# taz.de -- Diskussion zum arabischen Umbruch: "Wie eine ägyptische CSU"
       
       > Ein Podium widmet sich Ägyptens Wandel - und seinen Protagonisten. Vor
       > den Muslimbrüdern muss man nicht erschrecken, sagt Ivesa Lübben.
       
 (IMG) Bild: Bürgerlicher Mittelstand: Eingekesselte Muslimbrüder.
       
       taz: Frau Lübben, wann waren Sie zuletzt in Kairo? 
       
       Ivesa Lübben: Im Herbst, im Vorfeld der Wahlen im November.
       
       Gab es da schon Anzeichen des Umbruchs? 
       
       Eine ganze Menge! Einerseits waren die Wahlen derartig gefälscht, dass
       durch sie klar wurde: Dieses Regime ist nicht einmal zu einem Minimum an
       Reformen bereit. Andererseits hatte dessen soziale Basis - die auch ein
       autoritäres Regime braucht - längst begonnen, wegzubrechen
       
       Welche Basis? 
       
       Zum Beispiel hatte die staatliche Gewerkschaft schon ab den großen Streiks
       im Jahr 2008 Konkurrenz von unabhängigen, lokalen Gewerkschaften bekommen,
       die sich untereinander vernetzt haben. Aber auch die Sufi-Orden, die seit
       Abdel-Nasser als islamisches Gegengewicht zur Muslimbruderschaft gefördert
       wurden, wandten sich ab.
       
       Warum? 
       
       Weil das Regime sich massiv in ihre inneren Angelegenheiten einmischte.
       Zudem war das selbst so sehr in sich gespalten, dass die Lager sich
       gegenseitig ihre Prügeltrupps aufeinander gehetzt haben - dieselben, die
       jetzt auf die Straße geschickt werden.
       
       Sie diskutieren Sonntag mit einer Europa-, einer Bundestags- und einer
       Landtagsabgeordneten: Kann denn hiesige Politik etwas anderes tun, als die
       Füße still zu halten? 
       
       Sie muss auf jeden Fall die Freundschaft mit dem ägyptischen Volk suchen -
       statt mit einem Regime ohne Basis. Denn dieser Umschwung - da gibt es kein
       Zurück mehr.
       
       Bloß ist unklar, wos hingeht. 
       
       Ich denke, dass kurz- oder mittelfristig eine Demokratisierung eintritt.
       
       Mit der Muslimbrüderschaft, vor der viele Angst haben? 
       
       Diese Ängste werden von Leuten geschürt, die noch nie einen lebendigen
       Muslimbruder getroffen haben. Das sind Ärzte, Rechtsanwälte, Politologen -
       das, was man oft als Modernisierungseliten bezeichnet. Die Muslimbrüder
       bilden in Ägypten einen bürgerlichen, konservativen Mittelstand.Die sind so
       etwas wie eine ägyptische CSU - einschließlich der offen geführten Debatten
       der Parteiflügel.
       
       Mit dem geeinten Feindbild Israel? 
       
       Es gibt wahrscheinlich derzeit keinen Araber, der Israels aktueller Politik
       irgend etwas abgewinnen kann. Allerdings ist das ein pragmatisch denkendes
       und handelndes Bürgertum, das sich zwar daran stört, wenn mit zweierlei Maß
       gemessen wird, sobald Israel im Spiel ist: vom Recht auf Atomwaffen über
       UN-Sanktionen bis hin zum Erdgas, das Israel zu einem Drittel des
       Weltmarktpreises aus Ägypten bezieht. Das ist ja eine indirekte Subvention.
       
       Die wird es nicht mehr geben? 
       
       Davon ist auszugehen. Aber ich glaube nicht, dass von denen irgendjemand
       bereit wäre, einen Krieg vom Zaun zu brechen. Das sind Experten, die haben
       viele Juristen in ihren Reihen - und ein ausgeprägtes Bewusstsein, dass
       Verträge zu halten sind.
       
       4 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Benno Schirrmeister
       
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