# taz.de -- Interview mit Daniel Domscheit-Berg: "WikiLeaks ist Teil des Establishments"
       
       > Internet-Aktivist Daniel Domscheit-Berg über den Underground-Faktor der
       > Hackerszene, die Popularisierung von WikiLeaks und die Chancen für sein
       > neues Projekt OpenLeaks.
       
 (IMG) Bild: "Ich zähle mich mehr zur Geek-Ecke": Daniel Domscheit-Berg.
       
       taz: Herr Domscheit-Berg, würden Sie die Hacker-Szene dem Underground
       zuordnen? 
       
       Daniel Domscheit-Berg: Es gibt bestimmt Teile dieser Kultur, die man dem
       Underground zuordnen kann. Aber ich glaube, gerade die Hacker-Community ist
       extrem breit aufgestellt, also vor allem auch sehr heterogen, was die Leute
       betrifft. Ich würde sagen, dass das sowohl im Untergrund als auch oben
       drüber abläuft. Gerade das ist eine der Stärken dieser ganzen
       Angelegenheit: Dass sie eben in allen Gesellschaftsbereichen zu finden ist.
       
       Welcher Teil davon gehört Ihrer Meinung nach definitiv zum Underground? 
       
       Vieles von dem, was mit Security, Analyse und Research zu tun hat, läuft im
       Untergrund ab, und es gibt bestimmt auch eine politische Kultur, die dazu
       gehört. Aber die Abgrenzung ist echt schwierig. Ich würde zum Beispiel
       "Anonymous" niemals der Hackerkultur zurechnen. Das ist eher so ein
       Internetphänomen.
       
       Und wie steht es mit Ihnen selbst? 
       
       Also wir waren bestimmt, auch mit WikiLeaks, zu Beginn ein Teil des
       Untergrunds. Das ist wahrscheinlich immer so. Jede Subkultur ist für eine
       gewisse Zeit im Undergrund. Doch sobald sich das Ganze zu einer handfesten
       Idee etabliert, zu einer Strömung oder Bewegung wird und weiter wächst,
       wird es Teil des Establishments. Das bleibt nicht aus. So ist WikiLeaks
       heute auch ein Teil des Establishments - oder wird gerade ein Teil davon -
       mit einem ganz neuen Verständnis von Transparenz und Whistleblowing.
       
       Ist eine solche Entwicklung denn positiv? 
       
       Es ist immer gut, wenn Sachen nicht im Untergrund passieren, sondern sich
       etablieren und in die Öffentlichkeit gelangen. Das gilt auch für Hacking,
       weil es Themen umfasst, die auch für den Staat von Interesse sind: das
       Verständnis von Technologie, das Bewusstsein über Sicherheitsprobleme oder
       die Möglichkeit einer unabhängigen Kontrolle, wie zum Beispiel durch den
       Chaos Computer Club. Die Etablierung ist wichtig, damit die Mechanismen der
       Gesellschaft zur Verfügung stehen und nicht nur einem kleinen Untergrund,
       der in seinem eigenen System gefangen ist, ohne Schnittstellen zur
       Gesellschaft.
       
       Den Chaos Computer Club kennen Sie selbst sehr gut - vor allem die rote
       Couch im Keller der Clubräume Berlin. 
       
       Der Chaos Computer Club ist eigentlich eine Familie, wenn man so will. Das
       ist eher eine Lebenseinstellung als eine Institution. Aber nur, weil die
       rote Couch im Untergeschoss liegt, ist das trotzdem keine
       Untergrund-Angelegenheit mehr. Das hat sich in den letzten Jahren so
       gewandelt, heute ist er Teil einer etablierten Kultur geworden. Dafür muss
       man sich einfach nur die Besucherzahlen vom jährlichen Chaos Communication
       Congress anschauen. Die steigen exponential an.
       
       Sind Sie noch ab und zu beim Chaos Computer Club in Berlin anzutreffen? 
       
       Ja, die letzten Wochen war ich zwar viel unterwegs, aber eigentlich bin ich
       da schon immer noch zu Gange.
       
       Was zieht die Szene überhaupt in solche Clubräume? 
       
