# taz.de -- Debatte Krieg in Libyen: Der Krieg der Meinungsathleten
       
       > Sarkozy wollte Gaddafi ein AKW verkaufen. Doch dann entdeckte er, dass
       > ihm der Krieg innenpolitisch nützt. Es ist gut, dass Deutschland
       > skeptisch ist.
       
 (IMG) Bild: Im Bürgerkrieg in Libyen wird nicht nur mit Waffen, sondern auch mit Propagandaparolen gekämpft.
       
       FRANKFURT AM MAIN taz | Wer die Libyen-Intervention des Westens kritisiert,
       macht sich noch lange nicht mit Gaddafi gemein, wie die Meinungsathleten
       des Pariser Intellektuellenzirkus um Bernard-Henri Lévy oder manche
       Berliner Hinterbänkler derzeit behaupten. Die Dinge liegen komplizierter.
       
       Die politische Achillesferse der Befürworter einer militärischen
       Intervention ist ihre Begründung. Was beim Irakkrieg die Propagandaparolen
       von "Giftgas" und angeblichen "Massenvernichtungswaffen" waren, sind im
       Falle des Libyenkriegs die Kampfworte "Blutbad", "Henker", "Massaker",
       "Racheorgie", "gezielter Massenmord", "Völkermord" und "Barbarei". Neben
       diesen Begriffsklötzchen aus dem Repertoire der pathetischen Nebelwerfer
       darf das unvermeidliche Geisterbahnpersonal der Leitartikler nicht fehlen:
       "Der Obergefreite mit zweifelhaftem Leumund", wie Jens Jessen in der Zeit
       schrieb, oder gleich: "Adolf Hitler" (Theo Sommer).
       
       Bleibt die Frage, warum man das Großmaul Gaddafi ausgerechnet dann ernst
       nehmen soll, wenn er den Menschen in Bengasi ein Blutbad androht. Bislang
       gibt es nicht die geringsten Hinweise dafür, dass Gaddafi in der
       Vergangenheit oder in der Gegenwart willens und fähig war oder ist, "das
       eigene Volk hinzumetzeln", wie es Christian Schlüter in der Frankfurter
       Rundschau nahelegt. Die schlichte Logik der Kriegswilligen aber braucht das
       grelle Gemälde potenzieller Untaten Gaddafis, um die matten und unscharfen
       Bilder der realen "libyschen Freiheitsbewegung" umso leuchtender ausmalen
       zu können. Deshalb die fetten Beschwörungsformeln von "Freiheit und
       Selbstbestimmung" (Peter Schneider), "Verantwortung", "Westen", "Werte" und
       so weiter. Das sind aber keine belastbaren Argumente für einen Krieg.
       
       ## Kein Völkermord in Sicht
       
       Gaddafis Herrschaft beruhte nicht auf Staatsterror, sondern auf Gas- und
       Erdölexporten, aus deren Erlösen er sich Zustimmung - oder wenigstens
       Duldung - erkaufte. Das macht seine Diktatur nicht akzeptabler, aber die
       schäumenden Kriegsbefürworter noch unglaubwürdiger. Denn ein Völkermord,
       dem Völkerrecht nach die zwingende Voraussetzung für einen Krieg, drohte in
       Libyen nicht.
       
       Unterhalb des Niveaus dieser Beschwörungsformeln siedelt nur noch die
       twitternde und bloggende Kriegspropaganda notorischer "Augenzeugen". So
       kolportierte der Schweizer Tages-Anzeiger jüngst das Gerücht, Gaddafi leere
       die Waisenhäuser und spanne die Kinder als Schutzschilder vor seine Panzer.
       Andere sprachen von Kopfgeldern für getötete Aufständische oder von 10.000
       Dollar Gehalt für Söldner, die - mit "Viagra ausgestattet" - auf libysche
       Frauen losgingen. Während solche Gerüchte die Zeitungsspalten füllen,
       werden die Opfer der westlichen Luftangriffe beschwiegen. Selten ist von
       den in ihren Panzern bis zur Unkenntlichkeit verbrannten Soldaten die Rede.
       Und wenn, dann handelte es sich selbstverständlich um "Söldner aus
       Schwarzafrika", so der Tenor.
       
