# taz.de -- Krank durch Arbeit: "Büroschlaf" als Angstwort
> Mittags mal kurz hinlegen? In vielen deutschen Unternehmen undenkbar.
> Obwohl Gesundheitsstörungen und chronische Erschöpfung die Folge sein
> können.
(IMG) Bild: Wenn der Ruheraum fehlt, muss für den Nap zwischendurch auch mal die unbequeme Variante auf der Treppe herhalten.
Schlaf, Glück, Produktivität und Umsatz. Vier Begriffe, die auf den ersten
Blick nicht recht zusammenpassen wollen. Wer sich aber wach und fit auf der
Arbeit fühlt, ist glücklicher als der übermüdete und gestresste Kollege.
Für Unternehmen können also ausgeruhte und damit glückliche und produktive
Mitarbeiter nur von Vorteil sein, steigern sie doch so den Umsatz.
In den USA und einigen europäischen Ländern wie der Schweiz reagieren
Firmen flexibel auf die Erkenntnisse der Wissenschaft und haben längst
Ruheräume für ihre Mitarbeiter eingerichtet. So genannte "Powernaps", kurze
Energie-Nickerchen am Arbeitsplatz, gehören dort zum Büroalltag. Studien
der NASA und aus Griechenland belegen, dass eine kurze Entspannungsphase
von 6 bis 30 Minuten die Leistungsfähigkeit steigert und das Risiko für
Herz-Kreislauf-Erkrankungen senkt.
In Deutschland tut man sich dennoch schwer mit den Ruhephasen für die
Arbeitnehmer. Im Internet kursieren zwar Gerüchte über Ruheräume bei
zahlreichen Unternehmen, etwa bei Hornbach. Auf Nachfrage ergibt sich ein
anderes Bild. So teilt Ursula Dauth, Pressesprecherin der Hornbach-Gruppe
in Deutschland, mit, dass es Einrichtungen wie Ruheräume bei Hornbach nicht
gebe. Irgendwie sei diese Fehlinformationen ins Internet gelangt und man
müsse sie schleunigst korrigieren. Bei IBM Deutschland möchte man offenbar
kein Statement zu der Frage abgeben, weshalb die Mitarbeiter bei IBM in
Zürich schon seit Jahren auf Ruheräume zurückgreifen können, davon in
Deutschland aber nicht die Rede ist. Auf Anfrage per Mail und Telefon
reagierte man nicht.
## Jeder dritte Beschäftigte hält Arbeitsbedingungen nicht mehr stand
Weshalb diese Zurückhaltung? "Die rationale Zeitwirtschaft drängt auf eine
Beschleunigung der Innovations- und Produktionsprozesse, um Kosten- und
Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Leitbild dieser Entwicklung ist die
24-Stunden-7-Tage-Gesellschaft", sagt Dr. Martin Braun vom
Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation. Allerdings
stünden derart zeitlich und räumlich entgrenzte Produktions- und
Konsumsysteme den biologischen Rhythmen des Menschen entgegen.
Auch Schlafforscher gehen davon aus, dass der Wach-Schlaf-Rhythmus des
Menschen zweiphasig ist. So ist unsere Schlafbereitschaft nachts am
höchsten, zeigt aber in den Nachmittagsstunden einen zweiten Gipfel. So
würde mittlerweile jeder dritte Beschäftigte den Anforderungen
chronobiologisch unangemessener Arbeitsbedingungen nicht mehr standhalten.
Chronische Erschöpfungszustände und Gesundheitsstörungen seien die Folgen.
"Untersuchungen zeigen, dass eine Missachtung der biologischen Rhythmen des
arbeitenden Menschen dessen Leistungsbereitschaft, Auffassungsgabe,
Denkvermögen, Reaktionsgeschwindigkeit und Geschicklichkeit einschränken",
so Braun. "Derart ungünstige Vorraussetzungen können bei anspruchsvollen
Tätigkeiten zu gravierenden Folgen führen."
Günstigere Vorraussetzungen findet Arbeitnehmer im Ausland. Allseits
schlafbereit ist man beispielsweise in Japan, denn dort ist der Inemuri -
übersetzt in etwa: anwesend sein und schlafen - kulturell verankert. Wer
sich in Fernost seinem natürlichen Rhythmus in der Öffentlichkeit hingibt,
gilt nicht als Faulenzer. Die Devise lautet: Wer schläft, arbeitet auch
hart. Das Pendant aus Europa dazu ist die Siesta. In den Mittelmeerstaaten
wird zur Mittagszeit Kraft getankt. Der Katalane Fede Busquets erkannte das
geschäftliche Potential im Mittagsschlaf und gründete in Spanien die
Franchise-Kette "Masajes a mil" – Massagen für 1.000 Peseten, inzwischen
sechs Euro. Dabei erhält der Kunde auf Wunsch eine Massage und kann im
Anschluss ungestört 30 Minuten schlafen.
## Angst vor der Öffentlichkeit
Ist die Ablehnung des "Powernaps" also ein deutsches Problem? "Nein", sagt
Mario Filoxenidis. "Denn so wie es 'die Deutschen' nicht gibt, so gibt es
auch nicht die, die den Kurzschlaf grundsätzlich ablehnen." Filoxenidis
gründete in Wien die Firma "Siesta-Consulting" und berät Unternehmen, die
ihren Mitarbeitern die Möglichkeit zum Mittagsschlaf bieten wollen. "Die
ablehnende Haltung dem Powernapping gegenüber ist auch mit der Angst
verbunden, zu stark kritisiert zu werden, wenn es öffentlich empfohlen
wird", sagt der Unternehmer. Man finde aber immer wieder Unternehmen, die
dem Büroschlaf sehr aufgeschlossen gegenüber stünden.
Beim Chemieunternehmen BASF etwa spricht man ganz offen über das
Energienickerchen. Es gäbe zwar keine speziellen Ruheräume oder
Liegemöglichkeiten für Mitarbeiter, allerdings habe man sich in einzelnen
Betrieben eigene Liegemöglichkeiten geschaffen, teilt Pressesprecherin
Alexandra Kutschenreuter mit. "Seit dem Jahr 2008 bietet unser
Gesundheitsförderungszentrum Kurse zum Thema Powernapping an, da
wissenschaftliche Studien belegen, dass sich der Kurzschlaf positiv auf die
Konzentrationsfähigkeit und Produktivität auswirkt."
Die Resonanz auf das Angebot sei sogar so gut, dass man es verstärkt habe.
Beim Heiztechnik-Unternehmen Vaillant setzt man auch auf wissenschaftliche
Erkenntnisse. In Zusammenarbeit mit der Uni Wuppertal startete man dort
schon vor neun Jahren eine Testreihe. Die "Powernapper" schnitten bei
Aufmerksamkeitstests besser ab als ihre Kollegen. Seitdem gibt es im
Call-Center in Gelsenkirchen einen so genannten Silent-Room mit zwei
Kabinen für rund 80 Mitarbeiter. Sicherlich seien zwei Kabinen etwas wenig,
gibt man zu. Wenn man mehr Platz hätte würde man das Angebot erweitern.
Durch den Schichtdienst hätten jedoch auch nicht alle Mitarbeiter
gleichzeitig Pause. Andrea Rojewski, Kaufmännische Leiterin des
Kundenservices bei Vaillant Deutschland vermutet, dass negative
Berichterstattung in der Presse mit Worten wie "Büroschlaf" ein Grund sein
könne, weshalb sich viele Unternehmen immer noch vom Powernap distanzieren.
28 Feb 2011
## AUTOREN
(DIR) Thomas Henning
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