# taz.de -- Neues Wahlgesetz schließt große Parlamente nicht aus: Landtag XXL
       
       > CDU, SPD und FDP in Kiel einigen sich auf das neue Wahlgesetz. Die
       > Neuwahl ist für den 6. Mai 2012 geplant. Die kleineren
       > Oppositionsparteien kritisieren, dass große Parlamente nicht
       > ausgeschlossen werden.
       
 (IMG) Bild: Könnte bald verfassungskonform gewählt sein: Der schleswig-holsteinische Landtag in Kiel.
       
       KIEL taz | "Wir schnitzen uns ein neues Wahlgesetz", hieß das kniffelige
       Geduldsspiel, das die Abgeordneten des Kieler Landtags in den vergangenen
       Monaten in Atem hielt, nachdem das Landesverfassungsgericht das bisherige
       Gesetz für unrechtmäßig erklärte.
       
       Nun haben sich die Regierungsfraktionen CDU und FDP mit der SPD auf einen
       Kompromiss geeinigt, und damit kann zumindest einer tief Luft holen:
       Landtagspräsident Torsten Geerdts (CDU), der die Verhandlungsrunden auf
       offener Bühne und hinter geschlossenen Türen moderieren musste.
       
       Er sei "sehr zufrieden" mit dem Ergebnis, sagte Geerdts und betonte, dass
       Politik in zwei Punkten sogar schneller gewesen sei, als das Gericht
       verlangt hatte.
       
       So liegt der Wahlgesetzentwurf bereits jetzt vor und soll noch im März
       beschlossen werden. Als Wahltermin bestimmten die drei Parteien den 6. Mai
       2012. Als letztmögliches Datum hatte das Gericht Ende 2012 erlaubt, diesen
       Termin hatte die schwarz-gelbe Regierung bisher angepeilt. Die SPD wollte
       ursprünglich wie die übrigen Oppositionsparteien deutlich früher wählen.
       
       Während das schwarz-rot-gelbe Zweckbündnis den Entwurf lobte, gab es Kritik
       der drei kleinen Oppositionsparteien: "Schwarz-Gelb und die SPD haben eine
       Lösung gesucht, die vor allem den Interessen der großen Parteien dient",
       sagte Anke Spoorendonk (SSW). "Sie nehmen dafür in Kauf, dass der Landtag
       regelmäßig größer wird als vorgesehen."
       
       Torsten Fürter, Innen- und Rechtsexperte der Grünen-Fraktion, schloss sich
       an: "Auch mit diesem Wahlgesetz kann der Landtag wieder aus allen Nähten
       platzen." Die Fraktion der Linken kritisiert, CDU, FDP und SPD hätten den
       Kompromiss bei einer "Nacht-und-Nebel-Aktion im Alleingang beschlossen".
       Alle drei Fraktionen kündigten an, gegen das neue Wahlgesetz stimmen.
       
       Haupt-Ärgernis für die kleinen Parteien ist, dass CDU, FDP und SPD die
       Sollzahl der Sitze im Parlament aus der Verfassung streichen wollen.
       Angestrebt werden zwar wie bisher 69 Abgeordnete, von denen im Idealfall 35
       direkt gewählt werden und 34 über die Listen einziehen.
       
       Diese Zahl steht aber nur noch im Wahlgesetz - deutlich größere Landtage
       sind daher möglich. Grüne und SSW hatten daher 27 Wahlkreise gefordert, um
       die denkbare Zahl der Überhangmandate und damit der zusätzlichen Sitze
       einzuschränken.
       
       Nach dem neuen Verfahren hätten sich bei der Landtagswahl im Herbst 2008
       insgesamt 89 Sitze ergeben, berechnet Fürter: Sechs weniger als zurzeit,
       aber immerhin 20 mehr als die Verfassung vorsieht.
       
       Für positiv halten er und Spoorendonk, dass künftig nach dem System
       Sainte-Laguë/Schepers statt wie bisher dHondt ausgezählt wird, außerdem
       bleibt das Zwei-Stimmen-Wahlrecht erhalten und Überhangmandate werden
       vollständig ausgeglichen. Alle diese Punkte kommen eher den kleineren
       Parteien zugute.
       
       Als "fair und demokratietheoretisch nicht zu beanstanden" bewertet der
       Politikwissenschaftler Joachim Behnke von der "Zeppelin University" in
       Friedrichshafen den Kompromiss. Er gehörte zu den Experten, die im Februar
       vom Landtag befragt wurden und wie seine Kollegen allen bis dahin
       vorgelegten Entwürfen schlechte Noten erteilte.
       
       Jetzt ist er zufriedener: "Entscheidend ist der volle Ausgleich von
       Überhangmandaten", sagte er der taz. Auch den Wechsel zum anderen
       Zählverfahren begrüßte er. Dass die Sollgröße des Landtags nun im
       Wahlgesetz und nicht mehr in der Verfassung steht, findet Behnke
       unproblematisch.
       
       Allerdings sei die Lösung des Wahlrechtsproblems insgesamt "teurer als sie
       sein müsste", weil der Landtag durch das neue Wahlrecht wahrscheinlich
       größer werde als vorgesehen. Damit werde vermutlich "systematisch" gegen
       die Sollgröße verstoßen.
       
       Michael Sibbe vom Verein "Mehr Demokratie Schleswig-Holstein" erklärte, er
       habe den Vorschlag "mit Bestürzung" zur Kenntnis genommen: "Das ist ein
       minimaler Konsens." Sibbe hätte sich mehr Mitbestimmungsrecht für die
       Bevölkerung gewünscht.
       
       Am Mittwoch stimmten im Innen- und Rechtsausschuss des Landtages
       erwartungsgemäß die Vertreter von CDU, FDP und SPD für den "Kompromiss, der
       eben auch nur ein Kompromiss sein konnte", so CDU-Innenexperte Werner
       Kalinka. Die breite Mehrheit im Parlament sei ein "gutes, sachorientiertes
       Signal".
       
       16 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) E. Geisslinger
 (DIR) D. Kummetz
       
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