# taz.de -- Aranofskys Ballett-Film "Black Swan": Ganz große Horror-Oper
       
       > In seinem Film "Black Swan" lässt Darren Aronofsky die Ballerina Nina
       > durch die Hölle gehen - mit dicken Pinselstrichen, als Gruselmärchen,
       > jenseits von Subtilitäten.
       
 (IMG) Bild: Kein U-Bahn-Fenster lässt Aronofsky ungenutzt verstreichen, um nicht noch ein Doppelgängermotiv im Bild unterzubringen.
       
       Körper in ekstatischer Bewegung haben es ihm angetan: Vor zwei Jahren
       schickte Darren Aronofsky Mickey Rourke als überalterten "Wrestler" im
       gleichnamigen Film zurück auf die harten Bretter des Rings, nun ist es eine
       knochig-sehnige Natalie Portman, die als Ballerina die Grenzen ihres
       Körpers auslotet. Dort das massig-wulstige, vernarbte Fleisch des Athleten,
       ein raumgreifender Berg von einem Mann, der draufhaut, statt sich zu
       artikulieren, hier die Grazie einer fast papieren wirkenden Tänzerin, die
       mit Pirouetten und zarter Gestik ins Abstrakte hinein Räume definiert -
       unterschiedlicher könnten die beiden kaum sein. Im Filmuniversum von Darren
       Aronofsky sind sie indessen nahe Verwandte, wenn nicht
       Zwillingsgeschwister.
       
       Aronofskys Werk ist von einem Motiv zentral bestimmt: All seine getriebenen
       Figuren kämpfen als Allererstes gegen sich selbst und dabei buchstäblich
       auch gegen die Widerstände des eigenen Körpers: In dessen schlussendlicher
       Überwindung durch Selbstzertrümmerung liegt allein ihre Hoffnung auf
       Erlösung. Aronofsky übersetzt dies direkt in die Filmform, wenn er seine
       Filme konzentriert auf eine infernalische Steigerung der Sinneseindrücke
       hin komponiert, deren erschlagend-affizierende Wirkung das Publikum selbst
       ein wenig durch jene Hölle gehen lässt, die Aronofsky seinen Figuren
       buchstäblich auf den Leib zugeschnitten hat.
       
       Diese Hölle ist meist selbst geschaffen: Hier ist es Nina (Portman), eine
       Balletttänzerin mit nicht wenig Ambition, die darum kämpft, in einer
       prestigereichen New Yorker Aufführung des "Schwanensee" nicht nur den
       weißen Schwan Odette, sondern auch den schwarzen Odile, die böse
       Gegenfigur, zu verkörpern. Gegen enorme Widerstände - der manipulative
       Regisseur Thomas (Vincent Cassel), eine Konkurrentin (Mila Kunis), in der
       Nina eine Doppelgängerin sieht, die drakonische Mutter (Barbara Hershey),
       die Nina in eine rosa Kinderzimmerhölle verbannt -, am ehesten aber noch
       gegen den Widerstand des eigenen Selbst, versteigt sich die Künstlerin bis
       an die Grenze zur Paranoia und Hysterie in das Projekt, um den schwarzen
       Schwan in sich zum Vorschein zu bringen.
       
       Wie bei "The Wrestler" stellt auch hier der Leib die Arena eines
       existenziellen Dramas: Beide, Mickey Rourke und Natalie Portman, sind vor
       allem verletzbare Körper. Ein beim Pirouettendrehen verknackster Knöchel
       ist noch Arbeitsrisiko, kratzige Schürfwunden am Rücken, ein ausgerissener
       Fingernagel lassen auf tiefer greifende Veränderungen schließen. Ninas
       Körperdrama steigert sich zur Raserei, Realitätsebenen verwischen sich,
       seelische Zustände übersetzen sich in Körper und Filmbild.
       
       Nach dem betont schlicht gehaltenen, an die Ästhetik des
       16-mm-Independentkinos angeschmiegten "Wrestler überrascht hier zunächst
       Aronofskys Rückkehr zum Stilwillen, zum Ästhetizismus, für den der
       Regisseur seit seinem Debütfilm "Pi" steht. Seit Dario Argentos
       Farbenrausch in "Suspiria" war keine Kino-Ballettkompanie mehr derart
       stilisiert ins Unwirkliche entrückt. Doch wo Argento in gesättigten
       Technicolor-Farbwerten schwelgt, zeigt Aronofsky eine aller Farben
       verlustig gegangene Welt im harten Chiaroscuro, einen Albtraum in
       Schwarz-Weiß.
       
       Dass dabei die Parodie solchen Stilwillens mitunter krass in Sichtweite
       gerät, ficht "Black Swan" freilich nicht an. Was sich vorderhand als
       nuancierter psychologischer Thriller verkleidet, entpuppt sich im Laufe des
       Films als dunkler Schwan der Schauer-Kulturgeschichte mit großer Lust an
       lauten Fanfaren: Kein U-Bahn-Fenster lässt Aronofsky ungenutzt
       verstreichen, um nicht noch ein Doppelgängermotiv im Bild unterzubringen,
       selbst der Regisseur der Aufführung heißt "Zwilling" mit Namen, auch die
       böse Hexenmutter fehlt nicht: Mit dickem Pinselstrichen erzählt "Black
       Swan" ein Gruselmärchen, das nur umso effektiver wird, je unbekümmerter es
       Subtilitäten weit hinter sich lässt.
       
       Für das Ballett und den Arbeitsprozess, der jeder Kunst zugrunde liegt, für
       den unter übersteigerten Anforderungen zuschanden geratenden Menschen
       freilich interessiert sich "Black Swan" nicht im Geringsten. Angesichts der
       ganz großen Horror-Oper, die Aronofsky hier im Sinn hat, muss man fast
       sagen: besser so.
       
       18 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Groh
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Dokumentarfilm
       
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