       Ich glaube, wenn man virtuell mit Leuten zu tun hat, dann läuft das früher
       oder später darauf hinaus, dass man auch physisch mit denen zu tun haben
       will - zumindest, wenn man sie leiden kann. Rein virtuell ist das doch
       nicht die volle Befriedigung, zwischenmenschlich betrachtet. Die Räume
       stehen allen möglichen Leuten offen, wodurch auch ein Gemengelage aus den
       verschiedensten Menschen entsteht, die vielleicht sehr unterschiedlicher
       Natur sind, die aber zumindest aufgrund dieser physischen Präsenz die
       Möglichkeit haben, sich so auszutauschen und auch Sachen Face-to-Face zu
       klären.
       
       Sie haben in Ihrem Buch "Inside WikiLeaks" auch das Werk von Julian Assange
       erwähnt, das er 1997 gemeinsam mit Suelette Dreyfus unter dem Namen
       "Underground" publiziert hat. Die beiden Autoren haben den Begriff sehr
       weit ausgelegt und beziehen ihn nach wie vor, wenn auch im Wandel, auf die
       Hacker-Szene. 
       
       Das Problem ist doch Folgendes: Die Qualitäten, die das Ganze in den 1980er
       Jahren hatte, sind gegenüber dem, was in den 1990ern passiert ist und was
       jetzt nach 2000 kam, völlig verschieden. Eigentlich sind das alles komplett
       unterschiedliche Generationen. Und die technische Entwicklung ist so
       schnell, dass das damit auch die Laufzeit einer Generation extrem stark
       verkürzt wird.
       
       Wie muss man sich das vorstellen? 
       
       In den 1980ern hatte ich gerade meinen ersten Computer, mit neun, zehn
       Jahren. Da war ich noch lange nicht so weit, das habe ich nicht miterlebt.
       Für mich ist das so ein Teil der Folklore - oder wie man das auch immer
       nennen möchte. Eben Geschichten von damals. Doch trotzdem war es etwas
       anderes: Die Bedienung eines Computers erforderte viel spezialisiertes
       Wissen; es gab viel weniger Leute, die Zugriff zur Technologie hatten und
       auch die Möglichkeit, sie zu nutzen. Dieser Kreis war soweit eingeschränkt,
       dass es wenige Hobby-Enthusiasten gab. Die aber tendierten wiederum dazu,
       hochspezialisiert zu sein. Und je weiter sich alles mit den Jahren
       etabliert hat, desto schwammiger wird es. Heute gibt es so viele
       Computerbenutzer und Leute, die programmieren oder Apps für irgendwelche
       Telefone schreiben - ohne sagen zu können, dass sie unbedingt ein
       tiefergehendes Verständnis für Computer mitbringen würden.
       
       Mit zehn Jahren hatten Sie also Ihren ersten Computer. Wann folgte der
       Einstieg in die Hackerszene? 
       
       Schwierige Frage. Wann steigt man in die Hackerszene ein? Also ich bin seit
       1992 im Internet. Und seit 1995 recht aktiv im Internet. Eigentlich komme
       ich ja aus dem Rhein-Main-Gebiet. Hier gibt es eine relativ hohe
       Konzentration von lokalen Clubs. Es gibt den Chaos Computer Club in
       Darmstadt und es gibt einen in Gießen/Marburg, da gibt es noch einen in
       Frankfurt, in Wiesbaden. Von daher hatte ich mehr oder weniger lose
       Kontakte zu vielen Leuten in dieser Region.
       
       Gehörten Sie seither zum typischen Nerd, mit schwarzem Shirt, blassem
       Gesicht und großer Brille? 
       
       Ich habe einen ganzen Stapel schwarze T-Shirts. Aber das heißt nicht, dass
       ich immer im T-Shirt anzutreffen bin, oder dass ich besonders "nerdig"
       aussehen muss. Das ist echt unterschiedlich. In der Szene sind Leute dabei,
       die würde man da gar nicht vermuten, genau wie da Leute sind, von denen man
       das schon eher denkt. Außerdem zähle ich mich mehr zur Geek-Ecke. Ich
       finde, der Begriff Nerd hat so einen negativen Touch, ein Nerd ist weniger
       sozialkompatibel. Viele der nerd-typischen Eigenschaften weise ich auch
       nicht unbedingt auf. Ich habe nichts mit Star Trek am Hut oder so.
       
