# taz.de -- Grünen-Parlamentarier über Euro-Krise: "Es wird nur bei den Löhnen gekürzt"
> Der neue "Wachstumsbericht" der EU-Kommission sei einseitig, sagt Sven
> Giegold, Grünen-Abgeordneter im EU-Parlament und erklärt, die Kommission
> mache "die gleichen Fehler wie ihre Vorgänger".
(IMG) Bild: "Die Vermögenden werden nicht belastet."
taz: Herr Giegold, die EU-Kommission hat ihren ersten "Wachstumsbericht"
veröffentlicht. Muss man ihn ernster nehmen als die vielen anderen
Berichte, die die Europäische Union permanent lanciert?
Sven Giegold: Unbedingt. Dieser Wachstumsbericht ist der Start des neuen
"europäischen Semesters".
Klingt irgendwie nach Uni.
Der Titel ist wirklich blöd, aber dahinter verbirgt sich ein überfälliger
Prozess. Die Kommission will die Regierungen und Parlamente motivieren,
dass sie in ihre nationalen Haushaltspläne hinein schreiben, was sie vorher
auf europäischer Ebene beschlossen haben. Bisher wurden Zusagen fast nie
eingehalten, zum Beispiel mehr Geld in die Bildung zu investieren.
Das ist ja ganz ungewohnt: Die Grünen loben die EU-Kommission.
Mehr Koordination ist richtig, nur sind die Prioritäten falsch. Der
zuständige Währungskommissar Olli Rehn macht die gleichen Fehler wie seine
Vorgänger. Seine Vorgabe ist, dass alle EU-Länder noch mehr sparen sollen.
Dabei lernt man schon im Grundstudium, dass es eine ökonomische
Abwärtsspirale auslöst, wenn alle Staaten gleichzeitig massiv kürzen.
Die EU-Kommission hat ausgerechnet, dass die Schulden der Euroländer im
Schnitt 85 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen. Da muss man doch
wohl sparen?
Aber die EU-Kommission will nur bei den Löhnen und den Sozialausgaben
kürzen. In einigen Ländern wie Irland ist das unvermeidlich. Dort hat der
Bankensektor die Wirtschaft überhitzt, das hat auch die Gehälter so
aufgebläht, dass die reale Wirtschaft das gar nicht tragen kann. Es ist
aber falsch, nur auf die Ausgabenseite zu schauen.
Und wie sollen die Schulden dann reduziert werden?
In dem gesamten EU-Wachstumsbericht sucht man ein Wort vergebens:
Steuerkooperation. Das Steuerdumping einiger EU-Länder bleibt völlig
unerwähnt. Dabei würde es den finanziellen Spielraum der einzelnen
Regierungen enorm erhöhen, wenn es Mindeststeuersätze gäbe und eine
gemeinsame Bemessungsgrundlage für die Unternehmenssteuern. Die
EU-Kommission wiederholt den Fehler, der schon bei den Sparpaketen in
Irland und Griechenland gemacht wurde: Die Vermögenden werden nicht
belastet.
Aber wird dieser neue EU-Wachstumsbericht überhaupt Folgen haben? Im
fünfzehnseitigen Anhang beklagen sich die EU-Beamten ununterbrochen, dass
die einzelnen Regierungen nur nichtssagende Papiere zugeliefert hätten.
Wer hätte gedacht, dass die taz sogar Anhänge liest.
Also bleibt der Bericht folgenlos?
Nein. Im nächsten halben Jahr wird er diskutiert, dann im Juni gibt es
verbindliche nationale Reformprogramme. Die EU-Prozesse bekommen eine
Peitsche. Leider saust diese Peitsche auf die falschen Leute nieder: auf
die Schwachen und auf die Arbeitnehmer.
13 Jan 2011
## AUTOREN
(DIR) Ulrike Herrmann
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