# taz.de -- EU-Aussenpolitik: Die Stimme Europas ist virtuell
       
       > Beim neu eingerichteten Europäischen Auswärtigen Dienst läuft noch nicht
       > viel. Nicht einmal alle Mitarbeiter sind ernannt und die Kompetenzen sind
       > noch unklar.
       
 (IMG) Bild: Die Prioritäten für die kommenden Monate hat EU-Außenkommissarin Catherine Ashton bereits festgelegt. Sonst ist noch nicht viel passiert.
       
       BRÜSSEL taz | Der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) soll Europa in der
       Welt vertreten, aber beschäftigt sich vor allem mit sich selbst. 3.645
       Europäer müssen in einer einheitlichen Struktur auf Brüssel und 130
       EU-Vertretungen in aller Welt verteilt werden. "Das geht nicht in ein paar
       Monaten", sagte EAD-Verwaltungschef David OSullivan in einer Rede Mitte
       Januar. "Realistischerweise brauchen wir drei Jahre."
       
       So bleibt der EAD, am 1. Dezember 2010 feierlich aus der Taufe gehoben,
       virtuell. Die Bestimmung der Mitarbeiter läuft noch. Die Ernannten arbeiten
       an acht Orten in Brüssel verstreut, zumeist noch dort, wo sie bisher waren
       - in den zuständigen Abteilungen der EU-Kommission, im Sekretariat des
       EU-Rats, in den Außenministerien der EU-Mitgliedstaaten.
       
       Manche haben immerhin neue Mailadressen und Telefonnummern, was die Sache
       nicht einfacher macht. "Es ist schwer, sie zu finden", seufzt ein
       EU-Parlamentsattaché. "Wir haben es mit einer virtuellen Administration zu
       tun."
       
       Virtuell, aber keineswegs arm. Der EAD verfügt über 182 Millionen Euro im
       Jahr für das Brüsseler Hauptquartier und 278 Millionen Euro für die
       Vertretungen in aller Welt. Das "Kapitol" genannte neue Hauptquartier liegt
       neben der weltberühmten EU-Kommissionszentrale Berlaymont am Schuman-Platz
       in Brüssel. "Die Prozeduren, um sich das Gebäude anzueignen und angemessen
       auszustatten, dauern an", sagt EAD-Sprechein Maja Kocijancic. "Wir rechnen
       nicht damit, vor Jahresende einzuziehen."
       
       Hunderte Sitzungen im Jahr 
       
       Laut OSullivan wird der EAD unter Leitung der EU-"Außenministerin"
       Catherine Ashton die außenpolitischen Aufgaben übernehmen, die bisher von
       EU-Kommission und EU-Ratspräsidentschaft erledigt wurden, und diverse
       Arbeitsgruppen leiten. Es wird also hunderte von Sitzungen im Jahr geben.
       
       Die verschiedenen europäischen Politikinstrumente - von politischem Dialog
       über Entwicklungshilfe bis hin zu Sanktionen und Militäroperationen -
       müssen zusammengeführt und mit der Außenpolitik der Mitgliedsstaaten zur
       Synergie gebracht werden, sagt der EU-Diplomat. Das betrifft so
       unterschiedliche Einsatzgebiete wie Bosnien und Somalia.
       
       Das ist schwerer, als es klingt. Für die Entwicklungshilfe der EU ist
       EU-Kommissar Andris Piebalgs zuständig, aber sobald
       Menschenrechtsverletzungen oder andere Probleme im Empfängerland ein
       inakzeptables Ausmaß annehmen, schalten sich Ashtons Dienste ein. Es
       bestehe "ein großes Risiko der Friktion und Rivalität zwischen dem EAD und
       der Kommission", warnt Graham Avery, ehemaliger Generaldirektor in der
       EU-Kommission und heute Berater des Thinktanks European Policy Centre in
       Brüssel.
       
       Schon jetzt ist unklar, wer für was zuständig ist. So war die
       EU-Ratspräsidentschaft nicht vertreten, als sich die Parlamentarier der EU
       und die der europäischen Partnerländer in Afrika, der Karibik und dem
       Pazifik (AKP-Staaten) im Dezember in Kinshasa trafen.
       
       Die EU-Außenminister haben unter Vorsitz von Catherine Ashton die
       Prioritäten der nächsten Monate bereits festgelegt: Nachbarschaftspolitik
       mit den EU-Anrainerstaaten auf dem Balkan und in Nordafrika, der
       Friedensprozess im Nahen Osten, Dialog mit Brasilien, China, Indien und
       Russland über Sicherheit, Menschenrechte und Klimawandel, und schließlich
       Förderung von Menschenrechten und guter Regierungsführung. Die jüngsten
       Ereignisse in Nordafrika und der arabischen Welt verleihen diesen Themen
       eine gewisse Dringlichkeit, der aber der EAD in der Praxis nicht gewachsen
       scheint.
       
       Der deutsche außenpolitische Experte Cornelius Adebahr kritisiert in einem
       Papier, dass Ashton die EU-Sonderbeauftragten für Krisengebiete abschaffen
       will - Kosovo, Moldau, Südkaukasus und Naher Osten Ende Februar,
       Zentralasien und Afrikas Große Seen im August. Diese Sonderbeauftragten, so
       Adebahr, haben eine wichtige Rolle bei der Wahrung von Kontinuität
       gespielt.
       
       Briten überrepräsentiert 
       
       Vielen EU-Mitarbeitern stößt auf, dass Großbritannien im EAD sehr stark
       vertreten ist. Die Britin Ashton hat einen britischen Sonderberater, Robert
       Cooper. Der Afrika-Direktor ist der britische Botschafter in Ghana,
       Nicholas Westcott, und unter ihm ist der Brite Roger Moore, genannt 007,
       für das östliche und südliche Afrika sowie den Indischen Ozean zuständig.
       Japan und Korea sowie Australien und Neuseeland unterstehen dem Briten
       Jonathan Hatwell, Südostasien dem Briten Seamus Gillespie.
       
       Das würde sicherlich weniger kritisiert werden, wenn Ashton selbst von
       allen anerkannt würde. Aber sie gilt als schwach und wenig charismatisch.
       Ihre Weigerung, EAD-Botschafter öffentlichen Anhörungen des EU-Parlaments
       zu unterziehen, hat ebenso Kritik hervorgerufen wie ihre mangelnden
       Sprachkenntnisse. Sie empfängt Menschenrechtsverletzer wie Usbekistans
       Präsidenten Islam Karimow, aber der Nobelpreiszeremonie für den
       chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo in Oslo blieb Ashton fern.
       
       Als die EU jüngst Kontensperrungen gegen Laurent Gbagbo in der
       Elfenbeinküste verfügte, verging so viel Zeit zwischen Ankündigung und
       Umsetzung, dass die Gelder längst nach Libanon verschwunden sind, schimpft
       ein Diplomat.
       
       Zu Tunesien und Ägypten trat die EU erst in Erscheinung, als der Ben Ali
       schon nach Saudi-Arabien geflohen war. "Die EU muss einen Gang zulegen",
       sagt der belgische Expremier Guy Verhofstadt. "Sie sollte nicht nur
       Gewaltlosigkeit fordern, sondern auch auf grundlegende demokratische
       Reformen in Ägpyten und anderswo drängen."
       
       3 Feb 2011
       
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