       Wie ist das mit Julian Assange: Haben Sie in ihm den typischen Charakter
       der Hacker-Szene gesehen? 
       
       Ja, sicher. Aber er ist kein Nerd, wenn man so will. Er hat keine schwarzen
       T-Shirts. Das passt jetzt halt gar nicht. Aber er macht halt sein Ding und
       ist vor allem ein sehr systematisch denkender Mensch, der auch technisch
       sehr versiert ist.
       
       Als Sie Assange kennengelernt haben, woher kam Ihre persönliche Motivation
       für WikiLeaks? 
       
       In meinem Job habe ich halt vor mich hingearbeitet und noch so ein paar
       private Projekte am Laufen gehabt, die ich zurückstellen konnte. Und der
       Grund, warum ich das auch getan habe, war ganz einfach das Potenzial von
       der Idee, die hinter WikiLeaks steckt. Ich hielt und halte WikiLeaks für
       einen der Meilensteine in der Entwicklung der Informationsgesellschaft. Wir
       brauchen für die Zukunft ganz andere Antworten auf unser Verständnis von
       der Welt, darauf, wie alles zusammenhängt, und über die Regeln, in denen
       wir leben. Eine dieser grundlegenden Fragen ist die der Transparenz – und
       der Autorität über Information.
       
       Ein Grund, aus dem Teilzeit- einen Vollzeit-Job zu machen? 
       
       Es ist einfach wichtig für mich, an etwas zu arbeiten, das für mich etwas
       Gutes ist und wo ich Nachhaltiges schaffe – irgendetwas Sinnvolles. Ich
       hatte zwar mit meiner Arbeit die volle Befriedigung meiner Neugier und
       meines technischen Horizontes, den ich dort permanent erweitern konnte. Ich
       habe auch sehr große Projekte gemacht, die alle relativ komplex waren. Das
       war eine positive Sache. Trotzdem gab es keine moralische Befriedigung für
       mich. Nichts, wo ich hätte sagen können: Ich habe dazu beigetragen, dass
       die Probleme, die ich tagtäglich wahrnehme, verändert oder gelöst wurden.
       
       Nicht viel später ging es schon aus dem Untergrund in die Öffentlichkeit:
       Wie war das, als Sie und Assange Ihren ersten großen Erfolg in Island
       feiern konnten? 
       
       Das ging ja graduell. Wir haben uns das Schritt für Schritt, mit jedem Tag
       über zwei Jahre erkämpft. Von daher war das nichts, das von heute auf
       morgen umgekippt ist. Das war einfach eine langsam sich vollziehende
       Entwicklung.
       
       Bekommt man Machtgefühle? Wirkt das berauschend? 
       
       Ich würde jetzt mal sagen: Ja, die bekommt man, und: Ja, die berauschen
       einen. Das habe ich nämlich aus erster Hand bei meinem Kollegen (Julian
       Assange, Anm. der Red.) mitkommen. Aber das ist auch abhängig vom
       Charakter. Ich würde das per se nicht so sagen. Ich kann mit Macht
       überhaupt nichts anfangen. Es ist ein Konzept, das nicht meinem Verständnis
       entspricht.
       
       Aber Sie waren immerhin stolz? 
       
       Stolz? Ja, sicher. Das gehört zu den Sachen, die mich antreiben im Leben.
       Mir geht's primär darum, dass ich meine Neugier befriedigen kann und dass
       das, was ich mache, mir neue Horizonte erschließt. Das ist im Idealfall
       etwas, auf das ich stolz zurückblicken kann. Und das kam in Island noch
       viel stärker zum Ausdruck, weil uns einzelne Leute auf offener Straße
       gedankt haben.
       
       In Ihrem Buch beschreiben Sie WikiLeaks als die aggressivste Presseagentur
       der Welt. Assange sieht das anders: Für ihn ist es die Organisation der
       Aufständischen. 
       
       Ich bin wirklich der Meinung, dass die Idee viel zu wichtig ist, als dass
       sie nur im Untergrund existieren darf. Es kann ja nicht permanent darum
       gehen, die Existenzberechtigung dieser Idee zu verteidigen. Es ist ein
       Kampf, bei dem man im Untergrund total ineffizient versuchen muss, nicht
       gestoppt zu werden – oder aufzufliegen. Man muss das in die Mitte der
       Gesellschaft bringen, sodass es einen Kulturwandel gibt. Den hat WikiLeaks
       angestoßen.
       
