# taz.de -- Kolumne Das Tuch: Neues aus der muslimischen Trendethnie
       
       > Bin ich eine Sadistin? Schlummert tief in mir eine andere Kübra? Denn
       > warum sonst geißele ich mich immer wieder mit schlechten Hetzartikeln in
       > deutschen Wochenmagazinen?
       
       Bin ich eine Sadistin? Schlummert tief in mir eine andere Kübra? Denn warum
       sonst geißele ich mich immer wieder mit schlechten Hetzartikeln in
       deutschen Wochenmagazinen?
       
       Jedenfalls erwischte ich mich kürzlich wieder dabei, wie ich einen solchen
       Artikel las. Ich wäre fast vom Stuhl gekippt, ging es doch tatsächlich
       endlich einmal um das noch nie zuvor besprochene Tabuthema Ehrenmord und
       das Sexualleben "muslimischer" Jugendlicher in Deutschland (man ist
       bekanntlich nicht mehr türkisch oder arabisch, sondern nur noch
       muslimisch).
       
       Wirklich gut wird der Artikel, als er es schafft, durch das ständige
       Wiederholen einen direkten Zusammenhang zwischen Islam und Ehrenmorden zu
       kreieren. Das heißt im Klartext: Ehrenmorde wird man nur dann los, wenn man
       den Islam los wird. Dabei haben Ehrenmorde oft mehr mit der Tradition als
       mit der Religion zu tun – die Ehrenmorde sogar verbietet. Viele junge
       Mädchen argumentieren mit ihrer Religion gegen herrschsüchtige Väter und
       Brüder. Aber nein. Hier schreibt schließlich eine, die es wissen muss. Sie
       kommt aus dem besagten Kulturkreis. Ergo: Sie besitzt einen Freischein für
       Undifferenziertheit.
       
       Und das ist schade, weil die Autorin über etwas Wichtiges schreibt. Es gibt
       Familien und Gesellschaftskreise, die ihre Ehre vom Jungfernhäutchen der
       Töchter abhängig machen und, um diese Ehre zu retten, auch körperliche
       Gewalt ausüben würden. Und jeder dieser Fälle ist eine Tragödie.
       
       Schon mit 16 Jahren fuhr ich an Wochenenden zu interreligiösen
       Veranstaltungen und Dialogprogrammen und erzählte Tagung aus, Tagung ein
       die gleiche Leier: Nein, Ehrenmorde sind kultur- und traditionsabhängig.
       Sie sind mit dem Islam eigentlich unvereinbar. Aber natürlich ist jede
       Religion schon einmal für Gewalt instrumentalisiert worden: das
       Christentum, welches Nächstenliebe predigt, ebenso der friedfertige
       Buddhismus. Überall dieselben Fragen, deshalb auch dieselben Antworten.
       Auch im Fernsehen und sämtlichen Talkshows.
       
       "Muslime kommen unglaubwürdig rüber", sagte mir eines Tages ein Freund.
       "Einerseits betonen sie, wie unislamisch Ehrenmorde sind, andererseits
       findet man immer wieder Fälle, bei denen Religion als Motivation angeführt
       wird." Dass sich in vielen deutschen Städten Muslime seit Jahren aktiv
       gegen Ehrenmorde und für eine Trennung von Religion und Tradition
       einsetzen, wusste er nicht. Ehrenmorde sind auch nicht die einzige
       Tradition, für die der Islam missbraucht wird. Gewalt in der Ehe, schwache
       Frauenrollenbilder und belastend hohe Erwartungshaltungen an Männer sind
       nur einige der Missstände.
       
       Wir Muslime müssen diese Missstände weiter diskutieren, intensiver als
       bisher. Nicht jedoch mit Fingerzeigenden auf Dialogveranstaltungen, wo wir
       glauben, der Islam als Ganzes stehe auf dem Prüfstand, und uns deshalb
       sofort in Verteidigungshaltung begeben. Sondern souverän, kritisch und
       selbstbestimmt innerhalb der muslimischen Communities. Dafür brauchen wir
       Foren und Formen. Und dann kann die kleine Sadistin in mir ruhen.
       
       19 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kübra Gümüsay
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kolumne Das Tuch: Thilo Sarrazin tut mir leid
       
       In einer britischen Radiosendung der BBC habe ich mit Deutschlands
       bekanntestem Autor gesprochen. Es war traurig.
       
 (DIR) KOLUMNE DAS TUCH: Salz im Kaffee
       
       Es gibt Heiratstraditionen, die sind für den Mann sehr bitter. Und alles
       nur, weil vor über 40 Jahren ein junger Mann am Bosporus sehr nervös war.
       Eine Kolumne für Verliebte.
       
 (DIR) Kolumne Das Tuch: Buhu. Heul. Würg
       
       Warum Muslime das Mitleid nicht gepachtet haben und was das mit türkischen
       Kinohits zu tun hat.