# taz.de -- Trotz Mega-Kohlekraftwerk: Hamburg wird European Green Capital
       
       > Obwohl Hamburg das Kohlekraftwerk Moorburg baut, darf sich die Stadt
       > dieses Jahr "European Green Capital" nennen. Eine Analyse, wieso die
       > Stadt trotzdem gewann.
       
 (IMG) Bild: Baustelle des Kohlekraftwerks Moorburg.
       
       Das Thema Umwelt- und Ressourcenschutz hat im Hamburger
       Bürgerschaftswahlkampf einen schweren Stand. SPD und CDU überbieten sich in
       Hafen- und Wirtschaftsfreundlichkeit. Dass die Grün-Alternative-Liste (GAL)
       es wagt, eine weitere Elbvertiefung in Frage zu stellen, gilt ihnen als
       Ausweis mangelnden Realismus. Mit Öko-Argumenten, so scheinen die beiden
       ehemaligen Volksparteien zu denken, ist kein Blumentopf zu gewinnen. Dabei
       hat Hamburg ausgerechnet in diesem Jahr von der EU-Kommission den Titel
       "Umwelthauptstadt Europas" erhalten.
       
       Ausgewählt unter 35 Bewerbern – von Riga bis Valencia – soll Hamburg
       Vorbild sein für andere Kommunen, sich nachhaltig zu entwickeln. Zugleich
       verpflichtet die Auszeichnung Hamburg zumindest moralisch, selbst noch mehr
       zu tun für den Umwelt- und Ressourcenschutz. Da liegt noch manches im Argen
       und einiges ist schlechter, als es sich der Analyse der EU darstellt.
       
       Verblüffen wird Beobachter, dass Hamburg beim Klimaschutz gar nicht so
       schlecht abschneidet. Die Diskussion in der Stadt wird beherrscht vom
       Streit über das riesige Kohlekraftwerk Moorburg, das den CO2-Ausstoß um die
       Emissionsmenge Boliviens erhöhen wird. Das Kraftwerk ist noch nicht fertig
       und wird deshalb von den EU-Juroren ignoriert.
       
       Ohnehin akzeptierte die Jury, dass Hamburg beim Strom den CO2-Ausstoß pro
       Kilowattstunde bezogen auf den bundesweiten Strommix angab. Der Senat
       argumentiert, Hamburg werde den Moorburg-Strom nicht selbst verbrauchen,
       sondern ins europäische Netz einspeisen. Welche Art von Strom in der Stadt
       verbraucht wird, bestimmen dann die Hamburger. Die öffentlichen
       Einrichtungen und viele öffentliche Betriebe beziehen seit Jahresbeginn
       Ökostrom.
       
       Lobend vermerkte die Jury, dass Hamburg in den vergangenen zehn Jahren
       65.000 Wohnungen wärmesanierte, der Stromverbrauch der Haushalte und des
       Kleingewerbes sank und 36.000 Quadratmeter Sonnenkollektoren auf die Dächer
       geschraubt wurden – alles mit Hilfe staatlicher Programme. So gerechnet ist
       der CO2-Ausstoß pro Kopf zwar mit 8,8 Tonnen pro Kopf hoch, aber in den
       vergangenen 15 Jahren um 25 Prozent gesunken.
       
       Beim Thema Verkehr darf sich Hamburg unter den acht Finalisten mit den
       meisten Kilometern Radwege und Radfahrstreifen pro Kopf und dem vierten
       Rang bezogen auf die Fläche brüsten. Wer in der Stadt mit dem Fahrrad
       unterwegs ist, hätte der Jury geraten, doch auch mal auf die Qualität der
       Radwege zu achten, die zum Teil katastrophal ist, auch wenn in jüngster
       Zeit Verbesserungen in Angriff genommen wurden.
       
       Zwei überraschende Zahlen aus der Umweltbilanz: 40 Prozent der Wege, die
       kürzer als fünf Kilometer sind, legen Hamburger zu Fuß zurück, 34 Prozent
       mit dem Auto und nur elf Prozent mit Bus oder Bahn. Dabei muss kein
       Hamburger weiter als 300 Meter zur nächsten Haltestelle gehen. In Stockholm
       hingegen, der Umwelthauptstadt 2010, die unter denselben 35 Kandidaten
       ausgewählt worden war, fahren nur acht Prozent mit dem Auto.
       
       Beim Thema Flächenverbrauch hat sich Hamburg erfolgreich um die Darstellung
       der Dynamik gedrückt: Die Frage, welcher Anteil an Neubauten auf der grünen
       Wiese errichtet wurde, ließ der Senat unbeantwortet. Dabei hat er in den
       Jahren 2002 bis 2007 jährlich an die 300 Hektar bebauen lassen. Als
       nachhaltig gelten knapp 70 Hektar.
       
       9 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
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