       ## Welcher Erfolg im Kosovo?
       
       Nicht nur Joschka Fischer verglich den Libyenkrieg mit dem völkerrechtlich
       illegitimen Luftkrieg gegen Serbien im März 1999. Auch der sollte damals ja
       einen angeblichen "Völkermord" an den Albanern verhindern. Zunächst führte
       er jedoch "nur" dazu, dass 700.000 Albaner flohen, anschließend vertrieb
       eine kriminelle Bande namens UCK mehrere zehntausend Serben aus dem Kosovo
       - all das unter dem fürsorglichen Schutz der Nato. Die Angriffe der Nato
       stärkten Milosevic und den serbischen Nationalismus sogar. Der Sturz des
       Diktators erfolgte über ein Jahr später - nicht wegen der Luftangriffe,
       sondern nach einem Volksaufstand gegen die Wahlfälschungen der
       Milosevic-Clique. Wer außer dem Riesenstaatsmann Fischer möchte solche
       "humanitäre Interventionen" heute noch als Erfolge verkaufen?
       
       Doch es gibt keine Argumente für den Krieg, die nicht noch unterboten
       würden. In der FAZ etwa griff Frank Lübberding auf einen alten
       konservativen Ladenhüter zurück, die "Realpolitik". Affirmativ bezog er
       sich auf Bismarcks "Spiel mit mehreren Bällen" und spottete über Einwände
       des Rechtsphilosophen Reinhard Merkel, der das Völkerrecht nicht der
       Willkür von Opportunisten wie Sarkozy ausliefern möchte. Sarkozy hätte dem
       Wüstensohn noch gern ein Atomkraftwerk verkauft, kurz bevor er entdeckte,
       dass ihm ein Krieg gegen Libyen innenpolitisch viel eher nützt, um aus dem
       Umfragetief rauszukommen - so viel zu den "guten Absichten" eines
       vermeintlich "gerechten Krieges".
       
       Nach Lübberding ist "Realpolitik" eine Veranstaltung, die "sich ihrer
       Grenzen und Risiken bewusst bleibe". Das war historisch ganz selten der
       Fall. Legionen von "Realpolitikern" haben sich noch und noch verschätzt und
       überhoben, indem sie das Völkerrecht mit eiserner Hand der Macht und der
       Gewalt unterordneten. So wie jetzt.
       
       ## Unscharfe UN-Resolution
       
       Zwar erlaubt die UN-Resolution 1973 nun eine "humanitäre Intervention" in
       Libyen, verleiht dem Krieg also eine legale Basis. Das Feilschen im
       Vorfeld, der abrupte Sinneswandel der USA sowie Sarkozys Selbsternennung
       zum Warlord werfen auf die Genese der Resolution allerdings ein trübes
       Licht. Vollends entlarvend ist die "kreative Unschärfe" (NZZ) des
       Resolutionstextes. Die Resolution erlaubt "alle notwendigen Maßnahmen", um
       "Zivilisten und von Zivilisten bewohnte Gebiete zu schonen", verbietet aber
       den Einmarsch von Bodentruppen. Ein Ziel, das jetzt alle Kriegswilligen
       anstreben, erwähnt sie dagegen gar nicht: den Regimewechsel, also die
       Ausschaltung des Diktators Gaddafi.
       
       Daraus ergeben sich ein militärisches und ein politisches Problem. Jeder
       Leutnant weiß - und pensionierte Nato-Generäle wiederholen es in den Medien
       fast täglich -, dass aus der Luft allein ein bewaffnetes Regime nicht
       abzulösen ist - außer man legt Land und Leute in Schutt und Asche. Die
       Resolution zeugt daher von diplomatischer Heuchelei. Die, die ihr
       zustimmten, wussten, dass ihre Ziele nur zu erreichen sind, wenn man den
       Resolutionstext missachtet. Die übrigen Staaten im UN-Sicherheitsrat
       merkten das und enthielten sich genau deswegen der Stimme. Deutschlands
       Enthaltung war deshalb richtig.
       
       31 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Walther
       
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