# taz.de -- Besuch bei Deutscher Flugsicherung: Der Himmel auf dem Reißbrett
       
       > Bei der Deutschen Flugsicherung in Frankfurt (Main) denken sich die
       > Planer aus, über welchen Brandenburger und Berliner Köpfen es laut wird.
       > Ihre neuen Vorschläge wollen sie nun diskutieren lassen.
       
 (IMG) Bild: Freut sich auch über klare Verhältnisse: Fluglotsin der DFS
       
       Der Himmel über Berlin wird an Robert Ertlers Schreibtisch geplant. Der
       hoch gewachsene Mann hat großformatige Kartenausschnitte der südlichen
       Region und Potsdams vor sich ausgebreitet. Dicke rote Striche führen in
       Kurven und Windungen von einem zentralen Punkt weg, dem künftigen
       Großflughafen Berlin Brandenburg International (BBI). "Mir tut es für jeden
       Einzelnen leid, der unter einer An- oder Abflugroute leben muss", sagt
       Ertler. Irgendwo aber müssten die Flugzeuge fliegen. Ertlers Job ist es,
       die Variante zu finden, die die wenigsten Menschen zu Lärmopfern macht.
       
       Der einstige Fluglotse und studierte Informatiker hat dafür einen Stab von
       Tüftlern, Planern und Computerfachleuten der Deutschen Flugsicherung (DFS)
       um sich. In hellen, durch Glasscheiben voneinander getrennten Büros sitzen
       sie in der Konzernzentrale in Langen bei Frankfurt/Main. Am Waldrand im
       Gewerbegebiet, 20 Autominuten weg vom Flughafen, hunderte Kilometer
       entfernt von Blankenfelde. Ertler wird den Zorn aus der
       BBI-Anrainergemeinde nicht hören, den die Bürger nach den jüngst bekannt
       gewordenen Flugrouten-Alternativen wohl lautstark kundtun werden:
       Diskutiert wird, auf der nördlichen Bahn in Richtung Westen geradeaus zu
       fliegen. Damit würde der Berliner Süden, würden Stahnsdorf und Teltow
       entlastet. Für die Blankenfelder hingegen gewinnt die Alternative "Umzug"
       deutlich an Attraktivität: Sie bekämen bei dieser Variante nicht nur den
       kompletten Anfluglärm, sondern auch das Abfluggedröhne in niedrigster Höhe
       mit.
       
       Noch ist nichts entschieden, noch geht es um Grobentwürfe, zu diskutierende
       Vorschläge, zig zu durchlaufende Gremien. Es ist indes wahrscheinlich, dass
       es irgendwie so kommen wird - der bürgerliche Aufschrei im Berliner Süden
       war zu laut, zu nachhaltig, zu gut organisiert, als dass er ignoriert
       werden könnte. Die Blankenfelder machen zwar seit Jahren auf ihre prekäre
       Situation aufmerksam, sind aber noch nie wirklich gehört worden. Ertler,
       der Planer, hätte es gern anders gewollt. Er hatte auf die Karte geschaut,
       als der Auftrag zur Flugroutenplanung für den BBI kam, und die Lage von
       Blankenfelde und Mahlow gesehen. "Die umfliegen wir, sonst wird es für sie
       unzumutbar", dachte er und plante entsprechend.
       
       DFS-Chef Dieter Kaden bekennt, dass er mit Protest nicht gerechnet habe.
       "Wir haben unterschätzt, inwieweit unser erster Vorschlag zu Turbulenzen
       führen würde", sagt er heute. "Da haben wir dazugelernt." Sie sind eben
       weit weg, die Papierkrieger in ihrer ruhigen Waldrandlage. Behörde sind sie
       offiziell nicht mehr, sondern GmbH - dass ihr Selbstverständnis auch real
       infrage steht, musste die etwa 5.600 Mitarbeiter umfassende DFS in den
       vergangenen Monaten schmerzhaft lernen. Sie stand im Kreuzfeuer der Kritik
       nach Bekanntwerden der Flugroutenvorschläge am 6. September. "Wir müssen
       mehr die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick nehmen", bekennt Kaden.
       Er meint damit: sich auch einmal einschalten, wenn man formal nicht dazu
       verpflichtet ist. Die DFS pochte darauf, dass sie nie parallel laufende
       Abflugrouten ins Gespräch gebracht habe - sie hat aber auch nicht den
       Finger gehoben, als Politiker in der Öffentlichkeit genau solche Pläne
       kolportiert hatten. "Das ist nicht unser Job", dachten die
       Glashausstrategen.
       
