# taz.de -- Im Saalpublikum von "Wetten, dass..?": Beim Erfinder der Freiheit
       
       > Thomas Gottschalk bekommt bald den Grimme-Preis und hört bei "Wetten,
       > dass ..?" auf. Zeit für einen letzten Besuch - an einem Samstagabend in
       > Augsburg.
       
 (IMG) Bild: Nein, nicht "taz"-Redakteur David Denk hat es neben Gottschalk auf die Couch geschafft, sondern Teenieschwarm Justin Bieber.
       
       Nathalie und Alice haben aufgegeben. Sie werden ihrem Idol nicht begegnen -
       zumindest nicht an diesem Samstagabend. Verlassen lehnt ihr Plüschherz mit
       der ewigen Fanbotschaft "We love you" an einer Betonsäule vor dem
       Augsburger Messezentrum. Bis zu 300 Euro sollen junge Mädchen den Ordnern
       geboten haben, um reinzudürfen, einmal im selben Raum zu sein wie der
       kanadische Popstar Justin Bieber - einem Raum so groß wie ein
       Flugzeughangar.
       
       "Wetten, dass ..?", die Queen Mary der deutschen Fernsehunterhaltung, ist
       in Augsburg vor Anker gegangen - zum ersten Mal seit zwölf Jahren. Elf Tage
       vor der Sendung sind die ersten Teammitglieder eingetroffen, Thomas
       Gottschalk zeigt sich erst am Freitagmittag zum ersten Mal bei einer
       Durchlaufprobe in der Halle, wo 250 Mitarbeiter vor, auf und hinter der 48
       mal 27 Meter großen Bühne die Show vorbereiten.
       
       Zuvor hat Gottschalk eine Wettschuld aus der vorigen Sendung eingelöst und
       in voller Klischeekochmontur auf dem Rathausplatz für einen guten Zweck
       Hendl verkauft. Oder besser: verkaufen wollen, denn der Ansturm der
       Augsburger, der vormittäglichen Uhrzeit entsprechend vor allem schwänzende
       Schüler mit Fotohandys, Hausfrauen mit pfiffigen Frisuren und professionell
       gelangweilte Journalisten (außer den aufgekratzten vom Lokalradio), war
       schlecht fürs Geschäft.
       
       Sie waren nicht gekommen, um Gutes zu tun, sondern um Gottschalk zu sehen,
       "Tommy", wie sie ihn hier trotz seiner mittlerweile 60 Jahre immer noch
       nennen. Er habe versucht, dem Druck der Masse standzuhalten, "bis es nicht
       mehr hendlbar war", witzelte Gottschalk hinterher. Nach nicht mal 20
       Minuten saß er wieder in seinem Fluchtfahrzeug und rauschte davon, zur
       Messe.
       
       Dort zeigt sich Augsburg am Samstagabend von seiner aufgebrezelten Seite.
       Tickets für "Wetten, dass ..?" sind begehrt, die Nachfrage übersteigt das
       Angebot von etwa 2.000 Sitzplätzen pro Show um bis zu das Zehnfache. Ein
       Großteil der Zuschauer ist auch vor dem Besuch des Schuhputzservices eines
       Sponsors im Foyer schon wie aus dem Ei gepellt, als würden sie selbst
       gleich auf Gottschalks cremefarbenem Sofa Platz nehmen.
       
       Eine Ehre, die allerdings nur einem kleinen Jungen aus dem Publikum vor der
       Sendung zuteil wird, der Gottschalk wegen seines schnieken Outfits aus
       Hemdchen und Weste aufgefallen ist. "Kann man sich dran gewöhnen, oder?",
       fragt Gottschalk, nachdem der Applaus des Publikums verebbt ist. Er braucht
       keine Antwort, um nachzuschieben: "Also lern was Gescheites in der Schule,
       sonst endest du so wie ich."
       
       ## Bitte Knie zusammenpressen
       
       In atemberaubender Frequenz haut Gottschalk während des Warm-ups, das bei
       ihm Chefsache ist, Sprüche raus, die nur einem Zweck dienen: dass das
       Publikum, das ihm ohnehin schon aus der Hand frisst, dies auch noch blind
       tut. Es gibt keinen besseren Gottschalk als den im Nahkampf mit seinen
       Fans. So abgedroschen das klingt: Er ist ein Star zum Anfassen, verteilt
       Autogramme und Bussis.
       
       "Ein Foto? Ich von euch oder ihr von mir?", fragt er, als ihm die gefühlt
       50. Kamera entgegengereckt wird. Als eine streikt, beruhigt er den
       Fotografen: "Die fangen nicht ohne mich an. Lass dir ruhig Zeit." Das
       Einverständnis ist schier grenzenlos. Für die Ankündigung, dass weder
       Libyen noch Japan in der Sendung Thema sind, erntet Gottschalk heftige
       Zustimmung. Bemerkbar machen wird sich einzig und allein der Unfall von
       Samuel Koch - ohne dass sein Name fällt: Alle Wetten des Abends gehen auf
       Nummer sicher.
       
       Bevor er nach gut 20 Minuten wieder in der Kulisse verschwindet - ohne
       Applaus, weil er das so will, das Publikum soll sich für den Beginn der
       Show schonen -, bittet er die "schicken Damen" in der ersten Reihe noch,
       die Knie zusammenzupressen, "damit ich nicht gleich aus dem Takt komme".
       
