# taz.de -- Finanzchaos in der Elfenbeinküste: Afrikas schwarzes Schaf
       
       > Die Elfenbeinküste steckt in der Krise. Der verhinderte Wahlsieger
       > Ouattara hat ein Exportverbot für Kaffee und Kakao verfügt und Verlierer
       > Gagbo transferiert Geld ins Ausland.
       
 (IMG) Bild: Warten: Kunden einer Bank in Abidjan.
       
       Je länger der Konflikt in der Elfenbeinküste andauert, desto schlechter
       werden die ökonomischen Aussichten für das Lager des bisherigen Präsidenten
       Laurent Gbagbo. Der bisherige Machthaber, der seine Niederlage bei den
       Präsidentschaftswahlen vom 28. November 2010 nicht anerkennt aber faktisch
       weiter regiert, ist den schärfsten internationalen Sanktionsmaßnahmen gegen
       ein afrikanisches Land seit den Zeiten der Apartheid in Südafrika
       unterworfen.
       
       Jüngstes Indiz: Der weitgehende Zusammenbruch des ivorischen Bankensystems.
       Die wichtigsten in der Elfenbeinküste tätigen Banken haben ihre Arbeit
       eingestellt, weil kein internationaler und kein Interbank-Zahlungsverkehr
       mehr gewährleistet ist.
       
       Der Grund dafür ist, dass die Westafrikanische Wirtschafts- und
       Währungsunion UEMOA, die den auch von der Elfenbeinküste genutzten
       gemeinsamen CFA-Franc der frankophonen Länder Westafrikas verwaltet, ebenso
       wie alle anderen panafrikanischen Organisationen nicht mehr Gbagbo als
       Präsidenten anerkennt, sondern Alassane Ouattara, den auch international
       bestätigten Sieger der Präsidentschaftswahl. Die UEMOA-Zentralbank BCEAO
       hat daher Gbagbos Elfenbeinküste faktisch aus ihren Reihen ausgeschlossen.
       
       Zunächst hatte die BCEAO Gbagbo nach der umstrittenen Wahl noch als
       Schwarzkasse gedient, weil ihr Gouverneur Philippe-Henri Dacoury-Tabley,
       ein Ivorer, mit Gbagbo befreundet war und zwischen dem 23. Dezember und dem
       17. Januar rund 150 Millionen Euro an Gbagbo überwies - entgegen geltender
       BCEAO-Beschlüsse. Am 14. Januar dann setzte die EU Dacoury-Tabley auf ihre
       Sanktionsliste, und auf einem UEMOA-Gipfel in Mali am 22. Januar reichte
       der Gouverneur seinen Rücktritt ein.
       
       Wenige Tage später schloss die BCEAO-Filiale in Abidjan ihre Pforten,
       woraufhin Gbagbo sie besetzen ließ und die darin befindlichen
       Bargeldbestände beschlagnahmte. Die Elfenbeinküste ist jetzt vom
       Zahlungsverkehr im UEMOA-Wirtschaftsraum abgeschnitten, Banken im Land
       können ohne Zentralbank kein Bargeld aus Reserven mehr beschaffen und keine
       Transaktionen untereinander mehr vornehmen.
       
       Am 14. Februar begannen daher die wichtigsten Banken des Landes, ihre
       Tätigkeit einzustellen. Als erste schlossen die "Internationale Industrie-
       und Handelsbank der Elfenbeinküste" (Bicici), Teil der französischen
       BNP-Paribas-Gruppe, sowie die US-amerikanische Citibank ihre Pforten in
       Abidjan. Es folgten drei Tage später die britische Standard Chartered und
       die französische Société Générale (SGBCI), die größte Bank des Landes.
       Zugleich schloss die Abidjaner Börse. Bei den wenigen noch funktionierenden
       Bankhäusern versuchten Ende letzter Woche panische Konteninhaber, ihre
       Konten zu leeren.
       