       War es dann gut oder schlecht, dass WikiLeaks, gekoppelt mit Assange, zum
       Pop-Phänomen wurde? 
       
       Das Problem ist, dass es zu populär wurde. Die Popularität des Themas ist
       super, aber die Popularität des Projekts beinhaltete eine schlechte
       Kombination: Einerseits den Kult, der aus dem Projekt gemacht wird,
       andererseits die Tatsache, dass das Projekt ein paar Designfehler hat, die
       es mit der Zeit korrumpieren.
       
       Ihre Zeit bei WikiLeaks ging dann im Herbst vergangenen Jahres zu Ende. Wie
       war das, von Assange im Chat zu lesen: "You're suspended"? 
       
       Das war zu diesem Zeitpunkt einfach nur komisch, schon fast irgendwie
       ironisch. Ich konnte das gar nicht so richtig ernst nehmen. Deswegen habe
       ich auch direkt laut losgelacht. Es war nur eine weitere Spitze nach schon
       vielen traurigen Spitzen vorher. WikiLeaks ist als Projekt per Definition
       irgendwie Underground, weil es komplett intransparent ist und weil es sich
       selbst im Underground aufhält. Es gibt keine Etablierung des Ganzen, es
       wird im Gegenteil immer schwammiger. Es ist mehr Mythos als irgendwas
       anderes. Von einem Projekt im Underground, in dem es auch keine Hierarchien
       gibt, suspendiert zu werden, ist ja schon fast ein Widerspruch in sich
       selbst.
       
       Sie wurden also nicht suspendiert, sondern sind freiwillig gegangen? 
       
       Ich bin freiwillig gegangen. Rausgeschmissen hat mich überhaupt keiner. Das
       ist halt auch einer der Tricks, mit denen Julian arbeitet. Er stellt alles
       Mögliche im Nachhinein falsch dar. Ich meine, mir ist das egal, aber es ist
       halt faktisch nicht richtig. Sechs von uns haben freiwillig gesagt, wir
       gehen, weil es uns ganz einfach zu blöd wurde.
       
       Es ist Ihnen wirklich egal, was Assange - ein ehemals sehr guter Freund -
       über Sie sagt? 
       
       Ich hab es in den letzten Wochen aufgegeben, mich zu sehr verrückt zu
       machen. Aber mittlerweile sind die Wunden verheilt. Ich habe dieses Kapitel
       für mein weiteres Leben jetzt auch abgeschlossen.
       
       Was konnten Sie letztlich noch von WikiLeaks mitnehmen? 
       
       Ich nehme vor allem drei Dinge mit: Erstens die grundlegende Erkenntnis,
       dass es wichtig ist, sich mit einem solchen Projekt zu etablieren und sich
       ordentlich zu organisieren. Man darf das nicht auf die lange Bank schieben,
       weil es sonst nur zu Problemen führt. Das Zweite ist, dass es besser
       designed sein muss, sodass keine Flaschenhälse entstehen. Man muss den
       Service, den man liefern will, auch skalieren können. Das gilt auch für die
       Nachfrage oder die Nutzung des Angebots. Drittens muss es dezentralisiert
       werden, um die Korruption des Ganzen durch die Konzentration von Macht zu
       verhindern.
       
       Diese Erkenntnisse nutzen Sie heute bei OpenLeaks. Wie würden Sie die Ziele
       Ihres neuen Projekts genau definieren? 
       
       Wir möchten einen effizienten Mechanismus schaffen, mit dem Whistleblower
       die Möglichkeit bekommen, die Öffentlichkeit zu informieren.
       
       Klare Aussage. Aber dann fangen Sie nach WikiLeaks jetzt wieder bei null
       an. 
       
       Nein, wir fangen nicht ganz von vorne an. Wir fangen auf einer soliden
       Grundlage an, die es vorher noch nie gab. Wir haben drei Jahre Erfahrung
       aus WikiLeaks. Und wir haben extrem viel gelernt.
       
       Organisieren Sie sich jetzt besser, mit Büroräumen und Gehältern? 
       
