# taz.de -- Gewalt im u-Bahnhof Lichtenberg: Zeugen nicht in Sicht
       
       > Nach dem Überfall auf zwei Maler wird gegen die vier Tatverdächtigen
       > wegen versuchten Raubmordes ermittelt. Polizei beendete
       > Anti-Gewalttraining an der Schule von zwei der jetzt tatverdächtigen
       > Jugendlichen.
       
 (IMG) Bild: Trotz Notrufsäulen ging nach dem Überfall nur eine Meldung bei der Polizei ein.
       
       Eine Woche nach dem Überfall auf zwei Malergesellen im U-Bahnhof
       Lichtenberg hat die Staatsanwaltschaft die Vorwürfe ausgeweitet. Gegen zwei
       der vier Tatverdächtigen werde nun wegen zweifachen versuchten Raubmordes
       ermittelt, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Martin Steltner. Die
       Beschuldigten - ein 14-Jähriger und drei 17-jährige - sitzen seit der Tat
       in Untersuchungshaft. Sie hätten den Mann "ausrauben und verletzen wollen",
       so Steltner. Es hätte jeden treffen können. Zwischen Täter und Opfer habe
       keine Vorbeziehung bestanden.
       
       Der Malergeselle war so stark mit Schlägen und Tritten traktiert worden,
       dass er bewusstlos liegen blieb. Im Anschluss stahlen ihm die Täter sein
       Handy. Seinem Kollegen gelang es, auf die Straße zu entkommen. Ein
       unbekannter Passant vertrieb dort die nachkommenden Täter.
       Überwachungskameras filmten die Tat.
       
       Wer der Passant war, ist bis heute unklar. Auch die anderen Zeugen, die die
       Gewalttat auf dem Bahnhof nachweislich der Aufnahmen beobachtet haben aber
       nicht eingriffen, haben sich bisher nicht bei der Polizei gemeldet. Der
       Malergeselle lag am gestrigen Freitag immer noch im Koma.
       
       Zwei der 17-Jährigen waren Schüler der Lichtenberger "Schule am Rathaus".
       2007 hatte die Operative Gruppe Jugendgewalt (OGJ) der Polizei dort das
       Projekt "Gemeinsam Leistung zeigen" ins Leben gerufen, zusammen mit der
       Schulleitung und mit finanzieller Unterstützung der örtlichen
       Wohnungsbaugesellschaft Howoge. In der Klasse, mit der die Beamten zwei
       Jahre lang ein intensives Anti-Gewalttraining durchführten, befand sich
       einer der Tatverdächtigen.
       
       Anlaß für die intensive Betreuung war eine Häufung von Gewaltvorfällen an
       der Schule. Die "von der Polizei üblicherweise angebotenen
       Präventionsveranstaltungen" hätten nicht ausgereicht, so ein
       Polizeisprecher zur taz. Daher sei es "zu diesem außergewöhnlichen Projekt"
       gekommen. Polizisten könnten aber "nicht dauerhaft die Arbeit von Pädagogen
       und Sozialarbeitern übernehmen." 2009 wurden die Beamten abgezogen.
       
       Lehrkräfte führten das Präventionsprojekt an der Schule fort, "aber eben
       ohne die Polizisten", bedauert Schulleiterin Petra Jäger. Die Tat der
       17-Jährigen will sie mit dem Abzug der Polizisten nicht direkt in
       Verbindung bringen. "Aber es ist wichtig, dass Schüler sich Männern
       anvertrauen können, die von außerhalb kommen", sagt sie.
       
       Nach Informationen der taz lebt der 17-jährige, der bis jetzt die Schule
       besuchte, allein. Seine Mutter war im November nach Kenia zurückgekehrt.
       Ein Bekannter habe gelegentlich nach dem Jungen gesehen. Der Schüler sei
       "in der Schule in keiner Weise auf diese Art auffällig" gewesen, so Jäger:
       "Wir waren guter Hoffnung, dass er einen Abschluss schafft."
       
       Der Bezirk werde den Opfern Hilfe anbieten, kündigte Lichtenbergs
       Bürgermeisterin Christina Emmrich (Linkspartei) an. Den Abzug der
       Polizeibeamten aus dem Anti-Gewalt-Projekt an der Schule habe sie damals
       sehr bedauert. "Das waren tolle, engagierte Leute. Auch die Schüler gaben
       sich viel Mühe". Emmrich fordert, an Schulen wieder verstärkt
       Präventionsarbeit zu leisten.
       
       Das Projekt damals fortzusetzen "hätte unseren Rahmen gesprengt", sagen
       Polizisten. "Da müssen andere ran". Mit Sorge beobachte man in
       Polizeikreisen, dass Teile von Politik und Medien stets Einwanderer für
       Gewaltvorfälle wie diesen verantwortlich machen. Dass Jugendliche gemeinsam
       über Schwächere herfielen, sei aber kein ethnisches Problem.
       
       "So bedauerlich es ist - das passiert in allen Großstädten Europas", sagen
       Beamte. "Das betrifft die gesamte Gesellschaft". Und noch etwas stimme
       bedenklich: "Wo bleibt die Zivilcourage"?
       
       18 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Plutonia Plarre
 (DIR) Alke Wierth
       
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