# taz.de -- Angeblicher Filmfund im Bundesarchiv: 3D mit Nazi-Bratwurst
       
       > Regisseur Phillipe Mora glaubt, spektakuläre 3D-Filme aus der NS-Zeit
       > entdeckt zu haben. Die waren Hollywood weit voraus, so Mora. Doch dass
       > unter Hitler mit 3D hantiert wurde, ist ein alter Hut.
       
 (IMG) Bild: Da waren die Nazis weiter: Diese Würste hier gibt's nur eindimensional.
       
       Dass der deutsche Film unter den Nazis technische wie formelle Maßstäbe
       gesetzt hat, um die Kinogänger im Sinne der NS-Propagandamaschine zu
       überwältigen, ist längst Allgemeinplatz. Ein Filmfund sollte nun belegen,
       dass unter der Hitler-Diktatur lange vor Hollywood auf hohem Niveau auch
       mit dem 3D-Format gedreht wurde.
       
       Der französisch-australische Regisseur Philippe Mora wollte laut der
       britischen Tageszeitung [1][Guardian] das verborgene Material im Berliner
       Bundesarchiv ausgegraben haben. Es handele sich dabei um zwei schwarz-weiße
       30-Minuten-Filme, so Mora, die schon im Jahr 1936 produziert wurden, ganze
       16 Jahre bevor das Format erstmals in den USA kurze Popularität erlangt
       hatte, so Mora.
       
       Das stereoskopische Verfahren, wie 3D auch genannt wird, ermöglicht bewegte
       Bilder mit dem Eindruck von räumlicher Tiefe. Bei den Filmaufnahmen werden
       dafür zwei Kameraobjektive benötigt, die eine Filmszene aus leicht
       unterschiedlicher Perspektive aufnehmen. Bei der Filmvorführung müssen die
       Zuschauer entsprechende Brillen aufsetzen, um den 3D-Effekt genießen zu
       können.
       
       Schon die Gebrüder Lumière experimentierten 1895 mit dem Kurzfilm "Die
       Ankunft eines Zuges auf dem Bahnhof in La Ciotat" mit 3D. Der Stummfilm
       "Power of Love" war der erste Langfilm, der mit einer rot-grünen Brille
       gesehen werden konnte. Der erste Tonfilm in 3D war 1936 der italienische
       "Nozze vagabonde". Mit der Veröffentlichung des Films "The House of Wax"
       von André de Toth im Jahr 1953, kam es erstmals zu einer kommerziellen
       Verwertung von 3D durch Hollywood.
       
       Laut Mora zeigt einer der beiden von ihm jetzt gefundenen Filme ein Musical
       mit dem Titel "Zum Greifen nah". Unter anderem sind brutzelnde Bratwürste
       auf einem Grill zu sehen. In "Sechs Mädchen fahren ins Wochenende", dem
       zweiten Film, sieht man Schauspielerinnen, von denen Mora annimmt, sie
       seien damalige Stars der Universum Film, dem während der Kriegszeit
       führenden deutschen Filmstudio.
       
       Mora schwärmt gegenüber [2][Variety.com] von der "fantastischen Qualität"
       der Filme. Er habe sie während der Recherchen zu seinem jüngsten
       Filmprojekt über das Kino unter dem NS-Regime entdeckt. Die Streifen seien
       von einem unabhängigen Studio für das Propagandaministerium unter Joseph
       Goebbels gemacht und als "Raum Film" bezeichnet worden. "Unter dieser
       Bezeichnung werden sie bis heute geführt, was ein Grund dafür sein könnte,
       dass bisher niemand realisiert hat, dass es sich um 3D-Filme handelt", so
       Mora. Der Regisseur glaubt, dass noch weiteres bisher unentdecktes
       3D-Filmmaterial aus dem Dritten Reich in Deutschland oder anderswo gelagert
       sein muss.
       
       Mora meldet nicht zum ersten Mal einen spektakulären Zelluloidfund aus der
       Nazizeit an. Sein zusammen mit dem deutschen Historiker Lutz Becker
       produzierter Film "Swastika" von 1973 zeigte der Öffentlichkeit erstmals
       Farb-Aufnahmen aus dem Privatleben Hitlers, die er in einem Archiv in
       Washington aufgespürt hatte: banale Szenen, gedreht auf dem Obersalzberg
       bei Berchtesgaden vom Diktator persönlich oder seiner Lebensgefährtin Eva
       Braun. Montiert wurden sie mit den damals altbekannten schwarz-weißen
       Wochenschauaufnahmen von jubelnden Menschenmengen bei öffentlichen
       Auftritten von Nazigrößen, aber auch mit Kriegsberichterstattung und
       Aufnahmen aus den KZs.
       
