# taz.de -- Schärfere Sicherheitskriterien für AKW: Schnellerer Atomausstieg rückt näher
       
       > Die ältesten Atommeiler sind vor einem Terroranschlag nicht geschützt,
       > sagen Experten der Reaktorsicherheitskommission. Die abgeschalteten AKW
       > könnten daher für immer stillgelegt werden.
       
 (IMG) Bild: "Am Ende entscheidet die Politik", sagt Rudolf Wieland von der Reaktorsicherheitskommission. Minister Röttgen hört aufmerksam zu.
       
       BERLIN dpa | Die deutschen Atomkraftwerke werden verstärkt auf ihre
       Sicherheit bei verheerenden Anschlägen mit großen Flugzeugen überprüft.
       Auch die Gefahren bei Katastrophen wie Erdbeben oder Staudammbrüchen sollen
       unter die Lupe genommen werden. Mit diesen neuen Sicherheitskriterien
       könnte es für die sieben ältesten Atomkraftwerke in Deutschland eng werden.
       Sollte sich eine entsprechende Nachrüstung nicht lohnen, könnten die
       Betreiber sich für das Aus der Anlagen entscheiden.
       
       Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) und die
       Reaktorsicherheitskommission kündigten am Donnerstag in Berlin
       entsprechende Prüfungen der 17 deutschen AKW an. Röttgen strebt bis Mitte
       Juni einen neuen Atomkonsens mit allen Parteien und der Wirtschaft an. Die
       Experten sollen bis zum 15. Mai einen Bericht vorlegen, der Grundlage für
       die politische Entscheidung ist.
       
       Röttgen sprach mit Blick auf den Stresstest von einem "weltweit führenden
       Niveau". Geprüft werden soll, wie sich etwa ein Terroranschlag in Form
       eines Flugzeugabsturzes aller gängigen Passagier- und Militärmaschinen
       auswirke, sagte der Vorsitzende der Reaktorsicherheitskommission, Rudolf
       Wieland. Dabei würden Geschwindigkeit, Aufprallwinkel und Folgen eines
       Kerosinbrandes berücksichtigt.
       
       Die ältesten Anlagen haben nach Expertenansicht keine ausreichend dicken
       Hüllen. Eine Nachrüstung würde sich kaum lohnen. Deshalb könnten die
       derzeit nur für die Zeit des Moratoriums der Regierung abgeschalteten AKW
       für immer stillgelegt werden.
       
       ## 100 Experten für 17 Anlagen
       
       "Ich glaube, dass wir schon heute hohe Sicherheitsanforderungen haben",
       sagte Röttgen. Es müsse aber nach der Atomkatastrophe in Japan hinterfragt
       werden, ob sie ausreichen. "Wir haben die Reaktorsicherheitskommission
       beauftragt, selber zu beraten, was jetzt die Fragestellung ist, die aus
       Japan folgt." Die Frage sei, ob die Sicherheit von Kernkraftwerke neu
       definiert werden müsse: "Wie gehen wir mit den erkannten Risiken um? Wie
       bewerten wir die Schutzmechanismen?"
       
       Röttgen ließ aber offen, ob die vorerst abgeschalteten sieben ältesten
       Meiler sowie die Anlage Krümmel für immer vom Netz bleiben. Die Kommission
       verabschiedete einen Anforderungskatalog für die AKW. Dabei würden
       "terroristische Einwirkungen", höhere Wasserstände, ein Staudammbruch,
       Erdbeben, Trockenheit, niedrigere und höhere Temperaturen überprüft, sagte
       Wieland. Geprüft werde eine längere Notstromversorgung von mehr als drei
       Tagen statt bis zwei Stunden, aber auch die Kühlung bei längerem
       Stromausfall, um den Austritt von Radioaktivität zu verhindern.
       
       Sieben Expertenteams der Gesellschaft für Reaktorsicherheit würden die
       einzelnen Bereiche bei den Anlagen prüfen. 80 bis 100 Experten sollen die
       17 Anlagen vor allem auf Basis bekannter Daten und Fakten checken. Röttgen
       will in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft einen mehrheitsfähigen Konsens
       für den Atomausstieg finden. "Am Ende ist die Politik gefragt", betonte er.
       Sie müsse auf Basis der Expertise sowie der Haltung in der Gesellschaft
       entscheiden. Dabei würden auch die Energiekonzerne beteiligt, weil sie eine
       entscheidende Rolle spielten und weil Milliarden-Investitionen nicht
       gefährdet werden dürften.
       
       Der Umstieg auf eine Energieversorgung vor allem mit Ökoenergien werde
       sicher einen dreistelligen Milliardenbetrag kosten. In den drei Monaten des
       Moratoriums gehe es bei den Atomkraftwerken um Bewertung, Analyse und
       Entscheidung. Wegen der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima stehen die
       sieben ältesten AKW sowie der Meiler Krümmel für drei Monate still. Das AKW
       Grafenrheinfeld in Bayern befindet sich zudem in einer Revision, so dass
       aktuell nur acht AKW Strom liefern. Die Kommission mit 16 Mitgliedern berät
       das Umweltministerium in der Sicherheit kerntechnischer Anlagen.
       FDP-Generalsekretär Christian Lindner hatte gefordert, dass die acht
       vorläufig abgeschalteten Meiler für immer vom Netz gehen sollte.
       
       31 Mar 2011
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
 (DIR) Schwerpunkt Atomkraft
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Stromausfall-Szenario für Deutschland: Wenn alle Lichter ausgehen
       
       Aus einem bisher unveröffentlichten Bericht geht hervor, dass die deutschen
       Behörden auf einen Mega-Stromausfall kaum vorbereitet sind. Die Folgen
       wären fatal.
       
 (DIR) Regierung untersucht Niedrigstrahlung nicht: "Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten"
       
       Wie sich Niedrigstrahlung auf die Gesundheit auswirkt, ist unklar. Auch die
       Regierung weiß das nicht. Und trotzdem: Weitere Studien zu dem Thema sind
       nicht geplant.
       
 (DIR) Experte zur AKW-Sicherheitsüberprüfung: Ethikkommission-Auftrag reicht nicht
       
       Die von Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) in Auftrag gegebene
       Sicherheitsüberprüfung deutscher Atomkraftwerke ist unzureichend. Das meint
       zumindest Atomexperte Renneberg.
       
 (DIR) Ex-Bundesverfassungsrichter zur Atompolitik: "Offensichtlich keine Rechtsgrundlage"
       
       Hans-Jürgen Papier, Ex-Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hält ein
       Moratorium für Alt-AKWs nicht für juristisch wasserdicht – und
       Schadensersatzansprüche an die AKW-Betreiber für möglich.
       
 (DIR) Liberale auf neuem Atomkurs: FDP will endgültig abschalten
       
       Nach dem Denkzettel bei den Landtagswahlen am Sonntag setzt bei der FDP das
       Umdenken ein. Die Parteispitze will die vorübergehend abgeschalteten
       Atomkraftwerke für immer stilllegen.
       
 (DIR) CDU nach der Wahlschlappe: Ein bisschen Ausstieg
       
       Machtpolitisch ist die CDU-Chefin unangefochten. Auch in der
       Präsidiumssitzung geht es, so ein Teilnehmer, "gesittet zu". Nun muss das
       Atom-Problem gelöst werden.