# taz.de -- Vor dem Washington-Besuch von Hu Jintao: Wo sind die verschwundenen Anwälte?
       
       > US-Außenministerin Hillary Clinton kritisiert das ungeklärte Schicksal
       > chinesischer Bürgerrechtler. Sie fordert die Freilassung von politischen
       > Gefangenen.
       
 (IMG) Bild: Der Anwalt Gao Zhisheng im April 2010 in Peking. Zwei Wochen später verschwand er und ist bis heute nicht wieder aufgetaucht.
       
       PEKING taz | Seine Familie flüchtete 2009 in die USA und erhielt dort Asyl,
       er selbst ist irgendwo in China. Der Rechtsanwalt Gao Zhisheng bleibt
       verschwunden. Freunde sind extrem besorgt. Kurz vor dem am Mittwoch
       beginnenden USA-Besuch von Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao ist Gaos
       Schicksal wieder ins Blickfeld gerückt.
       
       US-Außenministerin Hillary Clinton persönlich forderte Peking am Freitag
       auf, Gao und andere politische Gefangene wie Friedensnobelpreisträger Liu
       Xiaobo freizulassen und Meinungs- und Religionsfreiheit zu respektieren.
       
       In der letzten Woche publizierten US-Medien schwere Foltervorwürfe, die der
       47-jährige Gao zuvor gegen Chinas Behörden erhoben hatte: Polizisten hätten
       ihn in den ersten acht Monaten seiner geheimen Gefangenschaft gefesselt,
       geschlagen und nackt ausgezogen. Sein Kopf sei in nasse Handtücher
       gewickelt worden, bis er zu ersticken meinte. Zudem hätten die Beamten
       gedroht, ihn umzubringen.
       
       Gao hatte der Nachrichtenagentur AP im April 2010 von den Misshandlungen
       berichtet. Damals war er nach monatelangem Verschwinden kurz aufgetaucht
       und sprach über seine Erlebnisse. Er bat darum, die Informationen zunächst
       nicht zu publizieren, weil er hoffte, in aller Stille "irgendwo in
       Sicherheit" ins Ausland gelangen zu können. Der Polizei hatte er zuvor
       versprechen müssen, über die Torturen zu schweigen. Kurz darauf verschwand
       er wieder.
       
       Laut AP stimmte seine Familie in den USA jetzt der Veröffentlichung zu.
       Seine Frau und zwei Kinder glauben, Gaos einzige Chance bestehe darin,
       durch internationalen Druck vor Hus USA-Besuch freizukommen. Vor seinem
       Verschwinden hatte sich Gao für Opfer willkürlicher Landenteignungen sowie
       für Falun-Gong-Anhänger eingesetzt und damit die Regierung erzürnt. 2006
       verurteilte ihn ein Gericht wegen "Untergrabung der Staatsgewalt" zu drei
       Jahren Gefängnis, setzte die Strafe aber auf Bewährung aus.
       
       Anders als die meisten chinesischen Juristen, die sich lieber auf
       lukrativere Wirtschaftsfälle spezialisieren, stehen Bürgerrechtsanwälte in
       China unter starkem Druck. Clinton sprach sich auch für Chen Guangcheng
       aus, der sich als blinder Rechtsberater für Behinderte und gegen
       Zwangsabtreibungen in seiner Heimatstadt Linyi im Osten Chinas engagiert
       hatte.
       
       Er wird seit über drei Monaten von einem offenbar von den Behörden
       gedungenem Mob in seinem Haus festgehalten. Ein Besuch westlicher
       Diplomaten scheiterte, weil Schläger am Eingang zu Chens Dorf ihr Auto
       umzustürzen versuchten.
       
       Die Pekinger Behörden wussten von dem Plan der Diplomaten, den Anwalt zu
       besuchen, doch verhinderten sie den Angriff nicht. Bislang gelang es
       niemandem, Chen zu sehen. Als eine prominente chinesische
       Internetkommentatorin vergangene Woche zu ihm fahren wollte, wurde auch sie
       von Schlägern angegriffen. Über Twitter benachrichtigte sie Bekannte, die
       die örtliche Polizei anriefen, um Hilfe für sie zu holen. Polizisten nahmen
       sie mit, weigerten sich aber, ihr Zugang zu dem Anwalt zu verschaffen.
       
       Clinton sagte: "Ich weiß, viele in China – und nicht nur in der Regierung,
       sondern auch in der Bevölkerung – empfinden unseren Einsatz für die
       Menschenrechte als Eingriff in die Souveränität ihre Landes und weisen dies
       zurück."
       
       Aber China als Gründungsmitglied der UNO habe "sich verpflichtet, die
       Rechte aller Bürger zu respektieren. Dies sind universelle Rechte, die von
       der internationalen Gemeinschaft anerkannt sind." Hu hingegen stellte jetzt
       gegenüber US-Medien klar, jeder müsse den Entwicklungspfad des anderen
       akzeptieren. Chinas Führung wertet Kritik also weiter als Einmischung und
       fühlt sich nicht an universelle Werte gebunden.
       
       18 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jutta Lietsch
       
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