# taz.de -- 1860 München droht Insolvenz: "Nie wieder mit dem FC Bayern"
       
       > Der Chaosklub hat kein Geld mehr, könnte aber gerettet werden. Viele Fans
       > lehnen das ab und träumen von einem Neuanfang in der Bayernliga. Sonst
       > hilft womöglich Uli Hoeneß.
       
 (IMG) Bild: Welche Zukunft der Verein hat, muss sich noch zeigen.
       
       BERLIN taz | Die Erde braucht 1860. Fans des Münchner Klubs, der wieder
       einmal kein Geld mehr hat, wollen heute dafür demonstrieren, dass ihr
       Verein überlebt. Am Samstag sind auf der ganzen Welt Menschen dazu
       aufgerufen, während der Earth Hour (jeweils 20.30 Uhr Ortszeit) alle
       Beleuchtungen auszuschalten.
       
       In dieser Stunde wollen Fans des TSV 1860 München Kerzen auf dem
       Marienplatz anzünden. Aus diesen soll der Schriftzug "1860 lebt!" gebildet
       werden. Vielleicht gibt es ja auch eine Party. Was vor einer Woche, als
       bekannt wurde, dass der Klub bis zum 1. April zwölf Millionen Euro
       auftreiben muss, noch nicht möglich schien, könnte dann schon Gewissheit
       sein: die Rettung des Klubs vor der Insolvenz.
       
       Eine machtvolle Löwendemonstration erwartet indes niemand in München. Denn
       die Rettung des Klubs, die von einer Privatbank jetzt doch noch organisiert
       werden könnte, wollen viele Anhänger nicht. Nicht nur die Ultras namens
       Cosa Nostra organisieren einen Protest gegen die Rettungspläne des
       Managements. Ein Aufruf, den mehr als 60 Fanklubs unterstützen, kursiert in
       der Szene.
       
       Darin heißt es: "Ein Großteil der aktiven Löwenfans findet, dass das
       momentane Gebilde 1860, das an der schäbigen Beatmungsmaschine des FC
       Bayern hängt, nicht rettungswürdig ist." Und: "Nie wieder mit dem FC Bayern
       zusammenarbeiten!" Für sie ist der Klub schon längst tot. Doch sie glauben
       an eine Auferstehung. Nach einer Insolvenz soll der Klub in der Bayernliga
       noch einmal von vorne anfangen.
       
       ## Uli Hoeneß präsentiert sich als Retter
       
       Derweil präsentiert sich Uli Hoeneß, der Präsident des FC Bayern, als
       Retter. In dieser Rolle fühlt er sich wohl. Als es dem FC St. Pauli ganz
       schlecht gegangen ist, hat er sich auch schon einmal als Benefizengel
       feiern lassen und seine Profis zu einem Wohltätigkeitsspiel nach dem
       Hamburger Kiez geschickt. Jetzt sagt er: "Es hat nicht nur Vorteile, wenn
       es nur einen Klub in der Stadt gibt. Da bin ich Traditionalist."
       
       Er war es, der in einer typisch bayerischen Amigoaktion zusammen mit
       öffentlich-rechtlichen Instituten die private Retterbank aufgetrieben hat,
       mit der auch der FC Bayern gute Geschäfte macht und die vielleicht deshalb
       nicht genannt werden will. Die soll eine Umschuldung organisieren und die
       größten Gläubiger zu einem vorübergehenden Forderungsverzicht überreden.
       Einer der ganz großen Gläubiger ist der FC Bayern selbst. Vier Millionen
       hat er den 60ern geliehen, als diese 2006 schon einmal kurz vor der
       Insolvenz standen.
       
       Helfer Hoeneß handelt indes nicht selbstlos. Er hält die Kuh am Leben, die
       trotz der dünnen Beinchen, auf denen sie steht, noch jene Menge Milch gibt.
       4,5 Millionen Euro überweist 1860 jedes Jahr an Miete für die Arena am
       Fröttmaninger Müllberg. Nur weil die Bayern diesen Mieter haben, schreibt
       ihre Stadiongesellschaft keine Verluste. Bis 2025 gilt der Mietvertrag.
       
