# taz.de -- Kommentar Verhältnis USA-China: Nicht nur Heuchelei
       
       > China und die USA präsentieren sich als glückliche Handelspartner.
       > Jenseits der Imagepflege stehen sie vor großen Herausforderungen in der
       > Innen-, Außen- und Klimapolitik.
       
       Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao besucht Amerika: Das ist wahrhaft
       großes Theater – mit einem rauschendem Galadinner voller Großunternehmer,
       Hollywoodstars und Altpolitiker, einer Pressekonferenz auf dem Rasen des
       Weißen Hauses und der feierlichen Unterschrift unter gewaltige
       Geschäftsvereinbarungen.
       
       "Wir wollen Ihnen alles mögliche Zeug verkaufen", sagt Gastgeber Barack
       Obama zu seinen chinesischen Besuchern und erregt Heiterkeit. Da weiß er
       natürlich schon, dass die chinesischen Staatskonzerne und Privatfirmen,
       deren Chefs mit Hu nach Washington gekommen sind, den Besuch zur
       Unterschrift unter rund 70 Wirtschaftsprojekte nutzen werden. Spötter
       bezeichnen Hu schon als Boss der "China-GmbH".
       
       Beide Präsidenten werden nicht müde, positive Beziehungen für eine
       friedlichere Zukunft der Welt zu beschwören und zugleich "Differenzen"
       einzuräumen. Ein Beispiel: Obama erinnert an die "universellen Rechte jedes
       menschlichen Wesens". Sein Gast Hu räumt ein, in China gäbe es "in Bezug
       auf die Menschenrechte noch viel zu tun". Seine Regierung werde sich
       "weiterhin darum bemühen", Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu fördern.
       
       Nun sind "Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit" Begriffe, die Hu
       und seine Kollegen in der KP keineswegs fürchten, sondern ganz gern im Mund
       führen. Das hindert sie nicht daran, Leute wie den Friedensnobelpreisträger
       Liu Xiaobo ins Gefängnis zu werfen.
       
       Und dennoch: Es wäre falsch, nur auf die Heuchelei und die Spektakel
       solcher Staatsbesuche zu schauen. Ebenso unsinnig wäre es, sich allzu lange
       mit der Frage aufzuhalten, ob China wirklich schon stark genug sei, als
       Rivale von den USA ernst genommen zu werden.
       
       Wer sich zu viel mit dem Image beschäftigt, drückt sich vor den Problemen
       der Realität. Und davon gibt es genug: Gemeinsame Strategien zur
       Bewältigung des Klimawandels zum Beispiel wären nicht nur eine Frage der
       Moral, sondern ebenso kluge wie nötige Vorbereitung auf Zeiten, in denen
       das Trinkwasser knapp wird, in denen die Zahl der Umweltflüchtlinge und
       Grenzkonflikte wächst. Und wenn Peking und Washington sich nicht ernsthaft
       und schnell über eine Strategie gegenüber Nordkorea verständigen, kann es
       leicht zum Krieg kommen.
       
       Militärische Konflikte im Westpazifik, also vor den Küsten Chinas, sind nur
       eine Frage der Zeit, wenn die Aufrüstung so weitergeht und die asiatischen
       Anrainerstaaten sich nicht über eine gemeinsame Nutzung der Fischgründe und
       der Erdöl- und Gasvorkommen in den umstrittenen Gewässern einigen können.
       
       Beide wissen voneinander, dass sie sowohl stark als auch schwach sind:
       Präsident Obama kann mit der übermächtigen Opposition im Kongress nicht
       mehr viel ausrichten. Ob er Ende nächsten Jahres wiedergewählt wird, steht
       in den Sternen, die Aussichten sind nicht gut. Das Jahr 2012 wird im
       Zeichen des US-Wahlkampfes stehen, und die Innenpolitik wird die
       außenpolitischen Initiativen Obamas noch stärker bestimmen als jetzt schon.
       
       Obwohl China nicht wählt, wird die Regierung auch hier im nächsten Jahr wie
       gelähmt sein. Im Oktober 2012 steht ein Führungswechsel an der Spitze der
       KP und in vielen Provinzen an. Die Partei ist in China mächtiger als die
       Regierung und alle anderen Institutionen. Die Nachfolger werden im Geheimen
       ausgekungelt – und niemand weiß, was der als künftiger Parteichef
       gehandelte Xi Jinping für die Zukunft plant.
       
       Die chinesische Führung kann noch so beeindruckend nach außen auftreten,
       und ihre Banker und Staatskonzerne mit den gewaltigen Devisenreserven von
       mittlerweile 2.850 Milliarden Dollar können weltweit Häfen aufkaufen und
       europäischen Staaten aus der Patsche helfen: Nach innen steht sie unter
       enormem Druck. Der Zorn über Korruption und soziale Ungleichheit ist groß.
       In solchen Zeiten reagieren Chinas Sicherheitsdienste besonders empfindlich
       gegenüber allem, was sie als Bedrohung der Stabilität betrachten.
       
       Man kann deshalb nur hoffen, dass dieser aufwändige Staatsbesuch jene
       politischen Kräfte in beiden Ländern stärkt, die es ernst meinen mit einer
       besseren Zusammenarbeit.
       
       20 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jutta Lietsch
       
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