# taz.de -- Leistungen für Asylbewerber werden geprüft: Mehr Geld für Flüchtlinge
       
       > Arbeitsministerin von der Leyen will die Regelsätze für Asylbewerber
       > völlig neu berechnen lassen. Die wurden seit 1993 nicht angehoben – und
       > sind nicht verfassungskonform.
       
 (IMG) Bild: Dauerbrenner: schon 1998 wurde gegen das Asylbewerberleistungsgesetz demonstriert.
       
       BERLIN taz | Zum Einkaufen geht Tannaz Bidary nur mit dem Taschenrechner.
       Die Iranerin lebt mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern in Brandenburg
       als Asylbewerberin. Sie erhält Leistungen nach dem
       Asylbewerberleistungsgesetz. Den größten Teil ihres Geldes bekomme sie in
       Gutscheinen zu fünf und zehn Euro ausgezahlt, mit denen sie nur in wenigen
       Läden einkaufen dürfe, berichtet Bidary.
       
       "Ich kaufe mit dem Taschenrechner ein, denn auf die Gutscheine wird kein
       Wechselgeld gegeben", erzählt die Frau. Ihre Kinder seien von Sportvereinen
       oder Musikschulen ausgeschlossen. Diese Woche hätte sie kaum die 15 Euro
       zusammenbekommen, damit der Sohn am Wandertag mit ins Museum gehen konnte.
       
       Doch nach der Hartz-IV-Reform will Bundessozialministerin Ursula von der
       Leyen (CDU) nun auch die Regelsätze für Asylbewerber völlig neu berechnen
       lassen. Das teilte sie am Mittwochabend auf einer Podiumsdiskussion in der
       Katholischen Akademie in Berlin mit. Denn wie die Regelsätze für
       Langzeitarbeitslose verstießen auch die noch geringeren Leistungen für
       Asylbewerber und geduldete Flüchtlinge gegen das Grundgesetz.
       
       Das Asylbewerberleistungsgesetz trat 1993 im Zuge des sogenannten
       "Asylkompromisses" in Kraft. Es sah zunächst vor, dass neu einreisende
       Asylbewerber im ersten Jahr nach der Ankunft um 20 Prozent geringere
       Sozialleistungen als Deutsche erhalten. So sollten potenzielle Asylbewerber
       abgeschreckt werden. Diese Beträge wurden seit 1993 nie angehoben und im
       Laufe der 1990er Jahre auf alle Asylbewerber und geduldeten Flüchtlinge
       ausgedehnt. Inzwischen erhalten sie sogar 38 Prozent weniger
       Sozialleistungen als Deutsche, bei Kindern beträgt die Differenz sogar 47
       Prozent.
       
       Die Bundesregierung steht unter Druck, die Asylbewerberleistungen zu
       überprüfen. Denn das Sozialgericht Nordrhein-Westfalen hat Ende vergangenen
       Jahres das Asylbewerberleistungsgesetz dem Bundesverfassungsgericht zur
       Prüfung vorgelegt. "Das Verfassungsgerichtsurteil zu Hartz IV war eine
       eindeutige Blamage für die Bundesregierung. Die will sich der Bund kein
       zweites Mal holen", prognostiziert der pensionierte Bundesrichter Ralf
       Rothkegel. Denn, so Rothkegel: "Alle Aussagen zum Hartz-IV-Urteil lassen
       sich 1:1 auf die Berechnung von Asylbewerberleistungen übertragen."
       
       Das physische Existenzminimum sei für alle Menschen, unabhängig von ihrer
       Herkunft, gleich, argumentiert Rothkegel. "Wenn die Bundesregierung die
       sozialkulturellen Anteile an den Sozialleistungen für Asylsuchende
       niedriger ansetzen will, muss sie nach dem Hartz-IV-Urteil begründen, wo
       der Bedarf geringer ist." Also: Müssen Asylbewerber weniger telefonieren,
       benutzen sie seltener Verkehrsmittel oder brauchen die Kinder weniger
       Schulhefte?
       
       Der Gesetzgeber begründet den geringeren Bedarf der Asylbewerber damit,
       dass sich diese Menschen ja nur vorübergehend in Deutschland aufhalten
       würden. Das aber widerspricht den Angaben, die die Bundesregierung auf eine
       Anfrage der Linken machte: Demnach leben 63 Prozent der geduldeten
       Flüchtlinge seit mehr als sechs Jahren in Deutschland. "Von vorübergehend
       kann da keine Rede mehr sein", sagt die Abgeordnete der Linkspartei, Sevin
       Dagdelen. Auch die Überlegung, Asylbewerber mit geringeren Leistungen
       abschrecken zu wollen, sei nicht verfassungskonform.
       
       Ob Asylbewerberkinder von dem vorgesehenen Bildungspaket profitieren
       sollen, ist bisher nicht geklärt. "Auf diese Frage erhalten wir keine
       Antwort von der Bundesregierung", so Sozialrechtsexperte Georg Classen vom
       Berliner Flüchtlingsrat.
       
       20 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marina Mai
       
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