# taz.de -- Nach dem Anschlag auf Moskauer Flughafen: Leichtes Spiel für Terroristen
       
       > Kremlchef Dmitri Medwedjew wirft Innenministerium und Geheimdienst
       > indirekt Versagen vor und will härter durchgreifen. Terrorerfahnder sind
       > skeptisch.
       
 (IMG) Bild: Blumen am Ort des blutigen Anschlags auf den Moskauer Airport Domodjedowo.
       
       MOSKAU taz | Lena Andronowa stellt sich vor als "Terrorbegleiterin", als
       sie an der Station Sportiwnaja der Metro entsteigt. Die Frau ist am Morgen
       nach dem Blutbad auf dem Flughafen Domodjedowo wie jeden Tag mit der Metro
       fast durch die ganze Stadt zur Arbeit gefahren. "Terrorbegleiterin" nennt
       sie sich mit einem gequälten Lächeln, weil sie schon zweimal Anschlägen in
       der Untergrundbahn um Haaresbreite entkam. Das letzte Mal im März
       vergangenen Jahres, als sich zwei Selbstmordattentäterinnen im Untergrund
       in die Luft sprengten. Eine davon unter dem Gebäude des russischen
       Geheimdienstes FSB.
       
       Besondere Sicherheitskontrollen, wie sie Präsident Dmitri Medwedjew
       unmittelbar nach dem Terrorakt am Montagabend angeordnet hatte, will
       Andronowa auf der Fahrt durch die Stadt nicht bemerkt haben. "Mehr Miliz
       als üblich war heute auch nicht unterwegs", sagt sie. Es sei wie jeden Tag
       gewesen. Das hätte auch etwas Gutes, meint sie: Kaukasier, dunkelhäutige
       Gastarbeiter und Russen standen friedlich nebeneinander.
       
       Das hätte auch anders sein können. Denn die ersten Ermittlungen gehen davon
       aus, dass das Attentat von Terroristen aus dem Nordkaukasus verübt wurde.
       "Natürlich haben die Menschen Angst und erwarten, dass die Behörden für
       Sicherheit sorgen", sagt sie. Es ist eine Hoffnung, an die aber niemand
       ernsthaft glaube. Staat und Volk führen in Russland ein Eigenleben. Der
       Terror und das Entsetzen führen beide für einen Moment zusammen. "In ein,
       zwei Wochen ist der Schrecken vergessen und niemand erinnert sich mehr
       daran", sagt sie. Auch die erhöhte Alarmbereitschaft werde wieder
       erschlaffen, sagt sie schulterzuckend. Viele Moskauer würden ihr
       beipflichten.
       
       Wie immer nach solchen Anschlägen geben sich die Behörden betriebsam. Der
       Kreml verspricht Aufklärung, "totale Kontrolle" und harte Strafen. Vor
       allem wird nach den Schuldigen gesucht, die den Terrorakt zugelassen haben.
       Ins Fadenkreuz des Kremlchefs geriet zunächst die Sicherheitsabteilung des
       Flughafens. In der Tat hatten die Terroristen leichtes Spiel. Die Eingänge
       in die Wartehalle, wo der Anschlag stattfand, wurden nicht kontrolliert,
       Metalldetektoren funktionierten nicht oder waren nicht installiert. Der
       Flughafen wies unterdessen darauf hin, dass die Kontrolle dem russischen
       Innenministerium obliegt, das seiner Aufgabe nicht nachgekommen ist.
       
       In demokratischen Staaten hätte dieses Versäumnis zur Folge, dass
       Innenminister, Polizeichef und Geheimdienstboss entlassen würden. In der
       politischen Ordnung der russischen Machtvertikale ist dies nicht der Fall.
       Denn nicht die Sicherheit der Bürger steht im Mittelpunkt der
       Ordnungsbehörden, sondern die Sicherung der Macht der Bürokratie und der
       politischen Elite. Das, so meinen viele russische Kommentatoren, sei auch
       der Grund, warum die Verhinderung des Terrors durch russische Geheimdienste
       so ineffektiv sei. Indirekt stimmte dem auch Kremlchef Medwedjew zu: Dem
       Innenministerium und Geheimdienst warf er in der eilig einberufenen
       Notsitzung vor, dass die terroristische Bedrohung in Russland größer sei
       als in den USA.
       
       Die Terrorbekämpfung sollte die wichtigste Aufgabe des Geheimdienstes sein,
       sagte Medwedjew. Ähnliches hatte er bereits nach dem letzten Anschlag auf
       die Metro gefordert. Kurz vorher im Herbst 2009 hatte er in seiner Rede an
       die Nation den Nordkaukasus gar zur schwierigsten Problemregion erklärt und
       das Konfliktgebiet als eins der drängendsten innenpolitischen Probleme
       bezeichnet. Die Sicherheitsorgane zogen daraus keine Konsequenzen.
       
       Das politische System bewegt sich im Leerlauf, die Steuerbarkeit ist kaum
       noch gewährleistet. Im Nordkaukasus zeigt sich dies am deutlichsten, die
       Region unterliegt nur noch formal der russischen Gesetzgebung, das Leben
       strukturieren Tradition und die islamischen Gesetze der Scharia. Die
       Identität des Attentäters von Domodjedowo steht noch nicht fest. Auffällig
       ist indes, dass sich russische Sicherheitsbeamte zum Stand der Ermittlungen
       nur anonym äußern. Bislang kursieren zwei Versionen. In einer soll es sich
       um eine Frau gehandelt haben, die andere geht von einem Mann kaukasischen
       Aussehens aus. Auf jeden Fall sollen beide nicht allein gehandelt haben.
       
       Auf Videoaufnahmen sind drei Helfershelfer zu erkennen. Sie sollen dem
       Geheimdienst nicht nur bekannt, sondern seit längerem auch zur Fahndung
       ausgeschrieben sein. Außerdem verdichten sich die Hinweise, dass der
       Geheimdienst früh über einen geplanten Anschlag auf einen der Moskauer
       Flughäfen informiert worden sei.
       
       Silvester sprengte sich in Moskau versehentlich beim Hantieren mit einer
       Bombe eine Frau aus dem Kaukasus in die Luft. Ihre tschetschenische
       Komplizin konnte später mit einer Sprengladung festgenommen werden. Die
       Spur führte zu wahhabitischen Emiren in Dagestan, die die "schwarzen
       Witwen" mit tödlichem Auftrag in der Neujahrsnacht nach Moskau geschickt
       hatten. Um zu wissen, dass der Untergrund nach einer fehlgeschlagenen
       Operation nicht einfach aufgibt, muss man kein Terrorexperte sein. Für
       Mittwoch ordnete Präsident Medwedjew in Moskau und Umgebung Staatstrauer
       an.
       
       25 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Helge Donath
       
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