       Widerstandswährung 
       
       Radikale Kräfte um Gbagbo erwägen nun die Gründung einer eigenen Währung,
       provisorisch MIR betitelt: "Monnaie Ivoirienne de Résistance" (Ivorische
       Widerstandswährung). Teile der Staatsgehälter sollen in MIR ausgezahlt
       werden, wobei 100 MIR-Francs 1300 alten CFA-Francs entsprechen. Gbagbo
       tritt damit in die Fußstapfen des Simbabwers Robert Mugabe, der zu Zeiten
       des Wirtschaftskollapses in seinem Land ebenfalls begann, Gehälter in
       international nicht anerkannten Coupons zu zahlen.
       
       Es sind Maßnahmen der Verzweiflung, die kaschieren sollen, dass die
       ivorische Wirtschaft - die eigentlich fast die Hälfte der gesamten
       Wirtschaftsleistung des frankophonen Westafrika ausmacht - immer weiter der
       Kontrolle Gbagbos entgleitet. Der Nordteil der Elfenbeinküste steht ohnehin
       unter Kontrolle von Rebellen, die Ouattara als Präsidenten anerkennen.
       
       Aber im Süden des Landes herrscht nun ein Tauziehen zwischen Gbagbo und
       Ouattara um die Kontrolle der ivorischen Exportwirtschaft: Kakao, Kaffee
       und Öl. Die Elfenbeinküste erzielt 15 Prozent ihrer Devisen durch Öl- und
       40 Prozent durch Kakaoexport. Die Elfenbeinküste ist der größte
       Kakaoproduzent der Welt, mit Exporten von 1,2 Millionen Tonnen im letzten
       Jahr, das macht etwa 40 Prozent der Weltproduktion. Die Elfenbeinküste ist
       außerdem der drittgrößte Kaffeeproduzent Afrikas.
       
       Ouattaras Ansage 
       
       Vor einem Monat verhängte der verhinderte Wahlsieger Alassane Ouattara ein
       Exportverbot für Kaffee und Kakao aus der Elfenbeinküste, zunächst für die
       Dauer von einem Monat, aber es soll ab 23. Februar verlängert werden.
       Ouattara, der nach wie vor in einem Hotel von Abidjan unter UN-Schutz
       residiert und nicht regieren kann, hat keine Machtmittel in der Hand, um
       einen solchen Schritt gegenüber der ivorischen Geschäftswelt durchzusetzen.
       
       Aber spiegelbildlich hat Gbagbo keine Handhabe, um das Ausland daran zu
       hindern, Ouattaras Ansage zu folgen. Mehrere Großeinkäufer ivorischen
       Kakaos haben erklärt, keine Ankäufe mehr zu tätigen, beispielsweise die
       US-amerikanische Cargill und die Schweizer Barry Callebout.
       
       Der Exportstopp soll verhindern, dass ausländische Unternehmen Zahlungen
       zugunsten des Gbagbo-Regimes leisten. Alle Mitglieder seines
       Kabinettsbefinden sich inzwischen auf einer Sanktionsliste der EU, die auch
       Kontensperrungen verfügt. Die am 22. Dezember 2010 beschlossenen
       EU-Sanktionen wurden am 14. Januar und erneut am 2. Februar ausgeweitet und
       betreffen inzwischen 91 Einzelpersonen und 13 ivorische Unternehmen, die
       "den Friedens- und Versöhnungsprozess in der Elfenbeinküste behindern".
       
       Schwarze Kassen 
       
       Zu ihnen zählt Marcel Gossio, Direktor des Hafens von Abidjan, außerdem
       Kassoum Fadika, Direktor der staatlichen Ölgesellschaft Petroci, sowie
       Laurent Otto Zirignon, Vorsitzender der staatlichen
       Ölraffineriegesellschaft SIR. Sie alle sollen Gbagbos "illegale
       Administration" finanziert haben. Im Dezember überwies Fadika umgerechnet
       rund 30 Millionen Euro von Petroci-Konten an Gbagbos Staatshaushalt. Damit
       konnte Gbagbo die Staatsgehälter für den Monat Dezember bezahlen.
       
