# taz.de -- Krieg in Libyen: Schützt die Belagerten!
       
       > Misurata, die drittgrößte Stadt Libyens, wird von Gaddafis Truppen
       > belagert. Um den Menschen zu helfen, reicht eine Unterstützung aus der
       > Luft nicht mehr aus.
       
       BERLIN taz |Der Krieg in Libyen ist nur scheinbar zum Stillstand gekommen.
       Im Osten des Landes hat sich zwar ein militärisches Patt entwickelt, die
       Aufständischen kommen ebenso wenig dauerhaft voran wie die Gaddafi-Truppen.
       Allmählich merken das beide Lager.
       
       Doch in Libyens drittgrößter Stadt Misurata unweit der Hauptstadt Tripolis
       spitzt sich der Krieg und die Notlage der Menschen zu: Hier befindet sich
       die letzte Bastion der Aufständischen im Westen des Landes, und hier zieht
       Gaddafi den Belagerungsring um die "befreite Zone" immer enger.
       
       Hunderte von Menschen sind bereits gestorben, Opfer von Scharfschützen,
       Artillerieangriffen und dem Mangel an medizinischer Versorgung. Tausende
       suchen einen Fluchtweg. Hunderttausende leben in ständiger Angst vor dem
       finalen Großangriff der Regierungsarmee.
       
       Misurata ist eine Ermahnung an die Ursprünge des libyschen Krieges. Er
       begann nicht als bewaffneter Konflikt, bei dem ostlibysche Rebellen gegen
       die Regierung im Westen kämpfen, wie es international die Relativierer
       darstellen, die die Konfliktparteien politisch gleichsetzen wollen und
       damit ihre Neutralität begründen.
       
       Er begann als landesweiter Volksaufstand gegen Unterdrückung, nach dem
       Vorbild Tunesiens und Ägyptens. Erst als dieser Aufstand blutig
       niedergeschlagen wurde, griffen die Aufständischen ihrerseits zu den
       Waffen. Sie hielten anfangs zahlreiche Städte in allen Teilen des Landes.
       Misurata ist der einzige größere Ort im Westen, wo ihr Widerstand bis heute
       nicht gebrochen ist.
       
       Dies zeigt die Grenzen der bisherigen internationalen
       Interventionsstrategie in Libyen auf. Mit Luftschlägen kann man in der
       Wüste Panzerkolonnen und Raketenstellungen ausschalten, nicht aber in einer
       Großstadt einen Häuserkampf entscheiden und Scharfschützen eliminieren. Wer
       den Menschen in Misurata Sicherheit geben will, muss sie gegen die
       Belagerer schützen.
       
       Selbst wer ihnen einfach das Überleben erträglicher machen will, muss den
       Hafen offenhalten, humanitäre Korridore zur Versorgung der Bevölkerung und
       zur Evakuierung von Flüchtlingen schaffen. All dies erfordert den Einsatz
       militärischer Mittel.
       
       Die UN-Resolution 1973, die der internationalen Militärintervention in
       Libyen zugrundeliegt, erlaubt nicht nur Luftangriffe. Sie erlaubt "alle
       notwendigen Maßnahmen, um von Angriffen bedrohte Zivilisten und von
       Zivilisten bewohnte Gebiete zu schützen". Einzig ausgeschlossen ist "eine
       ausländische Besatzungstruppe". Das ist in den endlosen Debatten über die
       Kommandostruktur der Luftangriffe untergegangen. Viele Menschen in Misurata
       haben derweil mit dem Leben bezahlt. Sie müssen jetzt gehört werden.
       Misurata darf nicht erst zum Srebrenica Libyens werden.
       
       8 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominic Johnson
       
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