# taz.de -- Siegesfeiern in Kairo: "Besucht Ägypten!"
       
       > Hunderttausende feiern in Kairo die Revolution, gedenken der 365 Toten
       > und fordern das Militär zu Reformen auf. Die Stimmung ist entspannt und
       > freudig.
       
 (IMG) Bild: Volksfeststimmung auf dem Tahrir-Platz nach dem Freitagsgebet.
       
       KAIRO taz | "Du musst dir mal deine Haare schneiden lassen", meint ein
       Offizier am Eingang zum Tahrir-Platz zu einem Jugendlichen im Afrolook. Der
       sieht ihn verblüfft an, bevor der Offizier in Lachen ausbricht, bevor er
       noch ein blumig Arabisches "Der Platz ist von dir erleuchtet", hinzufügt.
       Die Atmosphäre zwischen Demonstranten und Soldaten ist entspannt.
       
       Drinnen herrscht Volksfeststimmung in den ägyptischen Nationalfarben
       Rot-Weiß-Schwarz, die als Stirnbänder, Flaggen, Mützen feilgeboten werden.
       Manche tragen auch einfach nur Kleidungsstücke in passenden
       patriotisch-revolutionären Farben.
       
       Beim Freitagsgebet wird es eng auf dem Platz. Mehrere Hunderttausende knien
       nach einer revolutionären Predigt des Fernsehscheichs Youssef
       al-Qaradawiin, mit der er den Tunesiern gedankt und der Toten gedacht hat,
       zum Gebet nieder, während weiter Menschen auf den Platz strömen.
       
       Nach dem Gebet erschallt ein neuer Ruf über den Platz. Statt "Das Volk will
       den Sturz Mubaraks" heißt es nun: "Das Volk will eine Änderung des
       Systems."
       
       Bislang ist das Militär den Demonstranten in einigen Punkten
       entgegengekommen. Es hat das durch Wahlbetrug zusammengekommene Parlament
       aufgelöst und die auf Mubarak maßgeschneiderte Verfassung ausgesetzt. Nun
       sollen zunächst sechs Artikel verändert werden. Zudem hat das Militär am
       Donnerstag vier hochrangige ehemalige Minister verhaften lassen, darunter
       den verhassten Exinnenminister Habib Adli.
       
       Aber die Demonstranten fordern mehr. Sie wollen, dass die Vertreter des
       alten Regimes aus allen Schaltstellen des Staates entfernt werden. Die
       Koalition der Revolutionären Jugend, ein loses Bündnis der Gruppierungen,
       die den Aufstand angezettelt hatten, fordern auch, dass für die
       gegenwärtige Regierung, die in den letzten Tagen Mubaraks eingesetzt worden
       war, bald durch eine neue Übergangsregierung ersetzt wird, in der kein
       Vertreter des alten Regimes mehr sitzt.
       
       Außerdem fordern sie eine Untersuchung, wer für die Todesopfer der
       18-tägigen Revolte verantwortlich ist - laut Gesundheitsministerium kamen
       dabei mindestens 365 Menschen ums Leben und wurden 5.600 verletzt.
       
       Ferner verlangen die Jugendlichen, denen es bislang an einer verbindlichen
       politischen Organisation fehlt und die nun Angst haben, von bestehenden
       Oppositionsparteien vereinnahmt zu werden, de Ausnahmezustand zu beenden.
       Und sie haben sich den Forderungen zahlreicher Streiks angeschlossen, die
       überall im Land ausgebrochen sind.
       
       Ein Regierungsbericht schätzt die Verluste im Tourismus auf 10 Milliarden
       Dollar. Das wissen auch die Demonstranten. Am Freitag begannen sie auf dem
       Tahrir eine "Besucht-Ägypten-Kampagne".Viele trugen T-Shirts mit der
       Aufschrift: "Unterstützt die Freiheit - Besucht Ägypten!"
       
       18 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karim Gawhary
 (DIR) Karim El-Gawhary
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Militär in Ägypten: Tahrir-Platz in Kairo geräumt
       
       Einen Angriff von Mubarak-Getreuen nimmt das Militär zum Anlass, den hoch
       symbolischen Ort von Dauer-Demonstranten zu räumen. Die Reaktionen sind
       gespalten.
       
 (DIR) Revolution in Ägypten: Neue Regierung nimmt die Arbeit auf
       
       Die Schlüsselressorts der umgebildeten ägyptischen Regierung wie
       Verteidigung und Justiz bleiben unverändert. Aber zum ersten Mal sind
       Oppositionelle und christliche Kopten dabei.
       
 (DIR) Kommentar Arabische Revolution: Das Morgenland wacht auf
       
       Der Westen steht ratlos vor dem Umbruch in der arabischen Welt. Er muss
       seine außenpolitischen Interessen und Werte besser in Einklang miteinander
       bringen.
       
 (DIR) Kommentar Aufstände in Arabien: Sieg der Sitzblockade
       
       Auch wenn es seine neokonservativen Apologeten behaupten: George W. Bush
       ist nicht der geistige Vater der arabischen Demokratiebewegung.
       
 (DIR) Dossier Arabische Revolution: Fragen von heute und von morgen
       
       Alle wollen eine neue Verfassung. Aber wie soll diese aussehen? Warum
       Ägypten eine Volksversammlung braucht, die alle Kräfte im Land einbindet.
       
 (DIR) Revolution in Ägypten: "Wir leben in einer Militärdiktatur"
       
       Die Generäle spielen nur auf Zeit, meint der Leiter des Züricher Instituts
       für Strategische Studien, Albert A. Stahel. Die Jüngeren in der Armee sind
       unzufrieden.
       
 (DIR) Forscher über Proteste und Social Media: Facebook will kein Revoluzzer sein
       
       Ist Facebook der Star der arabischen Revolten? US-Netzforscher Ethan
       Zuckerman spricht mit der taz über den Einfluss sozialer Medien und die
       Kunst des Zuhörens.