       Seinerzeit kam es aufgrund der fehlenden Kommentierung der Bilder zu einer
       heftigen Kontroverse um die Seriosität von "Swastika". Dessen
       anthropologische Perspektive wollte es dem Zuschauer überlassen, sich
       selbst ein Urteil über die filmischen Inszenierungen und Manipulationen der
       Nazidiktatur zu bilden. Nach seiner Uraufführung auf dem Filmfestival in
       Cannes, die in Tumulte im Kinosaal mündeten, fand sich aber kein Verleih,
       der den Film in Deutschland in die Kinos bringen wolle. Erst 2010 wurde er
       hierzulande vorgeführt, lange nachdem die Homemovies von Hitler und Braun
       in anderen Zusammenhängen dem deutschen Publikum bekannt gemacht wurden,
       und das Zeigen der spießigen Normalität von Hitlers Privatleben längst
       keine Befürchtungen mehr auslöste, dies könnten die Tatsache des
       verbrecherischen Charakter der Diktatur verzerren.
       
       Ein seltsamer Zufall aber, dass die 3D-Filme ausgerechnet zu einem
       Zeitpunkt zu Tage gefördert werden, da nach James Camerons Blockbuster
       "Avatar" eine neuerliche Welle von 3D-Produktionen in die Kinosäle gelangt,
       von denen einige auch auf der gerade laufenden Berlinale gezeigt werden.
       Ihre letzte Blüte hatte die Filmtechnik in den 80er-Jahren. Mora glaubt,
       die Existenz der beiden 35 mmm-Filme würde bestätigen, dass die
       Nazi-Filmpropaganda auch auf diesem Gebiet der Konkurrenz um Jahrzehnte
       voraus gewesen sei.
       
       Dass in Nazideutschland mit dem stereoskopischen Film hantiert wurde, war
       aber bisher nicht unbekannt. Auf [3][Wikipedia] lässt sich nachlesen, dass
       am 27. Mai 1937 mit "Gartenschau in Dresden" sogar ein erster kurzer
       3D-Farbfilm uraufgeführt wurde. Ein halbes Jahr später gelangte ein
       Werbefilm der Boehner-Film, Dresden, für die
       Volksfürsorge-Lebensversicherung auf die Leinwand. Dieser trug den Titel
       "Zum Greifen nah". Wer kommt da nicht ins Grübeln.
       
       Die Meldungen von dem angeblichen Fund hat schließlich das Bundesarchiv
       selbst auf den Plan gerufen. Archivmitarbeiterin Martina Mühl-Werth stellt
       klar, dass hier ein "alter Hut" aufgebauscht werde. Die Story der
       Entdeckung, so nimmt sie an, solle die Aufmerksamkeit auf Moras Projekt
       über die Nazifilmpropaganda lenken. Freilich gebe es diese Filme im Archiv,
       sie wären aber keinesfalls verstaubt in der Ecke vergammelt, weil die
       Archivare unfähig gewesen seien, die Bezeichnung "Raumfilm" richtig zu
       deuten. Und Werth-Mühl bestätigt: Auch in dem Film für die
       Volksfürsorge-Lebensversicherung brutzeln Bratwürste.
       
       Mühl-Wert verweist auf die umfassende Publikation zum Thema und auf die
       Tatsache, dass sich 1980 sogar die Retrospektive der Berlinale dem frühen
       deutschen 3D-Film widmete, den selbst die Wehrmacht für militärische Zwecke
       weiterzuentwickeln versuchte. Die hohe technische Qualität der von Mora im
       Archiv vorgefundenen Filme führt sie allerdings auf die
       Restaurierungsarbeit der Archivmitarbeiter zurück. Und Mora prophezeit sie,
       sollte er sich auf die Suche nach weiteren verschollenen 3D-Filmen machen,
       würde er womöglich in nicht allzulanger Zeit völlig entkräftet vor einer
       Magazintür gefunden werden.
       
       Damit scheint der sensationelle Fund als Flunkerei entlarvt zu sein. Mora
       allerdings müsste aus seiner langjährigen Beschäftigung mit der
       NS-Propagandamaschine wissen: An die Lügenkunst der Nazis kommt so schnell
       keiner ran.
       
       OP
       
       17 Feb 2011
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.guardian.co.uk/film/2011/feb/16/nazi-3d-films-discovered?INTCMP=SRCH
 (DIR) [2] http://www.variety.com/article/VR1118032274
 (DIR) [3] http://de.wikipedia.org/wiki/3D-Film
       
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 (DIR) Kino
       
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