       ## Kuschelei mit den Bayern
       
       Durch den sind die Blauen an die Roten gekettet. Die Kuschelei mit den
       Bayern, die der ehemalige 60er-Präsident Karl-Heinz Wildmoser begonnen hat,
       machte die Vereinsführung derart größenwahnsinnig, dass sie sich nicht mehr
       vorstellen konnte, jemals aus der ersten Liga abzusteigen. Doch kaum war
       das Stadion im Münchner Norden fertig, war der TSV nur noch zweitklassig
       und mehr als eine Nummer zu klein für die Riesenarena.
       
       Traurig und sehr, sehr grau sieht das Stadion aus, wenn der TSV ein
       Heimspiel austrägt. 13.800 Besucher vermeldete der Klub beim Heimspiel vor
       drei Wochen gegen Rot-Weiß Oberhausen (1:1). Viele Fans mussten lachen, als
       die Zuschauerzahl durchgesagt wurde. Sie glauben schon lange nicht mehr,
       dass mehr als 10.000 Fans kommen, wenn "Münchens große Liebe" spielt, wie
       Stadionsprecher Stefan Schneider den Klub weiterhin unverdrossen ankündigt.
       Der Rettungsplan, den Vereinspräsident Dieter Schneider und Geschäftsführer
       Robert Schäfer zusammen mit Uli Hoeneß austüfteln, würde sicherstellen,
       dass es genauso weitergeht.
       
       ## Aufruf zum Widerstand gegen die Rettung
       
       Das will der Verein Freunde des Sechzger Stadions unbedingt verhindern.
       Auch er ruft zum Widerstand gegen die Rettung auf. Der Klub versteht sich
       als Hüter der verlorenen Heimat des Klubs. Die ist das Stadion an der
       Grünwalder Straße. Für die erste und zweite Liga ist der alte Kasten nicht
       zugelassen. Für die Bayernliga wäre die derzeitige Kapazität von 10.241
       Zuschauern gerade richtig. Nächstes Jahr wird das Stadion renoviert und
       wäre danach drittligatauglich.
       
       Viele Fans bekommen feuchte Augen beim Gedanken an eine Rückkehr auf
       Giesings Höhen. Die ganz Alten erinnern sich an die ruhm- und glorreichen
       Zeiten rund um die Meisterschaft 1966. Andere schwelgen in ihren
       Erinnerungen an lust- und leidvolle Tage in der Bayernliga, in die die
       klammen Löwen nach dem Lizenzentzug 1982 zwangsversetzt wurden. Sie
       erinnern sich an Partien gegen Schweinfurt, Weiden oder die SpVgg Bayreuth.
       Letztere würde der TSV 1860 nach einer Insolvenz im nächsten Jahr in der
       Bayernliga wiedersehen.
       
       ## Christian Uhde schüttelt fast angewidert den Kopf
       
       Doch der politische Wille zu einer Rückkehr des TSV in die Grünwalder
       Straße fehlt. Oberbürgermeister Christian Ude, der jahrelang
       Aufsichtsratsvorsitzender des Klubs war, schüttelt beinahe angewidert den
       Kopf, wenn es ums Thema Sechzger geht. Der Schwabinger Mieteranwalt, von
       dem keiner behaupten würde, er verstünde etwas von Fußball, hat sich zu
       Beginn seiner Politkarriere bei der SPD als Blauer positioniert.
       Herzenssache war ihm der Fußball nie. Ins Stadion ist er auch nicht gerne
       gegangen. Am liebsten waren ihm Lokalderbys, "weil man da an einem
       Nachmittag seine Präsenzpflicht bei zwei Münchner Vereinen erfüllen
       konnte". So hat er es in seinem Buch "Ich baue ein Stadion" geschrieben. Er
       war sich sicher, mit dem Bau der Arena in Fröttmaning seine Schuldigkeit
       für die Münchner Klubs getan zu haben. Er war froh, nicht mehr für den
       Fußball tun zu müssen, als regelmäßig die Bayern auf dem Rathausbalkon zu
       präsentieren.
       
       Die Löwen waren da oben schon lange nicht mehr. Nach einer Insolvenz und
       einem Neuanfang in der Bayernliga könnte sich das schnell ändern. Denn die
       unteren Ligen werden reformiert. Die Bayernliga wird zur vierten
       Spielklasse, zu einer eigenen Regionalliga. Ein neunter Platz reicht für
       die Qualifikation. Gut möglich, dass dann auf dem Marienplatz eine
       Aufstiegsfeier stattfände. Die wäre sicher größer als die Demo, die ein
       kleiner Teil rettungsgläubiger Anhänger am Samstag zur Earth Hour
       veranstalten will.
       
       26 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
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