# taz.de -- Aufstand in Libyen: "Gaddafi droht lebenslange Haft"
       
       > Der Internationale Strafgerichtshof prüft die aktuelle Lage in Libyen.
       > Dabei geht es vor allem um Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sagt der
       > Völkestrafrechtler Kai Ambos.
       
 (IMG) Bild: Sie wollen ihn nicht mehr sehen: Demonstranten in Sawija mit einem Poster von Staatschef Muammar al-Gaddafi.
       
       taz: Herr Ambos, Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag
       soll die aktuelle Situation in Libyen prüfen. Das hat der UN-Sicherheitsrat
       am Samstag in New York beschlossen. Was passiert jetzt in Den Haag? 
       
       Kai Ambos: Der IStGH-Chefankläger Luis Moreno Ocampo wird ein Ermittlerteam
       zusammenstellen, das den Fall untersucht. Eventuell müssen erst Leute
       eingestellt werden, die Arabisch sprechen. Wenn es möglich ist, werden die
       Ermittler vor Ort arbeiten.
       
       Und wenn nicht? 
       
       Dann müssen sie Flüchtlinge, Journalisten und andere Zeugen befragen sowie
       schriftliche Quellen auswerten. Wenn die Ermittlungen einen dringenden
       Tatverdacht ergeben, wird wohl Anklage erhoben. Falls zu erwarten ist, dass
       sich die Beschuldigten nicht stellen, dürfte auch ein internationaler
       Haftbefehl erlassen werden.
       
       Welche Taten soll der Chefankläger Luis Moreno Ocampo konkret untersuchen? 
       
       Moreno Ocampo soll nicht die gesamte Gaddafi-Ära in Libyen aufarbeiten,
       sondern nur die Ereignisse ab dem 15. Februar - also den Umgang des Regimes
       mit den jüngsten Massenprotesten.
       
       Kann der Gerichtshof wegen Mord und Totschlag verurteilen? 
       
       Nein. Der IStGH ist nur für bestimmte Delikte zuständig, zum Beispiel für
       Völkermord und Kriegsverbrechen. In Libyen kommen vor allem Verbrechen
       gegen die Menschlichkeit in Betracht. Zu prüfen ist dabei, ob es
       systematische oder weit verbreitete Angriffe auf die Zivilbevölkerung
       gegeben hat und Funktionsträger des Regimes dafür verantwortlich sind.
       Vieles spricht dafür, dass sich dies beweisen lässt.
       
       Welche Strafe droht Gaddafi und Konsorten? 
       
       Die maximale Strafe in Den Haag ist lebenslange Haft, die mindestens 25
       Jahre lang vollstreckt werden muss.
       
       Wie schnell ist mit einer Anklage zu rechnen? 
       
       Hier geht es nicht um einige Tage, sondern eher um einige Jahre. Zum
       Vergleich: Der UN-Sicherheitsrat hat 2005 den IStGH beauftragt, die
       Situation in der sudanesischen Krisenprovinz Darfur zu überprüfen. 2007 gab
       es Haftbefehle gegen zwei Minister der sudanesischen Regierung. Erst im
       März 2009 kam ein weiterer Haftbefehl gegen den Präsidenten Omar Hassan
       al-Bashir hinzu, der bisher aber noch nicht vollstreckt werden konnte.
       
       Wird die Einschaltung von Den Haag den Konflikt anheizen oder eher
       eindämmen? 
       
       Ich hoffe, dass dieser Schritt zu einer gewissen Mäßigung führt. Es gab am
       Wochenende schon erste Stimmen aus dem Regime, die für eine gewaltfreie
       Lösung plädierten.
       
       Was passiert mit dem Verfahren in Den Haag, wenn die Opposition in Libyen
       die Macht übernimmt und einen neuen Staat aufbaut? 
       
       Grundsätzlich ist der IStGH nur zuständig, wenn die nationale Strafjustiz
       unwillig oder mit der Strafverfolgung überfordert ist. Wenn eine neue
       libysche Regierung die Ereignisse der letzten Wochen im Land selbst
       aufarbeiten will, kann sie das Verfahren in Den Haag jederzeit mit einem
       Einspruch stoppen, wenn er von eigenen ernsthaften Ermittlungen begleitet
       wird.
       
       Hat Sie die Überweisung nach Den Haag überrascht? 
       
       Überraschend fand ich vor allem, dass sie einstimmig erfolgte. Auch
       Staaten, die dem Gerichtshof skeptisch gegenüberstehen, wie vor allem
       China, Russland und Indien, haben dafür gestimmt. Die USA sind unter Obama
       ohnehin viel Gerichtshof-freundlicher geworden. Der IStGH ist damit
       endgültig zu einem anerkannten Faktor der Weltpolitik geworden.
       
       28 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Rath
       
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