitzende der GEW-Schulleiter-Vereinigung,
       Paul Schuknecht. Immer mehr Eltern würden versuchen, mit Hilfe von Juristen
       dem Kind den gewünschten Schulplatz zu sichern.
       
       Bei einem begehrten Gymnasium im Süden der Stadt hat die Klagewut dazu
       geführt, dass in einer 7. Klasse zu Beginn des Schuljahres nicht 32 Schüler
       saßen, sondern 36. "Geschürt wird das durch den Hype, das Gymnasium ist das
       Tollste überhaupt", sagt Schuknecht, der die Friedensburg Oberschule, eine
       Gesamtschule in Charlottenburg-Wilmersdorf mit gymnasialer Oberstufe,
       leitet.
       
       In der Stadt gibt es rund 80 Gymnasien. Neu ist der Andrang nicht. Aber
       bisher habe sich das auf die sogenannten Leuchttürme beschränkt, sagt
       GEW-Sprecher Peter Sinram. Dazu gehörten 20 bis 30 Gymnasien. Diese hätten
       schon immer mehr Anmeldungen als Plätze gehabt.
       
       Für den nun einsetzenden allgemeinen Andrang auf die Gymnasien sieht Sinram
       viele Gründe: Die Einführung der integrierten Sekundarschule habe viele
       Eltern verunsichert. 2010 sind Haupt- und Realschulen zusammengelegt
       worden. Die Sekundarschule endet gemeinhin nach der 10. Klasse. Auf
       Sekundarschulen mit Oberstufe besteht aber auch die Möglichkeit, Abitur zu
       machen. "Die Hauptangst der Eltern ist, dass ihr Kind nun mit Hauptschülern
       die Schulbank drückt", sagt Sinram. Die Sekundarschulen hätten teils noch
       keine Zeit gehabt, sich einen guten Ruf zu erarbeiten.
       
       Für Verunsicherung sorgen Sinram zufolge auch die neuen Aufnahmekriterien
       der Sekundarschulen und Gymnasien. Alle Grundschüler der 6. Klasse müssen
       von ihren Eltern an einer weiterführenden Schule angemeldet werden. Diesmal
       läuft die Frist vom 7. bis zum 18. Februar. Neu ist, dass Schulen, die mehr
       Anmeldungen als Plätze haben, 60 Prozent ihrer Schüler nach eigenen
       Aufnahmekriterien auswählen können. Je nach Schulprofil wird es darauf
       hinauslaufen, dass Anwärter mit dem besten Notendurchschnitt bevorzugt
       werden oder Kinder mit besonderen künstlerischen oder
       naturwissenschaftlichen Neigungen. Zehn Prozent der Plätze werden an
       Härtefälle vergeben, 30 Prozent unter den Anmeldern verlost. Bis dato galt
       bei der Anmeldung das Wohnortprinzip. Kinder mit dem kürzesten Anfahrtsweg
       mit der BVG hatten die größten Chancen.
       
       Das neue Verfahren sei "allemal fairer", findet GEW-Sprecher Sinram.
       "100-prozentige Gerechtigkeit gibt es nicht." Doch schon kündigen Eltern
       an, ihr Kind in das Gymnasium ihrer Wahl einklagen wollen. Die Begründung:
       Die Durchschnittsnote dürfe nicht den Ausschlag geben, weil die Noten von
       den Grundschulen nicht nach einheitlichen Kriterien vergeben würden. 
       
       Und es gibt noch eine Erklärung für den Run auf die Gymnasien. Nach den
       Sommerferien 2011 drängen mehr Kinder als bisher in die weiterführenden
       Schulen, weil nun auch die Generation dran ist, die bereits im Alter von
       fünfeinhalb eingeschult worden ist. "Die Neuzugänge steigen um 16 Prozent",
       bestätigt die Sprecherin der Bildungsverwaltung, Beate Stoffers. Deswegen
       würden an diversen Schulen zusätzliche 7. Klassen eingerichtet. "Alle
       Kinder werden versorgt."
       
       Wolfgang Harnischfeger kann sich die Einlösung dieses Versprechens nur so
       vorstellen, dass Kindern zugemutet werde, quer durch die Stadt zu fahren,
       weil etwa in Hellerdorf noch ein Platz an einem Gymnasium frei sei.
       
       12 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Plutonia Plarre
       
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