# taz.de -- 83. Oscar-Verleihung: Mehr Respekt vom Meerschweinchen
       
       > Das brave Sichfeiern der einstigen Leitkultur Hollywood war auch für die
       > Geehrten nur mit Ironie zu ertragen. Den besten Spruch brachte die
       > Großmutter von James Franco.
       
 (IMG) Bild: Gemeinschaftlich rezipiert entfalten die Oscars noch Glamour: Public Viewing in Brasilien.
       
       Die Bedeutung der Oscars kann man sehr unterschiedlich einschätzen. Der
       britische Star Colin Firth, der in der Nacht zum Montag in Los Angeles als
       bester Hauptdarsteller ausgezeichnet wurde, brachte seinen Erfolg auf eine
       pointierte Formel: "Ich glaube, meine Karriere hat gerade ihren Höhepunkt
       erreicht."
       
       Der Autor Aaron Sorkin wiederum, der für das beste adaptierte Drehbuch (zu
       "The Social Network") ausgezeichnet worden war, nutzte die Gelegenheit, um
       seine Autorität als Familienoberhaupt wieder aufzurichten: "Rusty Sorkin",
       wandte er sich via Fernsehen an seinen Sohn, "dein Vater ist jetzt ein
       Oscar-Preisträger. Ich verlange künftig mehr Respekt von deinem
       Meerschweinchen."
       
       Das sind zwei Formen von Ironie, mit der man diesem Spektakel begegnen
       kann. Firth sieht es ganz auf eine Karrierelogik bezogen, auf die nicht
       viel zu geben erst die großen Schauspieler ausmacht. Sorkin sieht es direkt
       auf die Wohnzimmer bezogen, in denen die Fernseher stehen, die immer noch
       das wesentlich verbindlichere Medium ausmachen. So war es auch kein Zufall,
       dass im Rahmen der 83. Oscarverleihung zwei Executives eines amerikanischen
       Mainstream-Networks auf die Bühne kamen und stolz verkündeten, dass die
       Oscars entsprechend einem frisch abgeschlossenen Vertrag nun mindestens bis
       2020 auf ABC laufen werden (in Deutschland hatte sich neuerlich Pro7 die
       Rechte gesichert).
       
       ## Arbeit am Mythos
       
       Die Oscars holen Hollywood in die gute Stube, sie stellen die jährliche
       Arbeit an einem Mythos dar, dessen Kern zu verstehen zunehmend schwierig
       wird. Dieser hat eher mit den Roben der Damen zu tun als mit den Szenen aus
       den nominierten Filmen, die selten etwas von dem Glamour erkennen lassen,
       der den Vorläufern im Lauf der Jahre zugewachsen ist. Hollywood war einmal
       amerikanische Leitkultur, daran erinnerte die 83. Gala gleich zu Beginn mit
       einem Verweis auf "Vom Winde verweht", der wie ein Klassikerrezept
       präsentiert wurde, das sich aber eben nicht bruchlos in die Gegenwart
       übertragen lässt.
       
       Wie auch, wenn es sich um eine Gegenwart handelt, in der ein Popstar wie
       Trent Reznor (ausgezeichnet für die Musik zu "The Social Network") seine
       Begegnung mit der Academy als "humbling and flattering" bezeichnet, sich
       also von der Filmwelt zugleich zurechtgestutzt und geschmeichelt fühlt.
       Ewigkeiten scheint es her, dass derselbe Reznor in David Lynchs "Lost
       Highway" den Soundtrack einer fundamentalen Verstörung mitgestaltet hatte.
       Demutsrituale aus angrenzenden kulturellen Systemen waren immer schon ein
       wichtiges Aphrodisiakum für die Oscars, die in diesem Jahr gewöhnlich wie
       lange nicht erschienen. Das lag auch daran, dass niemand ernsthaft versucht
       hatte, für die Präsentatoren James Franco und Ann Hathaway ein Minimum an
       Witz ins Drehbuch zu schreiben.
       
       So brav waren die Oscars seit Jahren nicht moderiert worden, eine der
       besten Pointen kam von der Großmutter von James Franco, die sich erhob und
       rief: "I think I just saw Marky Mark!" Nicht zufällig ist dieser Witz über
       eine frühere künstlerische Identität von Mark Wahlberg auch einer über das
       schnelle Altern der Popkultur, für die Hollywood ein Refugium darstellt.
       
       In einer Nacht, in der von Beginn an die Frage im Raum stand, "was es
       braucht, um einen Film einen All-time-Klassiker werden zu lassen", gewann
       ausgerechnet derjenige, der für diese Frage die uninspiriertesten
       Instantlösungen bereitstellt (persönliches Handicap, nobles Milieu,
       britischer Akzent): "The Kings Speech" gewann die wesentlichen Kategorien,
       darunter auch Beste Regie für Tom Hooper. Als Bester fremdsprachiger Film
       wurde der dänische "In einer besseren Welt" von Susanne Bier gewählt, der
       in drei Wochen in Deutschland starten wird.
       
       Bester Dokumentarfilm wurde Charles Fergusons "Inside Job", eine plausible
       und angemessen polemische Rekonstruktion der jüngeren Krisen des
       Finanzkapitalismus. Die kurze Redezeit nutzte der Regisseur zu einer
       Anklage: Drei Jahre ist der Blick in den Abgrund des Kapitalismus her, bis
       dato wurde kein einziger der "Betrüger" gerichtlich zur Verantwortung
       gezogen. Im Rahmen der 83. Oscars wurde das mit ironischer Gelassenheit als
       der eine "politische" Moment verbucht, der eben dazugehört.
       
       28 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bert Rebhandl
       
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