       Würden wir gern, aber dazu fehlt im Moment leider noch das Geld. Wir würden
       zum Beispiel unheimlich gern in das Betahaus Berlin ziehen, einen
       Coworking-Space. Wir hätten gerne einen abgeschlossenen Raum, der nur uns
       zur Verfügung steht. Aber da ist das Raumangebot leider schon etwas
       begrenzter. Und wie gesagt, haben wir bisher keinerlei Finanzausstattung.
       Bis auf die 1.400 Euro, die bisher gespendet wurden.
       
       Das sind langfristige Ziele … 
       
       Vor allem gehen wir Schritt für Schritt. Das ist auch so eine der Lehren
       aus der ganzen Geschichte: Dass man entschleunigen muss, dass man sich
       nicht dem Druck so hingeben darf. Ansonsten passieren Fehler und das Ganze
       entwickelt sich irgendwie falsch.
       
       Und ist OpenLeaks jetzt noch im Underground – oder nicht? 
       
       Also unser Projekt – das ist schwierig zu sagen – ist nicht im Underground.
       Nee. Was ist denn der Nicht-Underground? Aboveground? Wir hoffen einfach,
       dass wir mit unserem Projekt, sobald das am Start ist, in der Mitte der
       Gesellschaft stehen.
       
       Und dazu gehört auch eine Stiftung? 
       
       Da sind wir wieder beim Etablieren dieser ganzen Geschichte. Wir kommen
       nicht um die Frage herum, wie wir uns als Gesellschaft zu den Themen
       Transparenz und Whisteblowing neu aufstellen. Was muss geheim sein, was
       darf nicht geheim sein? Diese Frage erfordert ein paar neue Antworten. Und
       wir sind der Überzeugung, dass es gerade jetzt genug Aufmerksamkeit gibt.
       Jedem ist dieses Thema bewusst, viele haben eine Idee davon, wie positiv
       mehr Transparenz sein kann. Das muss aber noch in irgendeiner Art und Weise
       etabliert werden. Das kann man wahrscheinlich am besten, indem man damit
       beginnt, eine finanziell gut aufgestellte Stiftung aufzubauen, die sich
       dieser Themen annehmen kann. In den nächsten Wochen wird es damit losgehen.
       
       Das klingt nach Stress. Haben sich Ihre Prioritäten nicht leicht
       verschoben, jetzt, wo Sie gerade geheiratet haben und sich auch um den Sohn
       Ihrer Frau kümmern müssen? 
       
       Klar, verschieben die sich. Ich hab jetzt hier einen zehnjährigen Sohn, der
       sich irgendwie freut, wenn ich was mit ihm mache. Aber das heißt nicht,
       dass mir das Andere weniger wichtig geworden wäre. Ganz im Gegenteil. Ich
       habe jetzt sogar einen Grund weiterzumachen. Da leben da auch wieder ganz
       andere Samen auf. Und Anke kommt zur Not einfach mit und setzt sich dorthin
       zum Arbeiten. Und außer, dass ich jetzt nicht mehr im Club schlafen muss,
       wenn ich in Berlin bin, hat sich nichts geändert.
       
       Sie sind seit 19 Jahren online, Sie kennen sich in der Hackerszene aus,
       waren bei WikiLeaks und organisieren das Projekt OpenLeaks: Wie lange
       sitzen Sie eigentlich heutzutage vor dem Bildschirm – und auf welche Art
       von Computer schwören Sie dabei? 
       
       Ich habe immer gehabt und werde immer haben: IBM Thinkpads. Ich verbringe
       natürlich viel Zeit vor dem Computer, bestimmt mindestens zehn Stunden am
       Tag, und befinde mich in permanenter Kommunikation über das Internet. Rein
       kommunikationstechnisch hat sich zwischen mir und meinen Kollegen nichts
       verändert. Das ist bei mir eh schon schwierig, weil ich in den vergangenen
       Jahren eigentlich nur virtuell mit Leuten zusammengearbeitet habe, die ich
       dann punktuell auch mal sehe. Es hat sich zwar in letzter Zeit viel getan,
       aber daran hat sich nichts geändert.
       
       14 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mandy Schünemann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) taz.lab 2011 „Die Revolution haben wir uns anders vorgestellt“
       
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