       Nun also der neue Entwurf, den Ertler und sein Team aus einem Dutzend
       Anträgen der Fluglärmkommission entwickelt haben. Mithilfe des
       Computerprogramms Niros erstellen die Planer Gütewerte für einzelne Raster,
       die Lärmbelastungen widerspiegeln. Sie sind nicht der alleinige Richtwert,
       fließen aber in die Bewertung mit ein. Denkbar ist in Richtung Westen, die
       südliche Startroute abknicken zu lassen (an Blankenfelde vorbei), die
       nördliche zunächst geradeaus zu führen und dann entweder um Potsdam herum
       oder zwischen der Stadt und Berlin hindurch in Richtung Norden zu führen.
       "Da muss jetzt die Fluglärmkommission ein Votum abgeben, ob sie das will",
       sagt Ertler. Die Meinung des Gremiums werde ernst genommen, bindend ist sie
       nicht. Die DFS erarbeitet einen Vorschlag, den sie bis Ende August dem
       zuständigen Bundesaufsichtsamt zur Genehmigung vorlegen will. Geplant ist
       dazu ein Alternativvorschlag - falls die Behörde den ersten Vorschlag
       ablehnt. Die Zeit drängt, Mitte 2012 soll BBI in Betriebgehen.
       
       Auch für die Südbahn im Osten sollen die Routen abgeändert werden. Hier
       kann Ertlers Mannschaft das Münchner Modell prüfen lassen, also längere
       parallele Geradeausflüge als eigentlich genehmigt. So wird es in München
       gemacht, allerdings liegen dort die Flugbahnen weiter auseinander. Kleinere
       Maschinen könnten schon vor Zeuthen eine scharfe Rechtskurve drehen und
       steil aufsteigen, damit sie Fliegern im Landeanflug nicht in die Quere
       kommen. Größere flögen länger geradeaus, sie würden über Eichwalde und
       Zeuthen düsen.
       
       Klingt logisch und einfach. Bleibt die Frage, warum die DFS nicht gleich so
       ein Modell vorgelegt hat? Für Ertler und sein Team war die Betroffenheit
       von Blankenfelde ausschlaggebend; dort, wo die Bürger jetzt wütend auf die
       Straße gehen, würde es in jedem Fall leiser sein, weil die Flieger schon
       viel höher sind. Sein Chef Kaden sagt zu der aufgeregten Diskussion
       zunächst: "Die Karten im September sind nicht von uns veröffentlicht
       worden." Er hätte das Ganze erst gern intern in der Fluglärmkommission
       diskutiert. Dass vorangegangene Bewegungen wie der Anti-Bahnhof-Protest in
       Stuttgart solche Prozesse beeinflussen, das hatte er nicht auf dem Schirm.
       
       Es ist auch nicht so unkompliziert, wie es scheint. Es geht um das Gewicht
       der Flugzeuge, um die Entwicklung von Passagierzahlen, um Kerosinverbrauch
       und die Kombination von Starts und Landungen. Ertlers Job ist gut bezahlt,
       einfach ist er nicht. Worum es nicht gehe, seien öffentliche Aussagen von
       Politikern, wird Dieter Kaden nicht müde zu betonen: "Wir haben einen
       gesetzlichen Auftrag, nämlich den Luftverkehr sicher, geordnet und flüssig
       abzuwickeln", sagt der DFS-Chef.
       
       Es wäre ihm wohl lieb, wenn er mit Bürgerprotest und Politikerattacken gar
       nichts zu tun hätte. Weltfremd vielleicht - oder resigniert: Bei der
       Entscheidung, wohin BBI gebaut werden soll, ist die Flugsicherung damals
       nicht gefragt worden. Das sei vorbei, winkt Kaden ab. Um hinzuzufügen:
       "Berechtigt ist die Frage schon, ob der Standort sinnvoll ist."
       
       16 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kristina Pezzei
       
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