       Die EU-Sanktionen frieren nicht nur Konten und Guthaben dieser Firmen ein,
       zu denen außerdem die ivorische Stromgesellschaft, der Kakaohafen San
       Pedro, die größten ivorischen Banken und die Handelsverbände für Kakao,
       Kaffee und Kautschuk gehären. Sie verbieten auch europäischen Firmen,
       diesen Unternehmen Geld zu zahlen, erklärt Filiberto Ceriani Sebregondi,
       Direktor im diplomatischen Dienst der EU.
       
       Es sollen "keine Gelder oder Ressourcen direkt oder indirekt an oder zum
       Vorteil der natürlichen oder juristischen Personen, die in dieser
       Regulation gelistet sind, zur Verfügung gestellt werden". Das betrifft
       unter anderem den irischen Ölförderer Tullow, die britische Firma Afren und
       die italienische Edison - alles Partner von Petroci in der
       Offshore-Ölförderung der Elfenbeinküste.
       
       Diplomaten in Brüssel bestätigen, dass Gbagbo-Getreue bereits Geld nach
       Libanon und in diverse Steuerparadiese transferieren konnten, weil die
       EU-Beschlüsse wegen der Weihnachts- und Neujahrszeit extrem lange dauerten.
       Gbagbo soll einen Großteil seines Geldes nach Angola geschafft haben. Die
       Ölgesellschaft Petroci ist bereits darauf vorbereitet, Sanktionen zu
       umgehen: Seit Monaten besteht Direktor Fadika darauf, dass seine Kunden
       ihre Zahlungen auf Offshore-Konten überweisen, obwohl das eigentlich
       illegal ist. "Nach zwei, drei, sechs Monaten könnten die Sanktionen Wirkung
       zeigen", sagt Fadika in einem Interview.
       
       Was den Kakao angeht, fallen die Krise und die Sanktionsbeschlüsse in eine
       eher gute Saison. Nach offiziellen Angaben lag die Kakaoernte Ende Januar
       2011 bereits bei 905.000 Tonnen, ein Plus von zehn Prozent gegenüber dem
       Vorjahr; bis zum Abschluss der Ernte im März wird eine Rekordproduktion von
       1,5 Millionen Tonnen erwartet. Zum Zeitpunkt von Ouattaras Exportstopp
       befanden sich zwischen 100.000 und 300.000 Tonnen in den ivorischen Lagern.
       
       Da in der Vergangenheit schwarze Kakaokassen wichtig für die Finanzierung
       Gbagbos waren, dürften die Einnahmen aus den bereits geleisteten Ausfuhren
       ihn eine Weile über Wasser halten. Aber weitere Geschäfte werden schwierig:
       Ankäufer schrecken angesichts der unklaren Lage davor zurück, die üblichen
       Vorauszahlungen zu leisten. In Aussicht auf steigende Lagerbestände im Land
       selbst drücken Zwischenhändler die Produzentenpreise - von 1100 auf 800
       CFA-Franc pro Kilo (von 1,67 auf 1,21 Euro). Außerdem wird immer mehr
       ivorischer Kakao nach Ghana geschmuggelt, von wo aus er legal und risikolos
       exportiert werden kann.
       
       Gbagbo lebt nun von Monat zu Monat. Nach UN-Schätzungen braucht seine
       Regierung monatlich 100 Millionen Dollar, um 104.000 Staatsbedienstete und
       55.000 Soldaten und Polizisten zu bezahlen. Der Staatshaushalt 2011 hat ein
       Volumen von sechs Milliarden Dollar. Die Gbagbo-Regierung verkündete letzte
       Woche neue "Krisensteuern" im Telekom- und Kautschuksektor, um die
       ausfallenden Einnahmen aus anderen Wirtschaftsbereichen zu kompensieren.
       
       Je länger der Machtkampf andauert, desto mehr leidet die ivorische
       Bevölkerung. Die Elfenbeinküste war einst das reichste Land Westafrikas.
       Seit Bürgerkriegsausbruch 2002 hat sie diese Stellung verloren. Der
       Friedensprozess der letzten Jahre, der mit den Wahlen 2010 eigentlich
       vollendet werden sollte, nährte Hoffnungen auf einen baldigen
       Wiederaufstieg. Jetzt herrscht stattdessen Krise pur.
       
       21 Feb 2011
       
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