       Ach ja, Tommy, der ewige Pennäler! Kein anderer Entertainer verkörpert
       öffentlich-rechtliche Frechheit, eigentlich ein Widerspruch in sich, so wie
       Gottschalk. Kein Wunder: Er hat sie erfunden und wird deswegen beim
       Grimme-Preis Anfang April zum ersten Mal für sein Lebenswerk ausgezeichnet.
       
       Keine fünf Minuten später, nach einem 90-Sekunden-Countdown auf der
       Videowand über dem Sofa, beginnt die 194. Sendung, in der sich für
       Gottschalk "ein Kreis schließt": "Hier in Augsburg hat mich Frank Elstner
       vor ungefähr 78 Jahren als seinen Nachfolger vorgestellt" - in Wahrheit war
       es 1987 -, hat Gottschalk im Warm-up gesagt. Kurz hatte man Angst, er würde
       gleich seinen Wettpaten Markus Lanz als neuen "Wetten, dass ..?"-Moderator
       vorstellen. Aber so lebensmüde ist selbst der Sender für die Scheintoten
       nicht.
       
       ## Körperliche Zudringlichkeiten
       
       Schlimm genug, dass Lanz erzählen darf, was für ein Teufelskerl er doch
       ist, der fürs ZDF auf Südpolexpedition geht und privat in Nord(!)grönland
       urlaubt - mit Zelt: "Wenn du mich quälen willst, schickst du mich drei
       Wochen nach Mallorca."
       
       Dort, in der Stierkampfarena von Palma, wird Gottschalk am 18. Juni nach 24
       Jahren Abschied nehmen von "Wetten, dass ..?" - bis dahin sollte das ZDF
       einen Nachfolger gefunden haben. Ein Gedanke, an den man sich hier nicht so
       recht gewöhnen will. "Thomas, verlass uns nicht!" steht auf einer der
       hochgehaltenen Pappen, die genauso zur Folklore dieses Formats gehören wie
       kreischende Teenies, Dialekt sprechende Wettkandidaten, Gottschalks
       Grapschereien und seine Interviewnichtigkeiten.
       
       Wenigstens die körperlichen Zudringlichkeiten hat er offenbar an seine
       dauerbusselnde Komoderatorin Michelle Hunziker delegiert. Doch von
       Catherine Deneuve, der Grande Dame des französischen Kinos, will Gottschalk
       allen Ernstes wissen, ob sie schon mal ein Hotelzimmer verwüstet hat. Da
       würde man am liebsten in die Sofalehne beißen. Doch in der Halle gibts nur
       Plastikstühle - schlecht fürs Gebiss.
       
       Apropos Gebiss: Die Deneuve und Udo Jürgens sind das Zugeständnis an die
       geriatrische Kernzielgruppe des ZDF auf der trotz einiger kurzfristiger
       Absagen mal wieder genial austarierten Gästeliste, für die Mittelalten
       gibts Grönemeyer und Lanz und für die Jungen Til Schweiger, Jasmin Gerat,
       Justin Bieber und Bruno Mars.
       
       Vor dem Auftritt des hawaiianischen R&B-Musikers wienern drei Putzfrauen
       die von einer ganzen Armada von Bühnenarbeitern in weniger als fünf Minuten
       aufgebauten schwarz lackierten Bühnenelemente in einer Seelenruhe, die
       seinen Fans komplett abgeht. Die spitzen Entzückensschreie sind sogar noch
       lauter als bei Bieber. Was in Ordnung geht: Mars kann wenigstens singen,
       und ihm hängt kein Lamettapuschel hinten aus der Hose.
       
       Ein einsamer Justin-Bieber-Fan sitzt übrigens auch im Presseblock gegenüber
       der Showbühne. Sie heißt Elina, ihr Vater ist Journalist und ist ihr
       zuliebe zu Hause geblieben. Wenn er gewusst hätte, dass er seine Tochter
       damit dem irgendwie und irgendwarum anwesenden Krawalljournalisten Henryk
       M. Broder zum Fraß vorwirft, der sie sofort in ein Interview verwickelt,
       hätte er sich das wohl anders überlegt. "Ein Fall von zivilisierter
       Unterhaltung" sei das gewesen, konstatiert Broder nach der Sendung, die mit
       unterdurchschnittlicher Verspätung um 23 Uhr zu Ende geht. Selbst ein
       Thomas Gottschalk kann sich seine Fans eben nicht aussuchen.
       
       20 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) David Denk
       
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 (DIR) 47. Grimme-Preisverleihung: Gottschalk zeigt's allen
       
       In Marl wurden die begehrten Fernsehpreise verliehen. Mit dabei: ein
       überforderter Moderator, ein glänzend aufgelegter Thomas Gottschalk und der
       Endlich-Sieger Kurt Krömer.
       
 (DIR) Bastian Pastewka über Fernsehen: "Ich jage und finde TV-Perlen"
       
       Comedian Bastian Pastewka über Gottschalk, Dschungelcamp, den trostlosen
       Zustand unseres Fernsehens – und warum er trotzdem weiterguckt.