# taz.de -- Tunesische Bloggerin über Revolution: "Wir führen die Zukunftsdebatte"
       
       > Lina Ben Mhenni bloggt seit 2007 in Tunesien. Im Interview berichtet sie
       > von Zensoren, Repressionen und der Macht des Internets während der
       > Jasmin-Revolution.
       
 (IMG) Bild: Für die Freiheit, für die Demokratie: Ein Demonstrant in Tunis trägt die Landesfahne.
       
       taz: Glückwunsch zur gelungenen, digitalen Revolution? 
       
       Lina Ben Mhenni: Danke. Internet und die Blogs und vor allem die Sozialen
       Netzwerke waren sehr wichtig für unsere Revolution. Da es keine Medien gab,
       die den Namen verdienen, waren es die Blogs und Internet im allgemeinen,
       die als Informationsquelle dienten und wo die Menschen die Ereignisse
       überall im Land verfolgen konnten.
       
       War Ihr Blog atunisiangirl.blogspot.com von vornherein politisch angelegt? 
       
       Nein. Ich habe von klein auf geschrieben. Irgendwann habe ich dann durch
       Zufall in einer Zeitschrift etwas über Blogs gelesen und gedacht, das wär's
       doch. Ich habe mich auf die Suche nach einer Plattform gemacht und 2007 mit
       dem Bloggen begonnen. Am Anfang war es eher ein intimes Tagebuch, eine
       Möglichkeit, das was ich sowieso schreibe, mit anderen Leuten zu teilen.
       Ich habe Eindrücke, Ideen, Gedichte veröffentlicht. Und hin und wieder auch
       mal einen kleinen Text zu sozialen Alltagsproblemen. Aber es war ganz
       bestimmt kein politischer Blog.
       
       Und wie wurde dann daraus das, was er heute ist? 
       
       Was mich letztendlich dazu gebracht hat, den Blog politischer zu gestalten,
       war die Zensur hier im Lande. 2008 wurde mein Blog in Tunesien gesperrt,
       obwohl er damals kaum politisch war. Plötzlich tauchte die Fehlermeldung
       „404 Not found“ auf dem Bildschirm auf. Ich begann gegen die Zensur
       anzuschreiben. Die erste große Kampagne an der ich teilnahm, ging gegen die
       Zensur von Facebook hier in Tunesien. Ich war ein paar Monate in den USA.
       
       Ich habe mich fürchterlich darüber aufgeregt, dass meine Freunde in
       Tunesien keinen Zugang zu Facebook und damit zu meinen Einträgen hatten.
       Letztes Jahr haben wir dann versucht eine Demonstration gegen die Zensur zu
       organisieren. Sie wurde verboten. Während der Jugendproteste habe ich immer
       mehr Artikel über die Lage in Tunesien veröffentlicht und habe mir
       verschiedene Städte angeschaut, um zu sehen und zu berichten, was dort
       passiert.
       
       Hatten Sie auch im reellen Leben Probleme mit der Polizei? 
       
       Die Polizei hat angefangen mir die ganze Zeit nachzustellen. Irgendwann ist
       dann jemand in mein Zimmer, das ich bei meinen Eltern bewohne,
       eingebrochen. Der Computer verschwand und die Kamera auch.
       
       Die Zeiten ändern sich. In der Übergangsregierung sitzt mit Slim Amamou
       (Slim404) einer ihrer Bloggerkollegen, mit dem zusammen Sie die
       Antizensurdemonstration vorbereitet haben. 
       
       Sie haben scheinbar verstanden, dass die Blogger sehr wichtig sind in
       unserer Gesellschaft. Slim404 twittert sogar aus den Kabinettssitzungen.
       Ich weiß nicht, ob das legal ist, und wie lange das noch gut geht. Aber im
       Augenblick kann man tatsächlich die Regierungssitzungen live im Twitter
       verfolgen.
       
       Welche Rolle werden Internet und die Blogs im Übergangsprozess zur
       Demokratie spielen? 
       
       Die Blogger werden sehr wichtig sein. Wir werden von den jungen Menschen im
       Land gelesen. Wir erreichen damit eine Schicht, die andere Medien nicht
       erreichen. Die Debatte über die Zukunft wird sehr stark auf den Blogs
       stattfinden.
       
       Und was wird bei den Wahlen geschehen? Werden wir eine Kampagne sehen,
       ähnlich wie in den USA, als das Internet Barack Obama zum Sieg verhalf? 
       
       Das war im Ansatz schon bei den letzten Wahlen so. Es waren keine freie,
       demokratische Wahlen, aber die Opposition hat sich sehr stark des Internets
       bedient. Dieses Mal wird Internet sicher sehr wichtig sein.
       
       Tunesien ist nicht gerade ein reiches Land. Wer hat hier überhaupt einen
       Computer? 
       
       Wir haben zwei Millionen Facebook-Benutzer in Tunesien bei 10,5 Millionen
       Einwohnern. Wer keinen eigenen Computer hat, geht in ein Cybercafe. Im
       Internet zu surfen ist kein großes Problem.
       
       24 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) taz.lab 2011 „Die Revolution haben wir uns anders vorgestellt“
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