# taz.de -- Kommentar Libyen: Stehlt uns nicht die Revolution!
       
       > Viele Araber befürworten die Militärintervention der Westmächte in
       > Libyen. Doch viele befürchten auch, dass sie die gesamte Protestbewegung
       > in der Region deligitimiert.
       
 (IMG) Bild: Die Besetzer der Gaddafi-Villa hissen die libysche Flagge von 1951: Das Symbol der Opposition.
       
       Seit Beginn der Luftangriffe auf Libyen wird in der arabischen
       Öffentlichkeit heftig darum gerungen, wie man zur westlichen Intervention
       stehen soll. Richtig ist, dass nicht nur viele Libyer, sondern auch viele
       Stimmen in der arabischen Welt die Intervention befürworten: ein Novum in
       der Region. Mindestens genauso viele Menschen bleiben jedoch zutiefst
       skeptisch.
       
       Für die arabische Demokratiebewegung stellt die westliche Intervention
       einen Wendepunkt dar. Eine zentraler Faktor, der bisher für ihren Erfolg
       bürgte, fällt nun weg: dass es die arabischen Bevölkerungen selbst waren,
       die gegen ihre Despoten - und teilweise sogar gegen den Westen und dessen
       langjährige Allianz mit autoritären Regimen der Region - aufbegehrten. Die
       junge, im Internet versierte Generation und säkulare Reformer sind von den
       Machthabern nicht selten als "Agenten des Westens" denunziert und verfolgt
       worden. Sie legen daher besonderen Wert auf ihre Unabhängigkeit und
       fürchten nun, dass die Intervention in Libyen einen hohen Preis kosten
       wird: sie könnte ihrem Protest die Legitimität rauben.
       
       Nun haben ausgerechnet jene Mächte, die jahrelang die Stabilität dieser
       Regime garantiert haben, das Heft an sich gerissen, statt alle politischen
       Mittel auszuschöpfen. Dass ihre Intervention in Libyen, anders als der
       US-Angriff auf den Irak 2003, von der UNO und der arabischen Liga
       abgesegnet wurde, verleiht ihr zwar größere internationale Legitimation.
       Doch für viele Araber macht das keinen großen Unterschied. Denn erstens
       gilt die Arabische Liga den meisten weniger als ihre Interessenvertretung
       denn vielmehr als ein Club alternder Despoten. Viele dieser Regime fuhren
       in den vergangenen Tagen damit fort, in ihren eigenen Ländern die
       friedlichen Proteste brutal zu unterdrücken. Zweitens können nur die USA,
       England und Frankreich diese Resolution auch umsetzen. Und deren Motivation
       geht auch darauf zurück, dass es sich bei Libyen um einen wichtigen
       Öllieferanten und wichtigen Brückenkopf für die Migration nach Europa
       handelt; insbesondere Washington fühlt sich zudem von entlassenen oder
       entflohenen islamistischen Kämpfern bedroht.
       
       Mit ihrer manischen Art haben sich Gaddafi und seine Söhne auch bei ihren
       arabischen Nachbarn nur wenig Freunde gemacht - nur darum mag ihnen jetzt
       keiner seiner Diktatorenkollegen beispringen. Doch in seinem Wahn,
       "Revolutionsführer" auf Ewigkeit sein zu wollen, unterscheidet sich Gaddafi
       nur graduell etwa von Hamad al-Chalifa, dem Herrscher über Bahrain, der
       sich selbst zum König krönen ließ. Besonders bitter stößt es der
       Protestbewegung in den Golfstaaten deswegen auf, wie sich ihre Staatschefs
       jetzt mit Blick auf Libyen verhalten. Während sich der
       "Golf-Kooperationsrat", dem sie angehören, einerseits als Partner zum
       "Schutz der libyschen Zivilbevölkerung" anbot, entsandte er zugleich
       Truppen nach Bahrain, um die brutalen Unterdrückung der dortigen Opposition
       zu unterstützen.
       
       Dazu passt es, dass Saudi-Arabien eine absurde Fatwa ausstellen ließ, die
       demokratische Demonstrationen für "unislamisch" erklärte. Dass diese
       Doppelmoral im Westen kaum für Empörung sorgte, dürfte daran liegen, dass
       diese Länder mit ihren Energiereserven und Militärbasen wichtige Verbündete
       sind und bleiben.
       
       Jene Mächte, die nun die Militäroperation in Libyen anführen, müssen sich
       endlich mit den Fehlern der eigenen Politik und der ihrer arabischen
       Alliierten auseinandersetzen. Sonst bleibt am Ende der Eindruck haften, sie
       versuchten sich mithilfe des Militäreinsatzes von den Fehlern der
       Vergangenheit reinzuwaschen.
       
       Doch festzuhalten bleibt: Obwohl die arabische Welt derzeit von einem
       einzigartigen revolutionären Moment erfasst ist, handelt es sich um sehr
       unterschiedliche Protestbewegungen. Die Proteste in Syrien, Jordanien und
       dem Jemen zeigen, dass dieser Aufstand noch längst nicht am Ende ist. Der
       Mut und das Selbstbewusstsein der Protestierenden sind Anlass zum
       Optimismus, dass sie sich nicht vom Westen "enteignen" lassen werden.
       Dieser Mut und dieses Selbstbewusstsein macht es den verbliebenen
       autokratischen Regimes sehr schwer, den Ruf nach Demokratie als "westlichen
       Import" zu diskreditieren.
       
       27 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Layla Al-Zubaidi
       
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