# taz.de -- Rebellen in Bengasi: Sie feiern ihren Freund Sarkozy
       
       > Die Opposition in Libyen feiert die UN-Resolution. Und vor allem
       > Frankreichs Präsidenten. Wen sie gar nicht versteht: Angela Merkel und
       > die Türken.
       
 (IMG) Bild: „Das Land, das eine demokratische und säkulare Gesellschaft sein will, ließ uns hängen“, schimpfen die Rebellen in Bengasi auf die Türkei.
       
       BERLIN taz |
       
       In der Nacht von Donnerstag auf Freitag kam es in Bengasi zu einer
       Großkundgebung im Zentrum der Stadt. Tausende Sympathisanten der
       Aufständischen forderten lautstark „ein freies Libyen“. Menschen schossen
       vor Freude in die Luft, als klar wurde, dass der UN-Sicherheitsrat der
       Flugverbotszone zugestimmt hatte. Auf dem zentralen „Platz der Märtyrer“
       war eine Großbildleinwand aufgebaut, auf der die Liveübertragung des
       Fernsehsenders al-Dschasira lief.
       
       „Das war die Entscheidung, auf die wir alle hier so sehnsüchtig gewartet
       haben“, sagte Ayman, ein Ökonomiestudent, in der Nacht. Neben der Fahne des
       freien Libyen wurden bei der Versammlung auch viele ägyptische und
       französische Flaggen geschwenkt. Frankreich genießt derzeit als Vorkämpfer
       für die Flugverbotszone einen exzellenten Ruf in der Bevölkerung
       Ostlibyens. „Gäbe es hier heute freie Wahlen, dann würde Nicolas Sarkozy
       sie sofort gewinnen“, scherzt Ayman, der einige Stunden zuvor angesichts
       der Luftangriffe der Gaddafi-Truppe auf seine Stadt noch voller Angst war.
       „Abgesehen von den Demonstrationen und Freudenfesten ist es derzeit ruhig
       in Bengasi“, berichtet er der taz am Telefon. Am Freitag jedoch war er
       nicht mehr erreichbar.
       
       Alle Kommunikationswege in den Osten Libyens sind unterbrochen worden,
       mutmaßlich durch das Regime, um den Informationsfluss zu stören. Weder
       Festnetzverbindungen funktionierten noch Mobilfunknetze. Nur
       Satellitentelefonverbindungen waren möglich. Über eine solche Verbindung
       erreichte die taz am Freitag den Arzt Mohammed, der im Osten des Landes
       unterwegs ist, wo er mit internationalen Hilfsorganisationen
       zusammenarbeitet und daher über einen Zugang zu einer der wenigen
       Satellitenverbindungen verfügte. Auch er bestätigte, dass es in Bengasi und
       Tobruk derzeit sicher sei, er mache sich jedoch große Sorgen um die
       Bevölkerung in Misurata, wo er selbst auch Familie habe. Von einem
       befreundeten Arzt in Misurata habe er am Freitag erfahren, dass die
       Gaddafi-Truppen die Stadt Misurata eingenommen haben. Al-Dschasira hingegen
       berichtete nur von schweren Kämpfe um die Stadt.
       
       Seit Freitagmorgen hatte es schweres Artilleriebombardement auf Misurata
       gegeben, noch am Donnerstag soll über Misurata sogar ein Flugzeug der
       libyschen Luftwaffe abgeschossen worden sein. Der Arzt in Misurata
       berichtete überdies von ungewöhnlichen Verletzungen, die auf
       Giftgasangriffe schließen lassen könnten. „Der angebliche Waffenstillstand,
       den Gaddafi ausgerufen haben soll, dient nur der Beschwichtigung des
       Westens. Daran halten tut er sich aber nicht“, sagt Mohammed. Auch in
       Adschdabija komme es weiterhin zu heftigen Gefechten.
       
       Der mit Mohammed befreundete Arzt berichtete weiterhin, es sei sogar zu
       Angriffen auf Zivilisten und in einzelnen Häusern zu Vergewaltigungen durch
       Söldner gekommen. „Misurata ist eine vergessene Stadt. Auch Hilfsgüter
       kommen nicht durch und stecken zwischen der ägyptischen Grenze und
       Adschdabija fest“, klagt Mohammed. „Die UN, die Nato und die EU kümmern
       sich nur um den Osten, aber nicht um die schwer wiegenden
       Menschenrechtsverletzungen in Misurata. Misurata braucht eine
       internationale Friedenstruppe der UN – und zwar heute und auf dem Boden.
       Die Flugverbotszone vermag die Menschen in Misurata nicht zu schützen, wie
       man sieht.“
       
       Mohammed ist sich aber sicher, dass die Flugverbotszone zumindest helfen
       werde, die bereits befreiten Städte wie Bengasi und Tobruk zu verteidigen.
       Verärgert sind die Ostlibyer über die Türkei: „Das Land, das eine
       demokratische und säkulare Gesellschaft sein will, ließ uns hängen“,
       beschwert sich Mohammed. „Warum unterstützten sie nicht die
       fortschrittlichen Kräfte der libyschen Gesellschaft, die sich von der
       Diktatur Gaddafis befreien möchten?“
       
       Auch von Deutschland ist er enttäuscht und versteht nicht, weshalb die
       Bundesregierung nicht an einem freien Libyen interessiert ist. „Dabei ist
       doch fast die ganze Welt im Moment gegen Gaddafi.
       
       In Tripolis kam es am Freitag zu Freudenfesten und Pro-Gaddafi-Kundgebungen
       im Zentrum. Akram, ein Student der Ingenieurswissenschaft in Tripolis,
       sagte der taz am Telefon, wo die Mobilfunknetze funktionieren, die Lage in
       der Hauptstadt sei ruhig, stabil und entspannt. Auch das Staatsfernsehen
       sage, alles sei normal. Über die Aufständischen in Misurata und Bengasi
       werde in den Medien der Hauptstadt verbreitet, es handele sich um
       ungebildete Leute, die diese Orte für Geld aus dem Ausland verteidigen.
       Weiterhin verbreite der Staatsrundfunk, so Akram, dass das Militär
       nirgendwo mehr schieße und den Waffenstillstand einhalte.
       
       18 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Lejeune
       
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